Massenproteste stoppen Privatisierungen

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(Montevideo, 23. Juni 2002, comcosur-poonal).- Die Regierung von Präsident Alejandro Toledo wird von einer Privatisierung der Elektrizitätswerke Egasa und Egesur absehen, bis gerichtlich über die Legalität des Verkaufs entschieden ist. Sie erklärte sich zudem bereit, innerhalb von 48 Stunden den Ausnahmezustand und die Ausgangssperre aufzuheben, die seit Sonntag in Arequipa nach den anwachsenden Prostesten erlassen wurde. In der Folge dieser Maßnahmen musste bereits der Innenminister Fernando Rospigliosi zurücktreten.

Dieses Verhandlungsergebnis wurde zwischen einer Kommission, die von der Zentralregierung in die Region entsandt wurde, sowie 14 Gemeindebürgermeistern mit dem "Frente Cívico Amplio" (Bündnis der Protestierenden) von Arequipa am zweiten Verhandlungstag erzielt. Während der Verhandlungen befanden sich fünf südliche Departements in einem Generalstreik, durch den der innerstädtische Verkehr und die Hauptverbindungsstraßen der Region lahmgelegt wurden.

Darüber hinaus sah sich Präsident Toledo, dessen Popularität seit seinem Amtsantritt vor elf Monaten immer weiter gesunken ist, dazu gezwungen, sich bei der Bevölkerung von Arequipa dafür zu entschuldigen, dass er seine Privatisierungsvorhaben nicht ausreichend erklärt hat. Er musste zudem zugestehen, dass er sein Wahlversprechen, keine Privatisierungen durchzuführen, gebrochen hat. Dies rechtfertigte er damit, dass er sich "niemals vorgestellt hat, eine Regierung in Trümmern vorzufinden".

In der Erklärung von Arequipa, die von beiden Seiten unterzeichnet wurde, drückte die Regierung ihr öffentliches Bedauern über die Aussagen einiger Regierungsmitglieder aus, die die Bevölkerung von Arequipa als feindselig betrachtet hatte. Namentlich werden der Justizminister Fernando Olivera und der Innenminister Fernando Rospigliosi erwähnt. Beide stellten die Entschiedenheit und die Legalität der Proteste in Frage.

Unterstützung von öffentlicher Seite erfuhren die Proteste durch die Teilnahme des Bürgermeisters von Arequipa, Juan Manuel, und einem Dutzend seiner Kollegen aus benachbarten Provinzen. Sie fordern, dass die von der Zentralregierung zum Verkauf angebotenen Elektrizitätswerke von der Regionalregierung übernommen werden. Derzeit hat der belgische Konzern Tractebel den Zuschlag für 167 Millionen US-Dollar.

Tractebel möchte nun die Entscheidung der peruanischen Justiz abwarten, bevor sie den Teil der Aktien von Egasa und Egesur kaufen, der ihnen am Freitag von der Zentralregierung zugesichert worden waren, obwohl gerichtlich eine einstweilige Aussetzung des Verkaufs beschlossen wurde.

Tractebal, die in Brüssel ansässige Filiale des französischen Suez-Konzerns, ist in mehr als 100 Ländern vertreten. Die Firma bestreitet, von der peruanischen Justiz wegen Korruption angeklagt worden zu sein. Sie bestritt von der Presse verbreitete Beschuldigungen, nach denen der Konzern dem ehemaligen Präsidenten Alberto Fujimori zehn Millionen US-Dollar zukommen habe lassen.

Der Vizepräsident Raúl Díez Canseco, einer der Verhandlungsteilnehmer, gab das Abkommen zwischen der Regierung und der Frente Cívico Amplio bekannt. Dort verpflichtet sich die Regierung, alle Privatisierungen zu stoppen, bis eine gerichtliche Entscheidung über deren Legalität vorliegt.

Ein geforderter Volksentscheid über die Zukunft der beiden Elektrizitätswerke wurde von Premierminister Roberto Daqino ausgeschlossen. Ein solcher sei weder "ratsam" noch "wünschenswert", da er einen Präzedenzfall für weitere Privatisierungen schaffen würde. Ein Volksentscheid würde auch die noch vierjährige Regierungszeit Toledos beeinträchtigen, der durch Privatisierungen Investitionen ins Land holen und damit Arbeitsplätze schaffen will. Diese Position steht jedoch im Widerspruch zur Meinung der Arequipeños, die befürchten, dass die Privatisierung von Egasa und Egesur zu Erhöhungen der Strompreise und Entlassungswellen führen wird.

In Arequipa, der zweitgrößten Stadt Perús, dem Zentrum der Proteste, wo Barrikaden errichtet worden waren und die Straßenproteste zum Ausnahmezustand und zur Ausgangssperre führten, gingen nach der Verkündung des Abkommens Hunderte Menschen auf die Straße und feierten lautstark mit Trillerpfeifen und Kochtöpfen die vorläufige Aussetzung des Verkaufs der Elektrizitätswerke.


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