MAIGALOMANIA

Was steht im MAI?

Kurz gesagt verlangt das MAI von den Ländern, daß diese ihre Wirtschaft einem jeden interessierten Investor weit öffnen, und TNCs beklagen sich über unvorteilhafte Verträge der Gastländer, die durch nicht verantwortliche internationale Gerichte beurteilt würden. Die Hauptelemente des Abkommens sind folgende:

Das explosive Wachstum ausländischer Investitionen

Einige Hintergrundinformationen

Weltweite ausländische Investitionen hatten sowohl 1994 und 1995 einen Höhepunkt erreicht, und das 10-prozentige weltweite Wachstum im Jahre 1996 war ebenfalls bemerkenswert. Durchgehend übersteigen die Wachstumsraten von ausländischen Investitionen die weltweiten Wachstumsraten des Bruttosozialprodukts (GNP) (6,6 % pro Jahr) ebenso wie die Zunahme des internationalem Handelsaufkommen (4,5 % pro Jahr). Aber gerade die atemberaubende Gesamtsumme von 349 Milliarden US $ für ausländische Direktinvestitionen im Jahre 1996 erreicht nicht den Atem und die Stärke der wirtschaftlichen Globalisierung. Im selben Jahr investierten TNCs den unglaublichen Betrag von 1.400 Milliarden US $ in Länder, in denen sie bereits vertreten sind. Diese Entwicklung - die zunehmende Präsenz von TNCs in lokalen Ökonomien als eine Strategie, sich die Marktkontrolle zu sichern - wurde mit "Glocalisation" bezeichnet. [7]

Transnationale Konzerne übernehmen

Es gibt insgesamt ca. 44 000 TNCs in der Welt mit 280 000 Tochterunternehmen und einem jährlichen Umsatz von 7,000 Milliarden US $. Zwei Drittel des Welthandels wird vom Produktionsnetzwerk der TNCs bestritten. Der Anteil der von TNCs kontrollierten Weltbruttosozialprodukts ist von 17 % in der Mitte der 60-er Jahre 1984 auf 24 % und 1995 bereits auf 33 % angewachsen. [8]

In einem parallelen und verwandten Prozeß vergrößern die TNCs beständig ihre Weltmarktanteile. Dem UNCTAD World Investment-Bericht von 1997 zufolge erwirtschaften die zehn größten TNCs einen jährlichen Gewinn von über 1.000 Milliarden US $. 51 der weltgrößten Wirtschaftssysteme sind in der Tat TNCs. Fortschreitende Fusionen und Übernahmen haben eine Situation gebildet, in der nahezu jeder Bereich der Weltwirtschaft durch eine Handvoll von TNCs kontrolliert wird, in jüngster Zeit geschah dies im Diensleistungs- und pharmazeutischen Bereich. Im Januar 1998 fand zum Beispiel die größte Fusion der Geschichte mit dem 70 Millionen US $-Deal statt, in der sich Glaxo Wellcome und SmithKline Beecham zum weltweit größten Pharmakonzern zusammenschlossen.

Die Ausgangslage

Die Europäische Union, die USA und Japan sind verantwortlich für 85 % aller ausländischen Direktinvestitionen (FDI - 1996 figure). Außer Daewoo, der in Korea beheimatet ist, liegen die 100 größten TNCs in dieser kapitalkräftigen Dreiheit. Zur Zeit hat diese Triade auch den Hauptanteil von FDI (ausländische Direktinvestitionen) erreicht - 1996 waren es nahezu ¾ . Aber der neue Trend ist klar: Die TNCs dieser Länder planen ihre Investitionen im Ausland und speziell in der Dritten Welt aufzustocken. Mehr als die Hälfte aller TNCs erwarten, daß der Anteil ihrer im Ausland erworbenen Gewinne bis zum Jahr 2000 60 % erreichen wird. 1997 waren nur 28 % der TNCs dermaßen global orientiert. Die TNCs haben ihre bevorzugten Zielpunkte für Investitionen bereits verdeutlicht: 1996 genoß China innerhalb der Entwicklungsländer 1/3 aller FDI und die übrigen asiatischen Länder erhielten ungefähr dasselbe. In Lateinamerika führte 1996 Brasilien mit 9,5 Milliarden US $, gefolgt von Mexiko und Argentinien. Ausgenommen Südafrika erhielt Afrika in jenem Jahr nur 5,3 Milliarden US $, wobei die Ölförderländer davon 70 % erhielten.

Wettbewerbs-Deregulierung

Die Flut von Investitionen in der Dritten Welt kann folgenden Schlüsselfaktoren zugeschrieben werden:

Diese Wettbewerbs-Deregulierung und die Zunahme des Wohlergehens der Unternehmen ist ebenfalls im Norden erkennbar. Nach UNCTAD gingen die Unternehmenssteuern innerhalb der OECD von 43 % im Jahre 1986 auf heutige 33 % zurück, und viele EU-Länder sind in einer Abwärtsspirale gefangen.

Aufs Trockendock gehoben

Die OECD behauptet, daß die wirtschaftliche Globalisierung im allgemeinen und speziell die zunehmenden ausländische Investitionen den Lebensstandard in der ganzen Welt anheben werden. Wie auch immer, die Erfahrungen derjenigen Länder, die ihre Schranken für ausländische Investitionen abgebaut haben und Freihandelsabkommen beiwohnen sehen deutlich anders aus. Zum Beispiel sind in Mexiko, seitdem es das NAFTA unterzeichnet hat, die realen Einkommen um 45 % gefallen, wurden zwei Millionen Menschen Arbeitslos und der Prozentsatz der als "extrem arm" bezeichneten Bevölkerung ist von 31 % im Jahre 1993 auf heutige 50% angewachsen. [9] Es hat sich gezeigt, daß es Frauen und Kinder sind, die am stärksten unter den durch diese Freihandelsabkommen geschaffenen Bedingungen und den sichtbar werdenden Konsequenzen von Freihandelszonen leiden.

Der Handels- und Entwicklungsbericht der UNCTAD von 1997 kam zum Ergebnis, daß die Globalisierung in ihrer jetzigen Gestalt verantwortlich ist für eine dramatische Zunahme der globalen Ungleichheit. 1965 betrug das Durchschnittseinkommen in den G-7 Ländern das 20-fache von dem in den sieben ärmsten Ländern der Welt. Bis 1995 ist der Abstand auf das 39-fache angewachsen. Polarisierung und Einkommensungleichgewicht wächst auch innerhalb der Länder: Seit Anfang der 80er Jahre hat der Anteil des Einkommens der reichsten 20 % der Bevölkerung nahezu überall zugenommen. UNCTAD wirft der Liberalisierung des Marktes die Verantwortung für diese Entwicklungen vor und hält die derzeitige Situation für unvermeidbar, solange die Regulierung der Wirtschaft nicht wieder auf die Tagesordnung gesetzt wird.

Die Kunstfertigkeit, Arbeitsplätze zu vernichten

Obwohl sich TNCs selbst als Schöpfer von Wohlstand und Beschäftigung darstellen, enthüllen die Fakten etwas anderes. In der Tat ist es ein Hauptmerkmal eines wettbewerbsfähigen und erfolgreichen TNC, sich Arbeitsplätzen zu entledigen. Zwischen 1993 und 1995 nahm der weltweite Umsatz der 100 größten TNCs um 25 % zu während gleichzeitig dieselben Unternehmen 4 % ihrer weltweiten 5,8 Millionen Arbeitskräfte abbauten - über 225 000 Menschen. [10] TNCs neigen zu Fusionen, zu Betriebsverlagerungen, zur Automatisierung und Zentralisierung von Produktion und Absatz, was die Rezepte dazu sind, Arbeitsplätze zu entbehren. Ein Teil der erforderlichen Arbeitskräfte könnte durch Unterkontrahenten beschäftigt werden, eine "sorgenfreie" Quelle von Arbeit, von der TNCs im zunehmenden Maße Gebrauch machen. Unterkontrahenten werden oft geschickt gegeneinander ausgespielt, was die Kosten senkt und außerdem die Löhne drückt und die Arbeitsbedingungen verschlechtert. Eine andere ungünstige Auswirkung von FDI ist, daß diese sehr oft zum Abbau und zur Umstrukturierung lokaler Unternehmen führt, so daß diese mit weniger Beschäftigten mehr produzieren können. Ungefähr 2/3 aller FDI im Zeitraum von 1982-92 bestand aus Fusionen und Übernahmen. [11]

Es ist die traurige Wahrheit der TNCs, daß das zunehmende Wirtschaftswachstum, Investitionen, Monopolisierung und Konzentrationen worin diese ihr Vertrauen setzen - ebenso der daraus resultierende Verlust von Arbeitsplätzen und das Herabsetzen der Umwelt - ein strukturlelles Charakteristikum des bestehenden neoliberalen Wirtschaftsmodells sind. Wie auch immer, die Stimmen werden lauter, die zu einem Ende dieser endlosen Verfolgungsjagd der Deregulierung rufen, und kommen immer häufiger aus unerwarteten Richtungen. Der World Investment Report 1997 von UNCTAD endet mit einer Warnung an die Weltmächte, daß die Aktivitäten der TNCs und ihre Marktkräfte tatsächlich das Wohlergehen der Weltwirtschaft unterminieren können.

Das Legen des Fundaments

Obschon die Vorbereitungen zum MAI seit nahezu einem Jahrzehnt am laufen sind, begannen die offiziellen Verhandlungen erst 1995 und der erste Vertragsentwurf war bis Januar 1997 noch nicht fertig. Während die Verhandlungen, bei denen Verhandlungsführer aus den neoliberalsten Zweigen aus nationalen Regierungen und Unternehmens-Lobby-Gruppen involviert waren, in diesem Zeitraum in einem relativ harmonischen Prozeß verliefen, war das letzte Jahr voller unerwarteter Fallgruben. Die verbundenen Auswirkungen der Konflikte zwischen OECD-Ländern und der zunehmenden Opposition von Umweltbewegungen und Gewerkschaften haben die Verhandlungen in einen schnellen Wettlauf auf den Abschluß geführt.

Die ersten Tage

Gespräche über so etwas ähnliches wie dem MAI wurden innerhalb der OECD schon 1988 begonnen, als dessen Investitionskomitee begann, bestehende unverbindliche OECD-Abkommen - speziell die Regeln, die den nationalen Handel für ausländische Investoren betreffen - in verbindliche Bestimmungen umzuformen. Die Verhandlungen währten zwei Jahre, aber dann gerieten sie ins Stocken. Der formale Grund für die Unterbrechung war die Ablehnung der USA, Kanada eine Ausnahme für den nationalen Handel und die Kultur zu gestatten; das dahinterliegende Motiv war der Wunsch mancher Verhandlungsteilnehmer - speziell der USA - mit Verhandlungen über ein umfassenderes Abkommen für Liberalisierung von Investitionsflüssen zu beginnen. [12]

Durchführbarkeit?

Im nächsten Jahr (1991) bestellte die OECD-Ministerkonferenz eine Studie über die Durchführbarkeit eines multilateralen Rahmenwerks für Investitionen. Die Arbeit wurde ursprünglich durch zwei Arbeitsgruppen der OECD ausgeführt: dem zuvor erwähnten Komitee für internationale Investitionen und multinationalen Vorhaben (CIME) und dem Komitee für Kapital und nicht sichtbarer Transaktionen (CMIT). [13] Diese Arbeit wurde 1994 angeregt, als fünf Arbeitsgruppen, "zusammengesetzt aus unabhängigen Regierungsexperten, eingesetzt wurden, um die Hauptelemente des MAI vorzubereiten". [14] Während dieser Vorbereitungsphase wurden die Interessen des Geschäftslebens systematisch zu Rate gezogen. Zusammenarbeit gab es nicht nur mit dem OECD-internen Beratungsausschuß für Gewerbe und Industrie (BIAC), der zahlreiche Unternehmerverbände vereint und einen formalen Beratungsstatus in der OECD innehat, sondern auch mit einzelnen Unternehmenslobby-Gruppen wie der Internationalen Handelskammer (ICC: siehe Teil 4).

Vorgekochtes MAI

Auf ihrer Konferenz im Mai 1995 entschieden die Minister der OECD-Länder mit dem Ziel, ein Abkommen im Mai 1997 abzuschließen, die Verhandlungen über ein MAI aufzunehmen. Die OECD-Länder machten kein Geheimnis aus ihrer Absicht, einen Vertrag mit den "höchsten Standards" an Schutz und Rechten für ausländische Investoren auszuhandeln, zu dem Nicht-OECD-Länder hauptsächlich in der Dritten Welt nur anschließend eingeladen werden, ihn zu unterzeichnen. Der Prozeß des Anwerbens von Nicht-EU-Mitgliedern begann bald danach in einer ersten Serie laufender Verhandlungen mit interessierten Ländern. [15] NGO-Beobachter, die die Verhandlungen zwischen der EU und den ACP-Ländern (afrikanische, karibische und pazifische) über eine revidierte Lomé-Konvention [16] beobachteten, berichten, daß die EU diese ehemaligen europäischen Kolonien unter Druck setzt, das MAI als einen Teil einer neuen Konvention zu akzeptieren. [17] Von Anfang an beabsichtigte man mit dem MAI auch die Grundlage für einen globalen Investitionsvertrag innerhalb der WTO vorzubereiten (siehe Teil 3). [18]

Die Hauptbestandteile des MAI so wie wir sie kennen - einschließlich seiner allumfassenden Definition von Investition und den Prinzipien der nationalen Behandlung, roll-back, standstill etc. - lagen bereits dank der vierjährigen Durchführbarkeitsstudie vom Beginn der Verhandlungen an fest. Offizielle Verhandlungen wurden im September 1995 in einer Verhandlungsgruppe mit Vertretern aus allen OECD-Staaten und außerdem von der europäischen Kommission unter dem Vorsitz des Niederländers F.A. Engering angestoßen. Die WTO war als Beobachter eingeladen. Seit dieser Zeit trifft sich die Verhandlungsgruppe alle vier bis sechs Wochen, und Arbeits- oder Redaktionsgruppen kommen noch häufiger zusammen. Zwischen den Treffen tauschen die Delegierten Texte und Positionen über E-mails aus. [19]

Informelle Treffen

Die Geschäftswelt hat direkten Einfluß während des gesamten Verhandlungsprozesses. Unabhängig von den formalen Beratungen, die durch die Verhandlungsgruppen mit dem Beratungsausschüssen von Gewerbe und Industrie und der Gewerkschaften geführt werden (BIAC und TUAC, s.u.), "trifft sich im Vorfeld jeder Verhandlungsrunde eine Ad-Hoc-Gruppe von BIAC-Experten ... und berät sich mit den OECD-Verhandlungsführern". [20] Die Verhandlungsführer machen umfassenden Gebrauch von der "Expertise" der Internationalen Handelskammer (ICC), z.B. bei der Gestaltung des Streitschlichtungsverfahrens. Tatsächlich ist der ICC-eigene Gerichtshof eine der drei möglichen Körperschaften, die zur beabsichtigten Streitschlichtung herangezogen werden können. [21]

Und von nicht geringerer Wichtigkeit als diese direkten Einflußnahmen in den OECD-Prozeß ist das Durchsetzen von Interessen der Industrie auf nationaler Ebene. Der US Council for International Business hat zum Beispiel "regelmäßige Treffen mit US-Verhandlungsführern unmittelbar vor und nach jeder MAI-Verhandlungsrunde". [22] Ähnlich enge Zusammenarbeit zwischen Industrievertretern und nationalen Verhandlungsführern hat in vielen anderen OECD-Ländern stattgefunden, einschließlich in Kanada und den Niederlanden. Der Druck der niederländischen Verhandlungsführer auf die USA, ihre Vorbehalte gegenüber Forschungs- und Entwicklungssubventionen (R&D) zurückzuziehen war ein direktes Ergebnis einer Einflußnahme des in den Niederlanden beheimateten TNC Philipps. Philips wollte dabei seinen Zugang zu R&D-Subventionen in den USA sicherstellen. [23]

Unternehmenslobbygruppen wie der ICC und der European Round Table of Intustrialists (ERT: siehe Teil 4) haben ihren politischen Zugang auf höchstem politischen Niveau genutzt - einschließlich der Gipfelkonferenzen von globaler Bedeutung wie das G-7-Treffen - um der Notwendigkeit eines raschen Abschlusses des MAI Nachdruck zu verleihen und die Agenda von Forderungen für Arbeits- und Umweltschutz freizuhalten.

Ausgeteilte Agenda

Grundlage für die gemütlichen Beratungen zwischen Regierungen und Unternehmerlobbygruppen während des Abfassungsprozesses des MAI ist, daß die Unternehmensgenda durch einige der einflußreichsten Verhandlungsdelegationen herzlichst begrüßt wird. Der Bericht der ICC "Multilateral Rules for Investment" von April 1996 läßt keinen Zweifel an einem weitestgehenden Konsens zwischen den MAI-Verhandlern und der Industrie [24] Die in diesem Bericht vorgeschlagenen Regeln sind im wesentlichen identisch mit dem ersten MAI-Entwurf, der 9 Monate später abgeschlossen wurde.

Im Allgemeinen repräsentieren Abgeordnete der Wirtschafts- oder Handelsministerien ihre Länder bei den MAI-Verhandlungen in der OECD. In den Niederlanden wurden die traditionell engen Beziehungen zwischen Industrie und Wirtschafts- und Handelsministerien in ihrem vollen Potential ausgeschöpft. Die niederländischen Verhandlungsführer ergriffen in beiderseitigem Einvernehmen mit der Industrie Partei dafür, daß "so viele Hindernisse für ausländische Investition wie möglich beseitigt werden müssen". [25] Der niederländische Staatssekretär für wirtschaftliche Angelegenheiten berichtete im November 1995 dem Niederländischen Parlament, daß sich die nationale Behandlung auch auf "Kernpunkte wie die öffentliche Unterstützung und die Gewährung jeder Art von Subventionen und Sicherheiten" [26] beziehen soll. In vielen Ländern blieb das MAI bis zu einem sehr späten Stadium bei anderen Ministerien - z.B. bei denen für Umwelt, soziale Angelegenheiten und Kultur - weitestgehend unbeachtet.

Aufgewühlte Wasser

Der erste Entwurf des MAI erblickte Anfang 1997 das Licht der Welt. Bis zu dieser Zeit segelte das Abkommen in ziemlich ruhigen Gewässern, ohne daß die allgemeine Öffentlichkeit und gerade die meisten gewählten Volksvertreter seine Existenz überhaupt bemerkten. Aber sowohl der komplizierte Prozeß der Vorbehalte als auch die Entdeckung des MAI durch die Gemeinschaft der Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) haben zu einer Verlangsamung der MAI-Verhandlungen geführt und haben wohl den abgesteckten Zeitplan des geplanten Abkommens grundlegend durchschlagen.

Lähmende Vorbehalte

Im Februar 1997 unterbreiteten die Regierungen ihre "Vorbehalte" zum MAI und zusätzlich zum schieren Umfang der nationalen Ausnahmen suchten Regierungen einige endlose Kernbereiche vom Abkommen zu befreien. In einigen Ländern waren wahrscheinlich Regierungsmitglieder an den MAI-Beratungen beteiligt, die zuvor uninformiert über das MAI waren, und die nun kalte Füße bekamen angesichts der weitreichenden Forderungen des Abkommens. Einige der wichtigsten Kernausnahmen, die von Mitgliedstaaten vorgeschlagen wurden sind folgende:

Die ernsthaften Auswirkungen dieser weitreichenden Vorbehalte auf den Vertrag wie die für Kultur und das entmutigende Ausmaß spezieller Ausnahmen haben die ursprünglich problemlosen MAI-Verhandlungen ins schwanken gebracht. Eine Entscheidung, den Abschluß für die Verhandlungen auf Mai 1998 zu verschieben wurde im Mai 1997 bei der OECD-Ministerkonferenz gefällt, wobei die Minister argumentierten, daß ein MAI von "hohem Standard" mehr zeit benötige.

Öffentliche Explosion

Der zweite und gleichzeitige Sand im Getriebe des MAI war die explosive Reaktion der internationalen Gemeinschaft der NGOs nachdem der Vertragsentwurf des MAI Anfang 1997 durchgesickert war. Kanadische und US-Amerikanische NGOs setzten sofort den Vertragstext auf ihre Web-Seiten, und die Teilnahme an der Kampagne breitete sich wie ein Lauffeuer in andere Teile der Welt aus. Die Strategien der NGOs schlossen öffentliche Aufklärung und Einflußnahme auf Regierungsbeamte und Parlamentarier (von denen viele erst vom MAI von den NGOs gehöhrt hatten), und im Oktober die Organisierung eines weltweiten strategischen NGO-Treffens zum MAI und gleichzeitige informelle Beratungen mit der OECD mit ein. Die Beratungs- und Strategietagung brachte Vertreter von Entwicklungs- Umwelt- und Verbrauchergruppen aus über 70 Ländern zusammen und Endete mit einem Aufruf, das Abkommen generell zu überprüfen. [28]

NGOs und Gewerkschaften haben erfolgreich zwei neue Forderungen in die MAI-Verhandlungen eingebracht - die Einbindung von Arbeits- und Umweltstandards in das Abkommen. Für die Industrie sind diese Forderungen - verbunden mit dem schwerfälligen Prozeß der Vorbehalte - unannehmbar. In jüngster Zeit startete der OECD-interne Beratungsausschuß für Gewerbe und Industrie (BIAC: siehe folgenden Kasten) eine neue Offensive, als er bemerkte, daß sein Traum vom MAI nahe am Entgleisen war. Auf den offiziellen Beratungen zwischen BIAC und der OECD MAI-Verhandlungsgruppe im Januar dieses Jahres äußerten die Industriellen ihre Besorgnis über die Richtung, die die Diskussionen eingeschlagen hatten. Hermann van Karnebeek, Vorsitzender des BIAC-Komitees für multinationale Unternehmen (gleichzeitig Vorsitzender des Chemiegiganten AKZO Nobel und der niederländischen Abteilung der Internationalen Handelskammer), klagte, daß "wir nun von störenden Anzeichen hören, daß viele der von uns erhofften Elemente nicht möglich wären. Was ist, wenn wir uns zu fragen beginnen, was im MAI für uns bleibt?". [29]

Manche BIAC-Mitglieder waren vor allem über die Erarbeitung von Besteuerung und die Einführung von Umwelt- und Arbeitsstandards verärgert und gingen so weit zu drohen, daß die Wirtschaft ihre Unterstützung für ein minderwertiges MAI zurückziehen könnte, welches die Ratifizierung in vielen Ländern erschweren würde. OECD-Verhandlungsführer beruhigten die Furcht der BIAC-Mitglieder indem sie erklärten, daß die Liberalisierung immer noch an erster Stelle ihrer Tagesordnung stünde aber daß Kompromisse nötig seien um das MAI im April 1998 abzuschließen. "Erinnern wir uns, das ist nur der erste Schritt - wie das GATT im Jahre 1947" wurde BIAC von einem OECD-Beamten getröstet. "Wir betreten einen Prozeß von historischer Dimension." [30]

BIAC

Der Beratungsausschuß für Gewerbe und Industrie (BIAC - Business and Industry Advisory Committee) ist die offizielle Stimme der Geschäftswelt bei den MAI-Verhandlungen der OECD. BIAC, wie die OECD selbst 1962 in Paris gegründet und eingerichtet, berät sich regelmäßig sowohl formell als auch informell mit der OECD. Er besteht aus Arbeitgeberorganisationen der OECD-Mitgliedstaaten als auch aus industriellen Lobbygruppen wie UNICE , dem Business Council on National Issues (BCNI, Kanada), dem US Council for International Business (USCIB), dem World Business Council for Sustainable Developement (WBCSD) und anderen. Manche einzelne Konzerne - einschließlich Schell, General Electric, BASF und Kobe Steel - sind ebenso im BIAC vertreten. BIAC ist in 14 Komitees organisiert, deren Arbeit sich auf Bereiche wie Handel, Bildung und Chemikalien bis zu internationaler Investition bezieht.

BIAC war von Beginn des Verhandlungsprozesses an ein enthusiastischer Befürworter des MAI gewesen und war aktiv bei der Arbeit der Vorverhandlungen zwischen 1991 und 1995 beteiligt. Es hatte eine Anzahl formaler Beratungen zwischen BIAC und der Verhandlungsgruppe gegeben, aber wohl bezeichnender war die Arbeit hinter den Kulissen. Zum Beispiel traf sich eine ad hoc Gruppe von BIAC-Vertretern mit den OECD-Verhandlungsführern im Vorfeld jeder Verhandlungsrunde. [31]

 

TUAC

Wie sein unternehmerischer Gegenpart hat der gewerkschaftliche Beratungsausschuß (TUAC - Trade Union Advisory Committee) eine beratende Funktion innerhalb der OECD und besitzt ein kleines Büro in Paris. Im TUAC sind über 55 Gewerkschaftsorganisationen der industrialisierten Welt vertreten, die über eine Gesamtmitgliedschaft von 70 Millionen Arbeitern verfügen.

TUAC sieht seine Rolle im "Sicherstellen, daß Weltmärkte ausbalanciert sind durch eine effektive soziale Dimension". [32] Dementsprechend hat TUAC die Notwendigkeit bindender Sozial- und Umweltstandards im MAI betont seit den Beratungen während der Durchführbarkeitsstudien Anfang der 90er Jahre. [33] Obwohl OECD-Verhandlungsführer diese Forderungen ernst genommen haben stellte Roy Jones vom TUAC Sekretariat heraus, daß die jüngsten Schwierigkeiten bei den Verhandlungen gezeigt hätten, daß TUAC im Recht sei. "Arbeit und Umwelt können den Vertrag weit aufblähen". [34]

weiter: Das MAI und die Europäische Union


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