Was ist People's Global Action?

Eine historische Perspektive auf PGA in Europa

Vielleicht habt ihr den Namen People's Global Action schon gehört und wißt aber nicht genau, welche politische Dynamik und welche Gruppen er umfasst. Deshalb gibt es hier eine kurze Rückblende im Hinblick auf die Vorbereitung der europäischen PGA-Konferenz in Belgrad im Sommer 2004. Damit soll auch ein Beitrag für die Entwicklung weiterer Kommunikationsstrukturen und für eine Erweiterung des Austausches zwischen anti-autoritäten und anti-kapitalistischen Bewegungen geleistet werden. Dieser Text konzentriert sich auf eine Einführung in PGA-Europa, befasst sich aber darüberhinaus auch mit der allgemeinen Geschichte und dem weltweiten Prozess von PGA. Die Abkürzung PGA bezieht sich auf "PGA in Europa". In keiner Weise soll mit diesem Text irgendeine Art von Orthodoxie etabliert werden, weder im Hinblick auf die Geschichte noch im Hinblick auf die politischen Ziele von PGA. Niemand ist dazu berechtigt, sich als PGA-SprecherIn auszugeben. Niemand kann PGA repräsentieren. Die folgenden Darstellungen sollten daher als einen unvollständigen Standpunkt unter vielen betrachtet werden. Es handelt sich um die Meinung einiger engagierter Individuen aus dem umfassenden, komplexen und faszinierenden PGA-Prozess.

Von den "Frühen Tagen" bis zu den Gegengipfeln

In Folge des zapatistischen Aufstands im Januar 1994 in Mexiko fanden eine ganze Reihe von Treffen statt, darunter auch die berühmten "Intergalaktischen Treffen gegen den Neo-Liberalismus und für die Menschlichkeit." Davon fanden das erste in Chiapas und die folgenden im spanischen Staat statt. Die politische Gesamtsituation war niederschmetternd. Die Mauer war gerade gefallen und der freie Marktwirtschaftskapitalismus hat - wie kurzfristig auch immer - triumphiert. Die indigenen Völker der zapatistischen Bewegungen hatten in dieser Situation einen Funken der Hoffnung geschaffen. Er lief um die Welt.

Eine Auswirkung dieser Treffen war die Idee für ein weltweites Netzwerk für die Koordination und den Austausch von Informationen unter Aktivisten. Die Idee entstand zuerst in der theoretischen Diskussion und wurde anschließend in die Praxis umgesetzt. Eines der ersten Ziele war der Angriff auf die Welthandelsorganisation. Die erste weltweite "People's Global Action gegen die WTO und den Freihandel" - Konferenz fand im Februar 1998 in Genf statt. Einige hundert VertreterInnen von Basis-Bewegungen aus der ganzen Welt versammelten sich. Es gelang ihnen, sich auf ein politisches Manifest zu einigen.(1) Unter den TeilnehmerInnen waren kanadische PostarbeiterInnen, Earth First-ÖkologInnen, französiche Bauern und Bäuerinnen, Anti-Atom-AktivistInnen, VertreterInnen der Gesellschaften der Maori, der U'wa und der Ogoni, koreanische GewerkschafterInnen, indigene nordamerikanische Frauenorganisationen, radikale ukrainische Öko-AktivistInnen und Bauernbewegungen aus allen Kontinenten. Ihr Manifest umfaßte Themen, wie z.B. die direkte Aktion als Mittel der politischen Auseinandersetzung, die Einrichtung von Organisationsprinzipien basierend auf Dezentralisation und Autonomie und den Aufbau von direkten demokratischen Alternativen. Die gesamte Struktur sollte von 12 verschiedenen Gruppen, den sogenannten "Convenors" (Einberufende) aus den verschiedenen Regionen der Erde verbreitet werden.

Die Convenors (Einberufende)

Bei den Convenors handelt es sich um Gruppen, die als Kontakt-, Informations- und Koordinierungspunkte dienen. Sie ko-organisieren globale und regionale Konferenzen und verbreiten die Aufrufe für globale dezentrale Aktionstage (Global Days of decentralised Actions), insbesondere zu den WTO-Gipfeltreffen. Im ersten Convenors-Komitee waren 3 Convenors aus Latein-Amerika, einer aus Westeuropa, einer aus Osteuropa und zwei aus Asien. Zur Zeit gibt es manchmal auch mehrere Convenors in einer Region, insbesondere in Latein-Amerika. Convenors teilen sich die Arbeit mit anderen Gruppen. Die ersten europäischen Convenors waren "Reclaim the Streets", eine Gruppe, die in der radikalen Ökologie und in Straßenprotesten ihre Wurzeln hat. Sie hat zu einer Erneuerung der anti-kapitalistischen direkten Aktionstechniken beigetragen, vor allem durch den Einsatz von Straßenparties als Blockaden und durch den Aufbau von Verbindungen zu Arbeiterorganisationen, wie z.B. den Liverpooler HafenarbeiterInnen oder den Londoner U-Bahn-ArbeiterInnen. In Asien wurde die Arbeit der Convenors von Organisationen, wie der KRRS übernommen, einer indischen Bauerngewerkschaft mit mehreren Millionen Mitgliedern. Sie sind dafür bekannt, die genmanipulierten Getreidefelder von Monsanto in Brand zu stecken und für die 'National Alliance of Peoples' Movement', einem nationalen Bündnis von Graswurzel-Bewegungen aus dem ganzen Land (einschließlich Narmada Bachao Andolan, dem nationalen Fischer-Forum, der Gewerkschaft der landlosen ArbeiterInnen von Andhra Pradesh, etc). Die aktuellen asiatischen Convenors sind die 'Krishok Federation' (landlosen- und marginalisierten-Bauernbewegung) aus Bangladesh. In Latein-Amerika hat PGA verschiedene Kulturen und Bewegungen zusammengebracht, von den CONFEUNASCC, einer kleinen Bauerngewerkschaft in Ecuador, der Movimiento de la Juventad Kuna, der bolivianischen Kokabauern-Bewegung in Chapare, bis hin zum kolumbianischen Prozess der 'Black Communities'.

Und so wurde der Widerstand so global wie das Kapital

Im Mai 1998 wurden während der 4 Tage des weltweiten Widerstands gegen den G8-Gipfel in Großbritannien und den WTO-Gipfel in Genf die ersten Erfolge von PGA sichtbar. Der WTO-Gipfel in Genf war die zweite Mininsterkonferenz seit der Gründung der WTO und eine Feier zum 50-jährigen Bestehen des GATT-Abkommens und der kapitalistischen Nachkriegsordnung nach dem zweiten Weltkrieg. Zu diesem Anlaß fand der erste Gegengipfel statt, von vielen, die noch folgten. Dabei gab es die heftigsten Proteste, die Genf jemals erlebt hatte, und in Birmingham waren die TeilnehmerInnen des G8-Gipfeltreffens gezwungen, der neu besetzten Stadt in einer heimlichen Flucht zu entkommen. Währenddessen demonstrierten 200.000 indische Bauern und Bäuerinnen für eine Auflösung der WTO.

In jenen Tagen ging die Dynamik von lokalen Gruppen aus. Von PGA initierte Global Days of Action waren dezentrale Ereignisse. Einer der beeindruckendsten Global Action Days war der J18, der 18.Juni 1999. An diesem Tag korrespondierten alle weltweiten Protestaktionen mit dem G8-Gipfel in Köln. An 72 verschiedenen Orten wurden Aktionen organisiert, einschließlich der Ankunft der 'International Caravan for Solidarity and Resistance' in Köln (gebildet von Graswurzelbewegungen aus Indien und aus anderen Ländern des Südens) und einer festlichen Besetzung der Stadt London, die damit endete, daß das Finanzcenter der Stadt von ein paar tausend DemonstrantInnen eingenommen und neu dekoriert wurde. In dieser Zeit erfuhr der Ausdruck "anti-kapitalistisch" eine massive Wende, sowohl unter den militanten AktivistInnen, als auch in den Medien. Der Slogan "Capital is global, the struggle is global" wurde in die Praxis umgesetzt.

In Seattle, im Bundesstaat Washington zeigte 1999 der Abbruch der WTO-Ministerkonferenz die Effektivität der Kombination verschiedener direkter Aktionen. Teilweise wurden sie mit großer Koordination durchgeführt, wie z.B. die Blockaden sämtlicher Straßen, die zum Gipfeltreffen führten. Sie wurden alle von kleinen Zugehörigkeitsgruppen organisiert. Es gab dazu Solidaritätsaktionen in mehr als 70 Ländern. Die sogenannte "Schlacht von Seattle", bei der die Radikalen an vorderster Front standen wurde nichtsdestotrotz sehr schnell von traditionellen linken bürgerlichen Reformisten und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) für ihre Ziele ausgenutzt. Sie beabsichtigen es als "Mythos" für ihre neuen Strategien der Machtteilhabe zwischen Freihandelsinstitutionen und der "Zivil-Gesellschaft" zu nutzen.

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