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GATS-
ETTE
Unsere Bildung mit dem Rücken zur Wand
Eine Bestandsaufnahme der Globalisierung im Dienstleistungsbereich

Was ist die wto

Einführung in das Regime der Welthandelsorganisation (WTO)

Wie jedes gesellschaftliche Phänomen leben Weltwirtschaft und Globalisierung von Strukturen und Kontrollmechanismen. Drei internationale Organisationen steuern und (de-)regulieren Waren- und Finanzströme weltweit: Der Internationale Währungsfond (IMF) wurde im Juni 1944 auf der UNKonferenz im amerikanischen Skiort Bretton Woods ins Leben gerufen. Bis in die 70er Jahre überwachte er die fest verketteten und damit stabilen Wechselkurse der Welt. Als dieses System der festen Wechselkurse (Goldstandard) zerbrach, begann der IMF die Liberalisierung des globalen Kapitalverkehrs voranzutreiben. Bei Finanzkrisen wie in Asien 'hilft' er Krisenländern mit Krediten, wobei dieses Geld nur dann vergeben wird, falls die Länder ihre Wirtschaft zu einem freieren Kapitalismus umbauen (Privatisierung, Deregulierung, Freihandel). Das Scheitern dieser Politik dokumentierte jüngst der Nobelpreisträger von 2001, Joseph Stiglitz, in seinem Buch Schatten der Globalisierung.

IMF, WTO, Weltbank - drei Speerspitzen der Globalisierung

Zusammen mit dem IMF wurde in Bretton Woods die Weltbank gegründet, um nach dem Zweiten Weltkrieg den Wiederaufbau in Europa zu finanzieren. Als dieser erreicht war, begann die Weltbank Entwicklungsländern Kredite zu geben, falls diese westlichen Großunternehmen dienten und ebenfalls die neoliberale freie Marktwirtschaft einführten. Die Weltbank kam bei eigenen Studien selbst zu dem Ergebnis, dass ihre Politik und die Projekte, Armut und Elend der Welt zu lindern, gescheitert sind.

Als dritte Organisation entstanden das internationale Freihandelsabkommen GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) und die International Trade Organization (ITO). Nur das GATT fand nach dem Zweiten Weltkrieg Zustimmung, weil die Vereinigten Staaten die ITO nach zähen Verhandlungen ablehnten. Erst im Jahre 1995 entstand eine Dachorganisation: Die Welthandelsorganisation (WTO) fasste zahlreiche internationale Handelsverträge und Erweiterungen des GATT aus dem Jahre 1948 zusammen.

tabelleWTO Verhandlungsrunden: Zollabbau und Machtaufbau

Eine stetig steigende Anzahl von Mitgliedsländern im GATT verhandelt seit 1947 in unregelmäßigen Abständen den Abbau von Zollschranken und von Regeln des Welthandels (vgl. Abb. 1). Im Zuge dieser Verhandlungen fielen die Zölle für Ex- und Importe von durchschnittlich über 40 Prozent auf 4,6 Prozent. Außerdem wurden neben dem Handel mit Waren wie Autos und Rohstoffe auch Dienstleistungen teilweise liberalisiert und andere (nicht-tarifäre) Handelsbeschränkungen wie unterschiedliche Produktstandards oder nationale Vergaberichtlinien auf das niedrigste Niveau gesenkt oder ganz abgeschafft. 12


 

Tabelle: Vertragssäulen der WTO-Architektur

Aufbau der WTO

Die Welthandelsorganisation symbolisiert einen verpflichtenden Rahmenvertrag für alle Mitgliedsländer. So fasst der WTO-Vertrag das Handelsabkommen GATT (General Agreement of Tariffs and Trade), das Dienstleistungsabkommen GATS (General Agreement on Trade in Services) und das Schutzabkommen über geistiges Eigentum TRIPS (Trade Related Intellectual Property Rights) zusammen. Das Durchsetzungsinstrument der WTO ist das Streitschlichtungspanel DSB darauf (vgl. Abb.2).

TRIPSTRIPS - der Freibrief für Biopiraterie Die Fastenaktion 2003 von Misereor unter dem Titel « Wem gehört die Welt? » versuchte, auf die negativen Folgen des TRIPS aufmerksam zu machen. Mit « Stoppt die Biopiraten » riefen Greenpeace und der BDKJ (Bund der dt. kath. Jugend) in der Fastenzeit zu Aktionen auf, um gegen die Patentvergaberegeln der WTO zu kämpfen. Das Abkommen « Trade Related Intellectual Property Rights, » kurz TRIPS, schützt neben Copyrights von CDs und Medikamenten auch Patente auf Genstrukturen. Leider können Konzerne damit Eigentümer von Nutzpflanzen (z. B. Basmati-Reis), Tieren (« Krebsmaus ») und sogar menschlichen Genstrukturen werden. Der Biotechnologieriese Monsanto erwirbt aktuell Patente auf alle noch nicht erforschten Pflanzen und Tiere im Amazonas. Gehören aber solche Genstrukturen und Pflanzen nicht der gesamten Menschheit? Weitere Infos unter: www.biopiraterie.de, www.jugendaktion.de, www.misereor.de/patente , www.bukoagrar.de

Die Grundprinzipien « National Treatment » (NT) und « Most Favoured Nation » (MFN)

Die Welthandelsverträge basieren auf zwei Grundprinzipien: « Inländerbehandlung » (NT) und « Meistbegünstigung » (MFN). National Treatment verlangt, dass ausländische Unternehmen und Handelspartner genauso behandelt werden müssen wie inländische. Most Favoured Nation hingegen regelt die Behandlung ausländischer Unternehmen. Alle Unternehmen unterschiedlicher Nationalität müssen gleiche Handelsbedingungen und Vorteile wie Subvention erhalten. Diese beiden Rechtsgrundsätze schränken politisches Handeln fundamental ein!

Die Würde des Handels ist unantastbar

Im Weiteren legen die WTO-Verträge der nationalen und internationalen Gesetzgebung starke Grenzen auf. Kein Gesetz, ob Arbeitsschutzbestimmungen oder Klimaabkommen, darf den Handel minimal beeinträchtigen. Die Politik kann fast nur noch den Handel förderliche Gesetze erlassen und entsprechende Markteingriffe vornehmen. In der Philosophie der WTO kommt zuerst der Welthandel, dann erst spielen der Mensch und der Schutz der Natur eine Rolle (vgl. Art. XX GATT).

democracyDispute Settlement Body - der mächtigste Gerichtshof der Welt

Die WTO-Prinzipien wie NT und MFN wären genauso unwirksam wie der Großteil des Völkerrechts (vgl. UN-Charta und der Irakkrieg 2003), wenn die WTO mit dem durch den Dispute Settlement Body (DSB) nicht ein mächtiges Gericht hätte. Es ist das drittmächtigste globale Gremium nach dem Internationalen Strafgerichtshof und dem UN-Sicherheitsrat. Dieser Streitschlichtungsmechanismus erlaubt es Mitgliedländern, zu ihren Gunsten einseitige Strafzölle gegen Verstöße anderer zu erheben. Die USA erheben z.B. Strafzölle gegen die EU, weil die WTO das EU-Importverbot gegen US-Hormonfleisch als ungerechtfertigt ansieht, da bisher keine Gesundheitsgefahr aus dem USHormonfleisch nachgewiesen wurde. Das DSB ähnelt aber keinem Gericht, sondern ist ein intransparentes Komittee von Handelsjuristen, die den Schaden von Vertragsverstößen hinter verschlossener Tür bemessen. Außerdem muss ein Gesetzgeber, der in den Freihandel eingreifen will, nachweisen, dass durch Handel oder bestimmte Produkte eine Gefahr für die Gesundheit oder Schaden für die Natur entsteht. Das normale Vorsorgeprinzip, nach dem Unternehmen die Sicherheit und Unbedenklichkeit ihrer Produkte beweisen müssten, wird von der WTO ins unverständliche Gegenteil umgekehrt. Ein Eingriff in den Handel wegen gefährlicher Produktionsarten wie Kinderarbeit oder Ableitung ungereinigten Wassers durch eine Fabrik ist im Rahmen der WTO grundsätzlich verboten!

Praxisbeispiele aus dem WTO-Wahnsinn

Die Welthandelsorganisation hat es auf Grundlage der Vertragswerke GATT, GATS oder TRIPS in verheerender Art und Weise geschafft, Regeln für den Schutz von Mensch und Natur außer Kraft zu setzen. Das aus Gesundheitsgründen erlassene Verbot von hormonbehandeltem US-Rindfleisch wurde vom DSB der WTO als rechtswidrig erklärt, weil die Hormonbelastung von der EU nicht nachgewiesen werden konnte. Es ist nicht etwa so, dass die US-Landwirte die Unbedenklichkeit des Fleisches sicherstellen müssen!

Im Fall des US-Importverbots von mexikanischem Thunfisch verlor die USA mit ihrem Schutzprogramm für Delphine. Das US-Gesetz verbot den Vertrieb von Thunfisch, der mit Schleppnetzen gefangen wurde, die auch Delphine fangen und damit töten. Da für die WTO Produkte nicht nach Herstellungsform unterschieden werden dürfen und der Schutz von Mensch und Natur (Art. XX) nur in extremsten Ausnahmefällen gilt, musste die USA den Import dieses Thunfisches genehmigen.

Fallbeispiele aus « A Citizen Guide to the World Trade Organization »

(http://www.nadir.org/nadir/initiativ/agp/free/wto/diewto.htm)

kuhDer Hormonfleisch-Fall

Der Fall: Die USA fechten das EU-Einfuhrverbot für Fleisch von mit Wachstumshormonen behandelten Rindern an.

Die Entscheidung: 1998 entscheidet ein WTO-Berufungsgremium gegen das EU-Gesetz und setzt den 13.5.99 als Ultimatum für Europa, seine Märkte für hormonbehandeltes Fleisch zu öffnen. Dem kommt die EU nicht nach und wird daher seitdem von den USA legal mit Handelssanktionen belegt.

Die Folgen: Das Verbot künstlicher Hormone galt genauso für europäische Bauern wie für alle anderen. Wenn die europäischen Verbraucher und Regierungen der Nutzung künstlicher Hormone ablehnend gegenüberstehen und Bedenken hinsichtlich möglicher Gesundheitsrisiken haben oder natürliche Anbaumethoden fördern wollen, sollten sie ein Recht darauf haben, Gesetze, die ihre Position unterstützen, zu verabschieden. Stattdessen ermächtigt die WTO ihre Gremien zu beurteilen, ob Gesundheits- oder Umweltschutzregelungen wissenschaftlich begründet sind.

schildkroeteDer Krabben-Schildkröten-Fall

Der Fall: Vier asiatische Staaten fechten Bestimmungen des "Bedrohte Arten"-Gesetzes der USA an. Dieses Gesetz verbietet den Verkauf von Krabben, die ohne Vorsichtsmaßnahmen für die bedrohten Meeresschildkröten gefangen werden.

Das Ergebnis: 1998 entscheidet ein WTO-Berufungsgremium, dass es zwar in den USA erlaubt sein darf, Schildkröten zu schützen, das vorliegende Verfahren aber nicht mit den WTO-Regeln zu vereinbaren sei. Die US-Regierung erwägt momentan, ihre Gesetze zu ändern, um mit den WTO-Regeln konform zu gehen.

Die Folgen: Es ist möglich, Krabben zu fangen, ohne Schildkröten zu schaden, indem man die Fangnetze mit kostengünstigen "Schildkröten-Ausschlußvorrichtungen" ausstattet. US-Gesetze verlangen von nationalen und ausländischen Krabbenfischern die Anwendung dieser schildkrötensicheren Methode. Das Ziel, Schildkröten zu retten, könnte durch WTO-Beurteilung der USPolitik ad absurdum geführt werden, da selbst dieses billigste und effektivste Mittel als nicht WTO-konform erklärt wurde.

bananenDer Karibische-Bananen-Fall

Der Fall: Die USA argumentieren in der WTO, daß Europas Bevorzugung von Bananen aus ehemaligen europäischen Kolonien in der Karibik die von US-amerikanischen Firmen in Südamerika angebauten Bananen auf unfaire Weise benachteilige.

Das Ergebnis: 1997 entscheidet ein WTO-Streitschlichtungsgremium, daß die Bevorzugung karibischer Bananen nicht konform mit den WTO-Regeln sei. Die USA wurden dazu ermächtigt, jährlich $200 Mio. durch Handelssanktionen gegen europäische Importe einzutreiben, bis die EU ihre Gesetze so ändert, daß sie den WTOAnsprüchen genügen.

Die Folgen: Der kleine Teil des europäischen Bananenmarktes, den karibische Bananen ausmachen, ist die Hauptquelle für Erträge und Arbeitsplätze in einigen karibischen Staaten, in denen gebirgiges Terrain den Anbau anderer Kulturpflanzen ausschließt. Wenn die EU nachgibt, dann werden über 200.000 Kleinbauern aus sehr armen Ländern ihre Lebensgrundlage verlieren. Darüberhinaus befürchten Regierungsmitglieder kleiner karibischer Staaten, dass die Umsetzung der WTOEntscheidung ihre Wirtschaft und sogar Demokratie destabilisieren könnte. Der US-Drogenbeauftragte sagte in diesem Zusammenhang, dass die veränderten Verhältnisse zum Aufblühen des Drogenhandels in und aus diesen Ländern führen könnte.

venezuelaDer Venezuela-Benzin-Fall

Der Fall: In Wahrnehmung der Interessen seiner Ölindustrie ficht Venezuela eine Bestimmung des USamerikanischen "Saubere Luft"-Gesetzes (Clean Air Act) an, das von den Ölraffinerien verlangt, saubereres Benzin zu produzieren. Die Bestimmung verwendete Produktionsdaten von Raffinerien, die gezwungen waren, den EPA (US-Umweltschutzbehörde) -Standard einzuhalten (hauptsächlich Raffinerien aus den USA), als Ausgangspunkt für Auflagen an Raffinerien ohne verlässliche Daten (hauptsächlich ausländische). Venezuela behauptete, daß diese Regelungen ausländische Raffinerien benachteiligten, und brachte den Fall vor die WTO.

Das Ergebnis: Ein WTO Gremium entschied zu Ungunsten des US-amerikanischen Gesetzes. 1997 änderte die EPA die "Saubere Luft"-Regeln und ermöglichte ausländischen Raffinerien so die Wahl eines nationalen Standards als Ausgangspunkt. Die EPA hat anerkannt, daß sich diese Veränderungen "für die Umwelt möglicherweise negativ auswirken werden".

Die Folgen: Raffinerien aus Venezuela und anderen Ländern werden die "nationaler Standard"-Option nur dann nutzen, wenn sie ihnen einen schwächeren Ausgangspunkt gewährleistet und sie so unreineres Benzin in den USA verkaufen können. Die WTO eröffnet also Firmen die Möglichkeit, Regelungen anzufechten, die sich in der nationalen Politik durchgesetzt haben.

Zusätzliche Grundlagen des GATS

Modus 1: « Grenzüberschreitende Erbringung »: Die Dienstleistung geht/kommt über die Grenze (z.B. e-Learning via Internet, virtuelle Unis).

Modus 2: « Nutzung im Ausland »: Der/Die KonsumentIn geht/ kommt über die Grenze (z.B. Studierende aus dem Ausland).

Modus 3: « Kommerzielle Präsenz »: Der/Die DienstleisterIn geht/kommt über die Grenze (z.B. Sprachschule von Berlitz, Rice University Texas: IUB).

Modus 4: « Präsenz natürlicher Personen »: zeitweilige Migration von DL-Beschäftigten in ein Mitgliedsland (z.B. muttersprachliches Lehrpersonal an einer Sprachschule)

GATS - auch Straßenkehrer und Hausärzte verlagern ihren Standort

Im Rahmen des internationalen Dienstleistungsabkommens GATS soll auch der weltweite Markt für Dienstleistungen - vom Klärwerk bis zur Universität - liberalisiert werden. Neben den beiden Prinzipien von Meistbegünstigung und Inländerbehandlung gibt es im GATS-Abkommen noch vier weitere Grundprinzipien (vgl. Tab. 1). Da Dienstleistungen (DL) für den 'Konsumenten' ein immaterielles Produkt darstellen, muss sich der/die ProduzentIn am gleichen Ort wie der Konsument befinden. Die Dienstleistung wird erbracht und gleichzeitig konsumiert.

Die sog. Modi 1 und 2 regeln den freien Grenzübertritt von DL-ErbringerInnen und KundInnen. Frau Müller darf dann ihre Zahnbehandlung im Ausland bei der Krankenkasse abrechnen lassen und Herr Schmidt könnte eine Versicherung in Mexico via Internet abschließen. Die Standortmobilität erlauben Modus 3 und 4. Der DL-Anbieter darf auch eine Geschäftsstelle im Land der Kundschaft errichten oder seine MitarbeiterInnen dorthin entsenden. Afrikanische Bauarbeiter renovieren Altbauten, oder private US-Universitäten eröffnen einen privaten Campus in der Bundesrepublik und müssen z. B. dieselben Subventionen wie die TU München erhalten.

Die (inter-)nationalen Regelungen für DL wie Banken, Versicherungen, Bildung oder Handwerker müssen alle überprüft werden, da kein Gesetz den Handel mehr als notwendig einschränken darf. Der strengen Banken- und Versicherungsaufsicht zum Schutz der Anleger und Versicherten steht dann eine schwere Zukunft bevor.

Als Fazit kann festgehalten werden, dass die Welthandelsorganisation weltweit freie und unkontrollierbare Märkte schafft ohne auf Mensch oder Natur Rücksicht zu nehmen. Die WTO symbolisiert somit das Enteignungsinstrument gegen Gesellschaften zum Vorteil von Großkonzernen.

So viel zur Transparenz der GATS-Verhandlungen...

(Quelle: www.gatswatch.org/requests-offers.html)

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GATS 2000
REQUEST FROM THE EC AND ITS MEMBER STATES (HEREAFTER THE EC) TO BURKINA FASO
General Remarks
At the WTO Minister Conference in Doha [...]

weiter: Wie entsteht Handelspolitik?


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