Drei Tote bei Anschlag in Venezuela

Von Dario Azzellini

Bei einem Anschlag auf Chavez-Gegner auf der Plaza Altamira in Caracas sind drei Menschen ums Leben gekommen und weitere 29 wurden verletzt. Mindestens vier Unbekannte hatten am Freitag Abend mit automatischen Waffen das Feuer auf die Menschenmenge eröffnet, die die seit zwei Monaten auf dem Platz, für den Rücktritt der Chavez-Regierung, protestierenden ehemaligen putschistischen Militärs, unterstützt. Sieben Männer, davon ein vermeintlich geständiger Täter wurden anschließend verhaftet.

Die Opposition machte unmittelbar die Regierung dafür verantwortlich. Die Regierung Chavez verurteilte den Anschlag vehement und rief zu Ruhe und Besonnenheit auf, während die Opposition eine weitere "Radikalisierung des aktiven Streiks" forderte. Kurze Zeit nach dem Attentat brannte ein Gebäude der Chavez-Partei "Bewegung V. Republik" nach einem Anschlag völlig aus.

Innen- und Justizminister Diodoso Cabello kündigte eine umfassende Untersuchung an, um die Hintermänner der Schützen zu identifizieren. Zugleich nannte er Stimmen, die die Regierung als Schuldigen ausmachten unverantwortlich. Vizepräsident José Vicente Rangel betonte die Regierung habe "ein größeres Interesse als die Opposition an der Untersuchung der Ereignisse".

Tatsächlich ist die Situation sehr verworren. So verfügt der vermeintlich geständige Täter, ein 39jähriger Portugiese, lediglich über eine Pistole und nicht über automatische Waffen. Allerdings weisen Patronenhülsen auf dem Platz darauf hin, dass auch dort geschossen worden sein muss. Viele fragen sich wie die Attentäter auf den Platz über den die abtrünnigen Militärs eine strikte Kontrolle ausüben. Nach Angaben des Abgeordenten der Regierungspartei MVR und Journalisten Juan Barreto hätten Untersuchungen ergeben der gefasste vermeintliche Attentäter Joao Gouveia sei erst am Nachmittag des 5. Dezember aus Lissabon in Venezuela angekommen und habe zudem gestanden vom Putschistengeneral Medina Gómez 35 millones de bolívares (ca. 28.000 Euro) für das Attentat bekommen zu haben.

Die Journalistin Berenice Gómez der Tageszeitung "Ultimas Noticias" berichtete gemeinsam mit anderen Journalisten mit einem Radioscanner eine Botschaft eines Offiziers aus dem Fort Tiuna (Hochburg der Putschisten) mitgeschnitten zu haben in der ein Offizier mit dem Decknamen "Gavilán 2" etwa 30 Minuten vor dem Anschlag, dass eine Gruppe Männer in zivil von einem Gebäude herunterkommend das Feuer auf die Menge eröffnen würden.

Die Situation in Venezuela extrem undurchsichtig, da längst nicht alle Regierungsinstitutionen der Ordern der Regierung folgen und selbst Teile der Geheimdienste, Polizei und des Militärs von der Opposition kontrolliert werden.

Präsident Hugo Chavez bezeichnete die Schuldzuweisungen der Opposition als Wiederholung der Ereignisse vom 11. April, als die Opposition die Regierung beschuldigte die Verantwortung für mehrere Tote durch Schusswaffeneinsatz zu tragen und dies zum Anlass für den folgenden Putschversuch nahm. Hinterher stellte sich heraus, dass die meisten Opfer Chavisten waren und das Feuer von Scharfschützen oppositioneller Gruppen eröffnet worden war.

So rief auch diesmal der Ex-Armeechef und Kopf des April-Putsches, Efraín Vazquez Velazco, unmittelbar nach dem Attentat die Streitkräfte über mehrere private TV-Sender dazu auf gegen die Regierung vorzugehen.

Der Verdacht es handele sich um eine Inszenierung der Opposition liegt daher nahe. So hatte auch bereits am 20.11.2002 der hohe Armeeangehörige Pedro Sánchez Bolívar, der am Putschversuch des 11. April beteiligt gewesen war und die ersten vier Wochen an den Protesten der Militärs gegen Präsident Hugo Chavez auf der Plaza Altamira teilgenommen hatte, auf Waffenlager auf dem Platz hingewiesen und erklärt: "Ich wurde betrogen, als mir gesagt wurde es werde nach einer demokratischen Lösung gesucht die wirkliche Absicht war, gemäß eines Geheimabkommens zwischen Carlos Ortega (Vorsitzender des oppositionellen Gewerkschaftsverbandes CTV) und Medina Gómez (Brigadegeneral), dass der Generalstreik ungeachtet seines Erfolges, Unruhe, Gewalt und Tote fordern sollte, damit die Streitkräfte die politische Kontrolle des Landes übernehmen. Daher haben sie in Kellern unter der Plaza Altamira und im Hotel Four Seasons Waffen angesammelt." Er habe selbst am 14. November von General Gómez den Befehl erhalten eine Granate in das Kommando der 3. Infantrie-Division zu werfen und einen Mordanschlag auf einen Oppositionsführer zu unternehmen, um die Chavez-Regierung zu beschuldigen. Daraufhin habe er sich zurückgezogen. Auch hätten die Militärs große Geldsummen erhalten. Seit seinem Rückzug aus dem Kreis der Protestierenden sei er von diesem mit dem Tode bedroht worden, weswegen er sie für alles was ihm und seiner Familie zustoßen würde verantwortlich mache.

Auch die Basisorganisationen der bolivarianischen Revolution verurteilten den Anschlag und äußerten sie würden genauso um diese Toten, wie um die übrigen Toten der letzten Monate trauern, darunter auch drei von der oppositionellen Polizei in Caracas am 12 November erschossene Chavez-Anhänger, die über 30 durch Banden von Großgrundbesitzern bei Landkonflikten getöteten Bauern und die Opfer der Streiks sowie auf jene, die am Rande anderer oppositioneller Mobilisierungen erschossen wurden. In der von Tausenden von Regierungsanhängern geschützten Zentrale der staatlichen Erdölgesellschaft PDVSA wurde im Gedenken eine Friedensmesse abgehalten. Diese halten sich seit Tagen dort auf, um zu verhindern, dass die Opposition die Anlage besetzt.

Nach dem offensichtlichen Scheitern des Streiks zu Beginn der vergangenen Woche rief die Opposition zum "aktiven Streik" auf und begann mit massiven Gewalt- und Sabotageaktionen. So wurden zahlreiche automatische Abfüllanlagen der Erdölraffinerien im Land außer Betrieb gesetzt. Auch etliche der Tanker der venezolanischen Flotte wurden von ihren Kapitänen in ruhigen Gewässern geankert. Wie wenig Unterstützung diese Akte jenseits der höchsten Eliten finden, macht die Tatsache deutlich, dass es auf mehreren Tankern im Anschluss zu Meutereien der Mannschaften gegen ihre Kapitäne kam, andere wiederum nahm die Armee unter ihre Kontrolle. Zugleich meldeten sich zahlreiche weitere Kapitäne und Seemänner zum freiwilligen Dienst. In vielen Raffinerien sind Tausende von Arbeitern in 16-Stunden-Schichten damit beschäftigt die Sabotage-Aktionen an automatischen Anlagen durch mechanischen Einsatz zu kompensieren um so den für die venezolanische Wirtschaft vitalen Erdölexport zu sichern.

Laut der venezolanischen Regierung zielen die Sabotageakte in der PDVSA darauf Venezuela in die Lage zu bringen seinen internationalen Erdölieferverpflichtungen nicht mehr nachkommen zu können und so eine internationale Intervention zu rechtfertigen. Venezuela ist der fünftgrößte Erdölproduzent der Erde und einer der drei wichtigsten Erdöllieferanten der USA.

Der ehemalige OPEC-Vorsitzende und aktuelle PDVSA-Direktor Alí Rodríguez bestätigte nach fünf Tagen zwar erstmals einen Rückgang der Produktion "aufgrund von Sabotage" leitender Angestellter des Unternehmens und forderte die Regierung auf "energische Maßnahmen zu ergreifen". Zugleich bedauerte er den internationalen Vertrauensverlust in PDVSA durch den Streik, garantierte jedoch weiterhin die Einhaltung aller Lieferverträge. Die US-Regierung zeigte sich besorgt aufgrund der "Eskalation der Gewalt in Venezuela", forderte ihre Bürger auf "alle nicht notwendigen Reisen in das Land zu verschieben" und betonte die Situation sehr genau zu beobachten. Zugleich bestätigte sie jedoch auch das Venezuela weiterhin allen vereinbarten Erdöllieferungen im vollen Umfang nachgekommen sei.

Die oppositionellen Medien haben derweil einen wahren Medienkrieg entfesselt. Die Regierung, Institutionen, zahlreiche Unternehmen und Privatpersonen sind laufend damit beschäftigt Falschmeldungen zu dementieren. So berichten die Oppositionsmedien, die praktisch alle großen Tageszeitungen bis auf eine und alle privaten Fernsehsender umfassen, seit Tagen Venezuela können seinen Erdöllieferverpflichtungen nicht nachkommen, die Versorgungslage mit Lebensmitteln sei nicht mehr gesichert und der Streik werde zu über 80% befolgt. Das während selbst Teile der Opposition mittlerweile ein Scheitern des Streiks anerkannt haben und landesweit über 85% der Unternehmen, Läden und Institutionen regulär arbeiten. Als ein Indikator dafür kann auch gelten, dass der Wechselkurs Bolivar-Dollar seit Beginn des Streiks weitgehend unverändert geblieben ist.

Die Basis der Regierung Hugo Chavez, die vor allem in den unteren Schichten der Bevölkerung groß ist, mobilisiert mittlerweile zunehmend zur aktiven Unterstützung der Regierung. Während am Samstag einige Tausend Oppositionelle in den reichen Stadtteilen des Osten von Caracas demonstrierten, zogen über zwei Millionen Anhänger des Reformprozesses der Regierung durch die Straßen der Innenstadt. Auf der Wer zur Demonstration wurden Chavez-Anhänger von Oppositionellen beschossen, auch in Armenstadtteilen eröffneten Anhänger der Opposition das Feuer, so dass sich von dort aus weitere Demonstrationszüge zur Unterstützung der Regierung in Richtung Präsidentenpalast bildeten.

Währenddessen traten die sechs der Opposition zugehören Mitglieder der achtköpfigen Leitung der PDVSA von ihren Posten zurück. Chavez kommentierte den Schritt mit der Aussage es sei ein kritischer Moment erreicht und es gelte die PDVSA zum Wohle aller zu verteidigen und dafür sei die Regierung auch bereit so viel Personal auszuwechseln wie nötig. Vor den über zwei Millionen Demonstranten rief er zur ständigen Verteidigung, Fortsetzung und Vertiefung des bolivarianischen Prozesses auf.


Venezuela | www.agp.org