Deklaration der "Ciudadan@s ante la Unión Europea"

-Zivilgesellschaftliche Gruppen aus Mexiko nehmen Stellung zu den laufenden Verhandlungen ueber ein Freihandelsabkommen zwischen Mexiko und der Europaeischen Union

Ein Abkommen ohne die volle Partizipation der Zivilgesellschaft und der organizaciónes productivas (laendliche Kooperativen) des Landes kann aufgrund seines antidemokratischen Charakters keine Gueltigkeit besitzen. Es ist Sache des mexikanischen Volkes, seine Wirtschaftspolitik und damit das Mass an Regulierung, Privatisierung und Oeffnung der Handelsbeziehungen seiner Oekonomie zu bestimmen.

Eine Demokratieklausel, die ueber keine wirkungsvollen Mechanismen verfuegt, und und eine blosse Prinzipienerklaerung bleibt, bietet keine wirksame Verpflichtung auf die universell anerkannten Menschenrechte. Dies ist um so problematischer, als deren Verletzung in unserem Land zunimmt.

Der Freihandel darf nicht zum Selbstzweck werden. Der nordamerikanische Freihandelsvertrag (NAFTA) mit den USA und Kanada hat fuenf Jahre nach seinem Abschluss die mexikanische Landbevoelkerung und die nationale Industrie in eine desastroese Lage versetzt.

Wir begruessen ein Gesamtabkommen mit der EU - vorausgesetzt, dass dieses sich auf eine soziale Entwicklung verpflichtet. Hierzu ist es notwendig, dass das Abkommen sich verstaerkt auf die Prinzipien und Mechanismen der Europaeischen Integration bezieht und nicht einfach den NAFTA-Vertrag mit Kanada und den USA nachahmt.

Wir versenden folgende Deklaration:

An die verhandelnden Parteien des Freihandelsabkommens zwischen der Europaeischen und Union und Mexiko, an den mexikanischen Senat, an die nationalen Parlamente Europas und an die Mitglieder des europaeischen Parlaments, die Medienoeffentlichkeit und die internationale Gemeinschaft im allgemeinen.

Aus Anlass der dritten Runde der Verhandlungen ueber ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Mexiko vom 8. bis 12. Maerz 1999 moechten wir - ein breites Buendnis aus Nichtregierungs- und sozialen Organisationen - unsere Bedenken und Vorschlaege in Bezug auf die Maengel des Gesamtabkommens allgemein, sowie speziell des Freihandelsabkommens erneut vorbringen.

Unsere Einwaende und Aenderungsvorschlaege beruhen auf der Informationsbroschuere Primer Informe de Organizaciones Civiles Mexicanas en torno al Acuerdo de Asociacion Economica, Concertation Politica y Cooperacion Commercial entre la Union Europea y Mexico vom August 1998, die in vollstaendiger Fassung bisher in die englische und franzoesische Sprache uebersetzt worden ist.

Zur Beteiligung der Zivilgesellschaft und das Recht auf Information

Wir fordern erneut, dass die mexikanische Bevoelkerung klar, rechtzeitig und aufrichtig ueber die Mechanismen und Inhalte der Verhandlungen mit der EU informiert wird. Wir verlangen zugleich die Schaffung eindeutiger und konkreter Mechanismen, die die Partizipation von Nichtregierungs-, sozialen und produktiven Organisationen des Landes ermoeglichen.

Wir beklagen, dass die mexikanische Zivilgesellschaft trotz der Bemuehungen unterschiedlichster Organisationen voellig aus dem Verhandlungsprozess herausgehalten worden ist. Wir fordern dieselben Beteiligungsmoeglichkeiten, wie sie in anderen Vertraegen aehnlicher Natur zwischen der Europaeischen Union und Dritten festgelegt sind. Die Rolle, die die Organisationen der Zivilgesellschaft in den Beziehungen zwischen den Laendern spielen sollen, muss ausfuehrlich, explizit und einklagbar festgelegt werden.

Weil die umfassende demokratische Beteiligung von entscheidender Bedeutung dafuer ist, dass ein transparentes, zugaengliches und fuer gesellschaftliche Erfordernisse empfaengliches Gesamtabkommen abgeschlossen wird, sollen die verhandelnden Parteien die folgenden konkreten Punkte aufnehmen:

  1. Bis zum heutigen Tage haben lediglich die VertreterInnen der mexikanischen Regierung und der Wirtschaft sowie Funktionaere der EU Zugang zu den laufenden Verhandlungen zur Liberalisierung der Handelsbeziehungen. Nichtregierungs- und sozialen Organisationen soll ein Beobachterstatus eingeraeumt werden.
  2. Der Gemeinsame Ausschuss, der nach Artikel 13 zur Intensivierung und Verbesserung der Kooperation in einen permanenten Dialog tritt, soll personell ausgeweitet werden. Dieser Dialog muss VertreterInnen aus Gewerkschaften, Interessensverbaende der Unternehmen, Umweltgruppen, Frauenorganisationen, soziale Organisationen und andere Gruppen der Gesellschaft im weiteren Sinne einschließen. Dies waere mittels des Artikels 49 einfach umzusetzen: Es ist vorgesehen, dass der Gemeinsame Rat jedweden zusaetzlichen speziellen Ausschuss oder Rat bilden kann, der ihn bei der Erfuellung seiner Aufgaben unterstuetzt.
  3. Die Notwendigkeit eines institutionalisierten politischen Dialogs auf parlamentarischer Ebene, vermittelt ueber Kontakte zwischen dem Europaeischen Parlament und dem Mexikanischen Kongress, ist in der gemeinsamen Erklaerung zum parlamentarischen Dialog festgehalten worden. In diesem Sinn ist wesentlich, dass der mexikanische Senat in klarer, rechtzeitiger und wahrheitsgemaesser Form ueber saemtliche Aspekte der Verhandlungen mit den Regierungen der EU unterrichtet wird. Große Bedeutung faellt dabei dem Artikel 13 zu, der die Zustimmung des Mexikanischen Senats zum sogenannten Interimsabkommen vorschreibt. Demzufolge "sollen die Ergebnisse der Verhandlungen zur wirtschaftlichen, bilateralen, fortschreitenden, bevorzugenden und gegenseitigen Oeffnung, abgeschlossen gemaess dem Interimsabkommen, dem Senat der Republik von der Exekutive zur Abstimmung vorgelegt werden" [Uebersetzung aus dem Spanischen]. Zugleich soll dieser Dialog auf soziale Gruppen ausgeweitet werden, zum Beispiel mittels regelmaessiger Kontakte zwischen dem Europaeischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den entsprechenden mexikanischen Institutionen.

Zur Demokratieklausel und ihrer Tragweite

In Bezug auf die Demokratieklausel (Artikel 1 des Abkommens) fordern wir spezifische Massnahmen, die den Schutz der Menschenrechte in Mexiko foerdern. Wir glauben, dass die formale Bindung des Freihandelsabkommens an demokratische Prinzipien und die universell anerkannten Menschenrechte - oekonomische, soziale und kulturelle ebenso wie zivilbuergerliche und politische - eine einmalige Gelegenheit darstellt, Druck auszuueben, um konkrete Mechanismen zu schaffen, die die Ueberwachung der Menschenrechte in Mexiko erleichtern. Es muessen jetzt spezifische Massnahmen zur Aufnahme in das Abkommen festgesetzt werden, die Nichtregierungs- und soziale Organisationen einschließen.

In Mexiko finden taeglich alle Arten von Verletzungen der angesprochenen fundamentalen Menschenrechte statt, praktisch ohne dass darueber gegenueber der internationalen Gemeinschaft Rechnung abgelegt wuerde. Viele Verstoesse gegen zivilbuergerliche und politische Rechte haben ihre Wurzel in den Verletzungen oekonomischer, sozialer und kultureller Rechte, die durch die neoliberale Reierungspolitik forciert wurden. So ist beispielsweise der politische Fokus auf die Kontrolle bestimmter makrooekonomischer Indikatoren auf Kosten der Einkommen der abhaengig Beschaeftigten gegangen. Deren Lage wurde durch die Einfuehrung verschiedener Gesetze verschaerft, die als gemeinsamen Nenner, wenn auch in unterschiedlichen Auspraegungen, die Tendenz aufweisen, soziale Leistungen und Rechte der ArbeitnehmerInnen zu privatisieren. So wurden in Mexiko 1996 drei Gesetzesaenderungen diskutiert, die mit ihrem Inkrafttreten 1997 das System sozialer Sicherheit sowie das Miet-, Wohn- und Arbeitsrecht beschraenken. Die Verletzung und das Fehlen der Rechte von Frauen und indigener Bevoelkerung ist fuer uns Anlass zu besonderer Besorgnis.

Es ist von vitaler Bedeutung, dass effektive Mechanismen, die die Beobachtung und Einhaltung der Menschenrechte zu erleichtern vermoegen, in das Abkommen mit der Europaeischen Union aufgenommen werden. Der Einschluss dieser Mechanismen stellt eine einzigartige Gelegenheit dar, die Luecke zwischen der oeffentlich kundgetanen Verpflichtung der mexikanischen Regierung und ihrer tatsaechlichen Praxis zu schließen.

Die Situation der Menschenrechte in Mexiko ist sehr kritisch. Es ist eine dramatische Zunahme der Zahl verschwundener Menschen und aussergerichtlicher Exekutionen zu verzeichnen. Willkuerliche Verhaftungen finden ebenso haeufig statt, wie Folter als gaengiges Mittel in polizeilichen Verhoeren eingesetzt wird. Die Uebergriffe der paramilitaerischen Truppen bleiben ungeahndet und die Militarisierung nimmt taeglich zu, auch ausserhalb des Bundesstaats Chiapas.

Obgleich von großer Bedeutung ist, dass in das Abkommen Klauseln aufgenommen werden, die das Bestreben der EU widerspiegeln, sozialen Ausgleich zu foerdern und die universell anerkannten Menschrechte in ihren Handelsbeziehungen mit Dritten zu respektieren, wird die Klausel diese Ziele schwerlich ohne zusaetzliche Massnahmen realisieren koennen. Insbesondere spezifiziert die Klausel nicht, wie, wie oft oder wer in Bezug auf die Menschenrechte beobachtet werden soll. Ebenso fehlt jeder Hinweis auf die Rolle, die die nichtstaatlichen Organisationen in diesem Prozess der Ueberwachung spielen werden. Es besteht deshalb ein Bedarf danach, effiziente Mechanismen zu definieren und den Prozess der Evaluation nicht auf die unterzeichnenden Regierungen zu beschraenken. Um solche Einschraenkungen zu vermeiden, schlagen wir in Uebereinstimmung mit dem Nationalen Menschenrechtsnetzwerk (Red Nacional de Derechos Humanos) vor, folgende Mechanismen unter Artikel 1 des Abkommens einzufuegen: 1) einen jaehrlichen Informationsaustausch ueber die Situation der Menschenrechte zwischen beiden Seiten, einschliesslich spezifischer Mechanismen zur Beratung mit den NGOs; 2) ein jaehrliches Treffen zwischen dem Unterausschuss fuer Menschenrechte des Europaeischen Parlaments und den Kommissionen fuer Menschenrechte im mexikanischen Senat und Kongress; 3) ein jaehrliches Treffen des Gemeinsamen Ausschusses zur Menschenrechtssituation; 4) Beauftragung eines Mitglieds der Europaeischen Kommission in Mexiko, ausschliesslich die Einhaltung der Menschenrechte zu ueberwachen. Zuallererst muessen jedoch die gesamten, von Mexiko und den Staaten der EU ratifizierten universellen Rechte anerkannt und als unhinterfragbarer, nicht verhandlungsfaehiger gemeinsamer Nenner festgesetzt werden.

Wir schlagen ueberdies die Aufnahme einer sozialen Agenda vor. Der Gesamtvertrag zwischen Mexiko und der Europaeischen Union darf nicht zu einem Instrument mutieren, mittels dessen Transnationale Konzerne das niedrige Lohnniveau in Mexiko ausnutzen und damit das Abkommen dazu zu gebrauchen, Arbeitsstandards in Europa abzusenken. Diese soziale Agenda soll sich dem Prinzip der "Angleichung sozialer Standards immer nach oben" verschreiben, das im Zusammenhang der oekonomischen Integration der Europaeischen Union entstanden ist. Es ist aeusserst besorgniserregend, dass das Abkommen kein einiziges Mal Bezug nimmt auf die international anerkannten grundlegenden Arbeitnehmerrechte. Tatsaechlich vertrat der Wirtschafts- und Sozialausschuss des Europaeischen Parlaments noch im Januar 1996 die Auffassung, dass Arbeitnehmerrechte in das Gesamtabkommen notwendig mit aufgenommen werden muessten. Solche explizite Bezugnahmen auf diese Rechte sind in anderen Abkommen zwischen der EU und Dritten durchaus zu finden, etwa mit Suedafrika.

Zu den Verhandlungen ueber die Oeffnung von Handel, Finanzen und Produktion

Es ist uns bewusst, dass sich kein Land dauerhaft der Dynamik der Weltoekonomie zu entziehen vermag, und wir sind auch nicht von vornherein gegen die Verhandlungen zu einem Wirtschafts-, Finanz und Freihandelsabkommen zwischen Mexiko und der EU. Wir sind jedoch ueberzeugt: Die neoliberale Orientierung, basierend auf Deregulierung und ungehinderter Oeffnung, stellt nicht die einzig moegliche und noch viel weniger die beste Form der Einpassung in die internationale Oekonomie dar.

Wir denken, dass das Regelwerk der internationalen Wirtschaftsbeziehungen nicht geholfen hat, die Probleme unserer Oekonomie zu ueberwinden. Sie sind nicht einmal geringer geworden. Wir haben dokumentiert, wie das nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) den Deindustrialisierungsprozess, das Auseinanderfallen der Wertschoepfungsketten und die Denationalisierung unserer Oekonomie verschaerft hat. Die Wirklichkeit widerspricht den Versprechungen: Es gibt weniger und zugleich mehr prekaer beschaeftigte ArbeitnehmerInnen. Die Verschlechterung der Lebensverhaeltnisse, wie sie die neoliberale Logik produziert hat, betrifft nicht nur die sogenannte Dritte Welt, sondern breitet sich in Gestalt von Erwerbslosigkeit und Sozialabbau zunehmend auch in den entwickelten Laendern aus. Die Instabilitaet der Waehrungs- und Finanzmaerkte, zunaechst in Mexiko, spaeter in Russland und Asien, heute in Brasilien, demonstriert die dringende Notwendigkeit, Kapitalstroeme zu regulieren - insbesondere von heissem und spekulativem Kapital.

Das Abkommen zwischen Mexiko und der Europaeischen Union soll auf einer anderen Logik beruhen, sonst sind Kooperation und die Demokratieklausel nur Kosmetik und stehen Rechte nur auf dem Papier. Die neoliberale Logik und ihre Auswirkungen in Form von Erwerbslosigkeit, Armut und Marginalisierung ist nicht kompatibel mit den Menschenrechten der dritten Generation und wird in der Aushoehlung der Demokratie enden.

Folgt man der vorherrschenden offiziellen Auffassung, ist es der Weltmarkt selbst, der jedem Land die besten Entwicklungsmoeglichkeiten zuweist und sie entwickelt. Gemaess diesem Postulat ist es ueberfluessig, sich Gedanken darueber zu machen, welchen Charakter unser Land annehmen soll und kann - es muessen einfach saemtliche Hindernisse fuer den Weltmarkt beseitigt werden. Nichtsdestotrotz straft derselbe Markt diese Auffassung staendig Luegen. Fuer uns ist diese Ausrichtung nicht akzeptabel, weil sie uns implizit abstreitet, aktive Subjekte der Gestaltung unserer Zukunft zu sein und es dem Markt ueberlaesst, fuer uns zu entscheiden.

Der Unterschied zwischen der herrschenden Auffassung und unserer alternativen Vision, die wir in unterschiedlichen zivilgesellschaftlichen Gruppen ausgearbeitet haben, erschoepft sich nicht darin, die Oeffnung der Handelsbeziehungen zu akzeptieren oder zu verurteilen. Die entscheidenden Unterschiede liegen vielmehr in folgenden drei Punkten:

Weil wir dem Markt nicht die Definition unseres nationalen Projekts ueberlassen koennen, integrieren wir uns in den Weltmarkt ausgehend von dem nationalen Entwicklungsprojekt.

Das nationale und supranationale Kapital, insbesondere das spekulative, muss reguliert werden. Gemaess dem juengsten Trend geniesst das Kapital absolute Freiheit, sich weltweit im Takt seiner Interessen zu bewegen. Transnationale Unternehmen sind in einer Groessenordnung gewachsen, dass sie sich ausserhalb der effektiven Kontrolle der Regierungen befinden. Wir benoetigen neue Instrumente, um erneut oeffentliche Kontrolle ueber diese Unternehmen zu erlangen.

Handel und Investitionen stellen keinen Selbstzweck dar, sondern sind Mittel, mit denen nachhaltige Entwicklung und sozialer Wohlstand erreicht werden soll. Die Geschichte hat gezeigt, dass der freie Markt keine Entwicklung garantiert und noch viel weniger soziale Gerechtigkeit schafft. Deshalb schlagen wir eine national und supranational regulierte Weltwirtschaft vor, die Frieden, Demokratie, nachhaltige Entwicklung und oekonomische Stabilitaet gewaehrleistet.

Auf dieser Grundlage sollen die folgenden Prinzipien die Verhandlungen leiten:

  1. Die Strategie unserer Laender in den internationalen Handelsverhandlungen soll von den - zuvor von der Bevoelkerung gebilligten - nationalen Entwicklungsprojekten ausgehen. Die nationale Souveraenitaet verbietet nicht den Abschluss solcher Abkommen - vorausgesetzt, dass diese Abkommen verbesserte Chancen fuer eine gerechte und nachhaltige Entwicklung aller beteiligten Laender und Sektoren bietet. Es geht nicht an, dass die oekonomische Souveraenitaet der beteiligten Laender durch unternehmerische Interessen eingeschraenkt werden kann. Von daher darf kein Abkommen oder Vertrag die Moeglichkeiten eines Staates unterhoehlen, an eigenen Entwicklungswegen festzuhalten. Die nationale Souveraenitaet muss heute gegenueber den großen transnationalen Konzernen mittels internationaler Regulierung und Verhaltenskodices fuer dies Kapitalien gestaerkt werden.
  2. Damit ein gerechtes Gesamtabkommen zustande kommt, muessen nicht nur die existierenden Ungleichheiten zwischen Mexiko und den Staaten der EU anerkannt werden, sondern auch zwischen den Regionen innerhalb der beteiligten Laender. Ungleichheiten duerfen nicht gleich behandelt werden. Dieses Prinzip darf sich nicht auf die Festlegung von unterschiedlichen Zeitplaenen fuer die Senkung der Zolltarife beschraenken. Vielmehr muessen andere Kriterien - als in Vertraegen der juengsten Vergangenheit - zum Umgang mit der nationalen Situation aufgenommen werden. Jedwedes Wirtschaftsabkommen soll nationale und internationale kompensatorische Fonds fuer diejenigen Regionen und Bevoelkerungsgruppen vorsehen, die von den Vertraegen und/oder Abkommen negativ betroffen sind. Diese Fonds muessen neue Bedingungen zu schaffen vermoegen, die den Betroffenen eine wuerdige und gerechte Lebensweise garantieren - etwa wie es in der Europaeischen Union mittels der Fonds zur wirtschaftlichen Restrukturierung, die von den reicheren zu den aermeren Staaten transferiert werden, geschehen ist. Dies alles schliesst die Loesung des gravierenden Problems der Aussenverschuldung der weniger entwickelten Laender und insbesondere Mexikos gegenueber den europaeischen Banken und Staaten ein.
  3. Die beteiligten Staaten sollen das Recht besitzen, bestimmte Sektoren aus den Verhandlungen herauszunehmen und die souveraene Versorgung der Bevoelkerung mit Lebensmitteln zu gewaehrleisten (soberania alimentaria). Da die Oeffnung der Handelsbeziehungen mit dem NAFTA-Vertrag eine Krise ungekannten Ausmasses in der mexikanischen Landwirtschaft nach sich gezogen hat, ist dies von besonderer Wichtigkeit fuer Mexiko. Es soll sich deshalb das Recht sichern, solch sensible Sektoren wie die Landwirtschaft aus den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen herauszunehmen, um die Lebensmittelversorgung zu gewaehrleisten und landwirtschaftliche Produkte und Gemeinschaften zu schuetzen. Die Nichtbeachtung der unveraeusserlichen Rechteder baeuerlichen Bevoelkerung Mexikos im NAFTA-Vertrag hat den agrarischen Sektor in die schwerste oekonomische, soziale und oekologische Krise der Geschichte Mexikos gestuerzt. Konkret muessen solch sensible Produkte wie Mais, Weizen, Milch und deren Derivate von der Handelsliberalisierung mit der EU ausgenommen werden.
  4. Es muessen verpflichtende Grundbedingungen fuer die auslaendischen Investoren ausgehandelt werden, die deren Investitionen an nationalen Prioritaeten orientieren und die produktive Investitionen gegenueber kurzfristigen spekulativen bevorzugen.
  5. Die Handelsbeziehungen zwischen unseren Laendern sollen Teil einer Entwicklungsstrategie sein, die eine gerechtere Verteilung des Reichtums und die Anhebung des Lebensstandards unserer Voelker garantiert; die eintritt fuer eine Produktionsweise im Einklang mit der Natur und die ermoeglicht, eine intakte Welt an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Es darf nicht sein, dass unser Land feilgeboten wird aufgrund seiner niedrigen Loehne, der systematischen Diskrimination von Frauen und anderen Gruppen, des Fehlens sozialer Sicherungssysteme oder der nachsichtigen Gesetzgebung.
  6. Die Abkommen zum Freihandel oder zur Integration muessen - wie im Feld der nationalen Wirtschaftspolitik - soziale Ziele mit konkreten Fristen, Indikatoren zur Evaluation ihrer sozialen Wirkungsweise und korrigierende Massnahmen festlegen. Die Garantie der Menschenrechte und die allgemeine Wohlfahrt sollen die Ziele sein, die den Inhalt des gesamten Abkommens bestimmen; Parallelabkommen oder eine an den Vertrag angehaengte oder isolierte Demokratieklausel, wie augenblicklich vorgesehen, sind unzureichend. Ohne entsprechende Vorkehrungen wird die Demokratieklausel lediglich ein Wunschtraum bleiben. In diesem Sinne fordern wir ein Sozialkapitel und eine Charta mit Arbeitnehmerrechten, wie sie fuer die Europaeische Union existiert. Dementsprechend sollen Arbeitsstandards und Mechanismen festgelegt werden, die ein wuerdevolles Leben der ArbeitnehmerInnen ermoeglichen. Ebenso muss ein Zeitplan aufgenommen werden, der die Angleichung der Sozialstandards nach oben festschreibt. Darueberhinaus soll explizit gesagt werden, warum die freie Wahl des Ortes nicht in das Gesamtabkommen mitaufgenommen wurde. Im EU-Binnenmarkt stellt die freie Wahl des Ortes, neben der Kapital- und Dienstleistungsfreiheit, ein zentrales Moment der Integration dar.
  7. Die Abkommen zum Freihandel sollen den Qualitaetsaspekt von Entwicklung betonen. Dies impliziert die Schaffung von oekologischen und sozialen Grenzen fuer oekonomisches Wachstum. Nachhaltigkeit und die Wohlfahrt der Bevoelkerung sollen die Oberhand gewinnen ueber kurzfristiges Wachstumsstreben.
  8. Jedweder Vertrag muss explizit den Vorrang unterzeichneter Umweltschutzabkommen anerkennen, sie uebernehmen und Mechanismen zu ihrer Erfuellung schaffen. Regelungen sind notwendig, die die oekonomische Aneignung der oekologischen Vielfalt der Region durch transnationale Unternehmen verhindern.
  9. Es muessen Mechanismen etabliert werden, die das Erzielen komparativer Wettbewerbsvorteile mittels schwacher oder nicht vorhandener Umwelt-, Arbeits- und Sozialgesetzgebung ausschließen.

Wir sind in der Lage, alle diese Prinzipien weiter zu umsetzbaren Vorschlaegen zu konkretisieren - dazu fordern wir eine Pause in den Verhandlungen, im Zustimmungsprozess, in der Implementation sowie zur Begutachtung und Kontrolle der bisherigen Ergebnisse. Zusammengefasst verlangen wir einen vom NAFTA-Abkommen deutlich unterschiedenen Vertrag; wir fordern ein Abkommen, das ausgeglichen und transparent im Charakter ist, und der demokratischen Kontrolle der BuergerInnen aller beteiligten Laender unterliegt.

Dokumente:

Die Koordinierungsgruppe der "Ciudadan@s de México ante la Unión Europea"
Asociación Nacional de Industriales de la Transformación (ANIT), Asociación Nacional de Empresas Comercializadoras del Campo (ANEC), Centro de Derechos Humanos Miguel Agustín Pro (PRODH), Centro de Información Laboral y Acción Sindical (CILAS), Comisión Mexicana para la Defensa y Promoción de los Derechos Humanos en México (CMDPDH), DECA Equipo Pueblo, Foro de Apoyo Mutuo (FAM), Grupo de Educación con Mujeres (GEM), Frente Auténtico del Trabajo (FAT), Liga Mexicana para la Defensa de los Derechos Humanos (LIMEDDH), Red Mexicana de Acción frente al Libre Comercio (RMALC), Movimiento Ciudadano por la Democracia (MCD), Red Mexicana de Cabildeo.

Den Forderungen zustimmende Organisationen, 5. Maerz 1999
Asociación Nacional de Empresas Comercializadoras del Campo (ANEC)
Centro de Estudios para el Cambio en el Campo Mexicano (CECCAM)
Convergencia de Organismos Civiles por la Democracia (con más de 100 organizaciones)
Comisión Mexicana de Defensa y Promoción de los Derechos Humanos (CMDPDH)
Seminario Permanente de Estudios Chicanos y de Fronteras
CIEPAC, A.C.
Red Fronteriza de Salud y Ambiente, A.C.
SIPRO
Red de Acción sobre Plaguicidas y Alternativas en México (RAPAM)
CIOAC
Foro de Apoyo Mutuo (FAM)
Movimiento Ciudadano por la Democracia  (MCD)
Centro de Investigación Laboral y Asesoría Sindical (CILAS)
STIMAHCS
Trabajadores de Imprenta Morales
SNTIHA
ZINC y sus derivados
Limedh-Fidh
Observatorio Social
Frente Auténtico del Trabajo
Fronteras Comunes
Desarrollo Ambiente y Sociedad (DAS)
Frente Democrático Campesino de Chihuahua (FDCCHIH)
Frenos Hidráulicos
Sindicato de Trabajadores al Servicio de la ANUIES
Centro de Información y Análisis de Chiapas, .A.C. (CIACH)
Centro de Derechos Humanos Miguel Agustín Pro
Centro de Estudios y Taller Laboral
Sindicato Belisario Domínguez
ACAT- México
Lácteos Atotonilco
Santo Tomás
Equipo de Mujeres FAT
GEM, A.C.
Casa de la Mujer-Grupo Factor X
Coalición Pro Justicia en las Maquiladoras
Caminos, A.C.
Comité Fronterizo de Obreros

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