Druck des IWF bringt neue Regierung in die Zwickmuehle [quelle: POONAL http://www.berlinet.de/poonal/ ] ECUADOR Druck des IWF bringt neue Regierung in die Zwickmühle Die Bevölkerung treffen die Anpassungsmaßnahmen in Etappen Von Luis Angel Saavedra (Quito, Juni 2000, noticias aliadas/Poonal).- Politisch waren die letzten Jahren in Ecuador stürmisch. Die Bevölkerung stürzte mit Duldung und Unterstützung der Militärs zwei Staatschefs und ist nicht bereit, einschneidende strukturelle Anpassungsmaßnahmen widerstandslos hinzunehmen. Auch die seit Januar amtierende Regierung von Präsident Gustavo Noboa muss sich auf heftige Proteste gefasst machen. Denn sie hat als Gegenleistung für Finanzhilfen versprochen, drastische Aktionen in der Wirtschaftspolitik durchzuführen. Die Reaktion der sozialen Organisation vorhersehend, entschloss sich das Kabinett allerdings, den Rythmus der Maßnahmen zu verlangsamen und sie mit Sozialprogrammen zu begleiten. Nach dreijährigen Verhandlungen unterschrieben der Internationale Währungsfonds (IWF) und Ecuador am 19. April dieses Jahres das sogenannte stand by-Abkommen, mit dem das Andenland Zugang zu 304 Millionen US-Dollar bekommt. Damit sollen die Devisenreserven gestärkt und das bankrotte Bankensystem wieder aufgebaut werden. Nacheinander sahen sich die Regierungen von Fabián Alarcón (1997- 98), Jamil Mahuad (1998-2000) und Noboa in der Zwickmühle, denn die Forderungen des IWF stellen die Aussicht auf eine längerfristige soziale Stabilität in Frage. In den zurückliegenden Monaten verkündeten die Wirtschaftsdelegationen von Regierung und IWF, eine Vereinbarung könne nur erreicht werden, wenn alle Subventionen für Treibstoffe sowie Wasser, Strom und Telefon gestrichen würden. Zusätzlich verkauften sie die Erhöhung bestehender und Schaffung neuer Steuern als ebenso unvermeidlich wie das Einfrieren der Löhne im öffentlichen Dienst. "Wir wollen keine sozialen Probleme verursachen, aber es muss deutlich gesagt werden, dass das derzeitige Niveau der Subventionen innerhalb eines Systems der Dollarisierung (der Wirtschaft) nicht beibehalten werden kann", erklärte der Abgesandte des Währungsfonds, Jeffrey Franks, bezüglich der vorgesehenen vollständigen Umstellung der Landeswährung Sucre auf den US-Dollar. Der IWF geht sogar davon aus, dass die radikale Abschaffung der Subventionen die Marktverzerrungen korregieren würden, von denen nach Ansicht seiner Funktionäre die wohlhabenden Gruppen der Gesellschaft bisher profitiert haben. Der Währungsfonds erwähnt als Beispiel den Schmuggel mit Gas in die Nachbarländer. Sein Vorschlag dazu: ein Anstieg der Gaspreise von 40 und noch einmal 60 Prozent in den Monaten Juni und Oktober. Damit soll die Rezession der Wirtschaft gestoppt werden. Erfüllten sich die Wunschvorstellungen des Fonds, könnte das durchschnittliche Jahreswachstum so noch in positives Terrain kommen. Begleitend zu den IWF-Vorschlägen haben die Interamerikanische Entwicklungsbank (BID) und der Andenförderungsfonds ebenfalls die Freigabe erster Gelder im Rahmen eines langfristigen Kreditprogrammes mit einem Volumen von zwei Milliarden US-Dollar verfügt. Auch dieses Geld soll vorrangig in den Finanzsektor gepumpt werden. Dessen Zusammenbruch kostete den Staat im zweiten Halbjahr 1999 etwa 2,7 Milliarden Dollar. Vom Geldregen der internationalen Finanzorganisationen wird die arme Bevölkerung nach Meinung der Kritiker aber in keinster Weise profitieren. "Indem das Geld für die Devisenreserven oder die Reaktivierung des Bankenwesens verwandt wird, bildet es einen Teil desselben Korruptionsnetzes, das die Spareinlagen der Kunden bei den geschlossenen Banken plünderte", sagt der ehemalige Abgeordnete Diego Delgado. Er nennt als konkretes Beispiel das persönliche Interesse von Jorge Guzmán in den Krisenzeiten. "Guzmán leitete den Bankenverband und kannte die Probleme. Als die Krise ausbrach, war er der Oberaufseher der Banken. Und als Finanzminister verhandelte er die Gelder für die Banken, die er schützte." Die sozialen Organisationen Ecuadors zeigten sich über die Regelungen mit dem IWF empört. "Die Art, wie den Ecuadorianern ein Selbstmordabkommen aufgedrängt wird, wie wir zur Dollarisierung gezwungen werden, all das beweist uns, dass wir zu einer Kolonie Nordamerikas gemacht werden", äußerte der Indigenaführer Salvador Quishpe während einer friedlichen Besetzung der Kirche San Francisco in der Hauptstadt Quito. Die Besetzung war der Schlusspunkt eines gigantischen Protestmarsches am 1. Mai gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung. Der Marsch war der größte der vergangenen zehn Jahre und die massive Beteiligung von Nicht- Indigenas lehrte die Regierung das Fürchten. Denn, wenn die Mobilisierungen des gut organisierten Dachverbandes CONAIE der Indigenabevölkerung mit den Aktionen anderer Gruppen wie den Gewerkschaften zusammen treffen, ist es um die Stabilität der Regierung geschehen. Und die Ablehnung der offiziellen Wirtschaftspolitik ist ein einigender Faktor. Abgesehen vom komplizierten ökonomischen Panorama mit einer voraussichtlichen Inflation von etwa 90 Prozent zu Jahresende, die den Regierungsdiskurs über die wohltätigen Wirkungen der Dollarisierung bloß stellen würde, haben sich bei den Regionalwahlen am 21. Mai die politischen Kräfteverhältnisse verschoben. Der CONAIE und die "Plurinationale Bewegung Pachakutik", die beide für die Organisation der sozialen Bewegungen im Land eine entscheidende Rolle spielen, erreichten wichtige Siege. Noboa versucht seitdem zu retten, was vielleicht nicht mehr zu retten ist. Noch im Mai entließ r den erwähnten Finanzminister Guzmán, ein radikaler Verfechter der Anpassungsrezepte des Internationalen Währungsfonds. Außerdem stellte er einen neuen, verlangsamten Zeitplan für die Einschnitte auf. Schließlich verkündete er ein begleitendes Sozialprogramm, von dem im Abkommen mit dem IWF nicht die Rede ist. Die Gaspreise für den Hausgebrauch werden vorerst nicht erhöht, der monatliche Mindestlohn dagegen soll von 54 auf 116 Dollar mehr als verdoppelt werden. Die Rentner bekommen höhere Pensionen und arme Familien zusätzliche staatliche Zahlungen. "Noboa hat es vorgezogen, die Massnahmen abzuschwächen, weil er um die Kapazität der sozialen Mobilisierung weiß. Wir müssen aber aufmerksam sein, denn die Vereinbarung mit dem IWF sieht die Anpassungen bis Oktober vor. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Großteil der Maßnahmen für die Zeit nach den sozialen Ausgleichszahlungen aufbewahrt wird", versichert Virgilio Hernández von der Volkskoordination der Sozialen Bewegungen. Die Regierung wird es nicht leicht haben. Gerade erst (Ende Juli) haben die Volksorganisationen dem Obersten Gerichtshof des Landes mehr als anderthalb Millionen Unterschriften überreicht, mit denen ein Plebiszit über die Wirtschaftspolitik und andere wichtige Punkte gefordert wird.