Ecuador update POONAL - Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 427 vom 7. April 2000 http://www.berlinet.de/poonal/aktuell.htm ECUADOR Einführung des Dollar hat begonnen (Quito, 3. April 2000, pulsar-Poonal).- Seit dem Wochenende zirkuliert in den wichtigsten ecuadorianischen Städten neben der einheimischen Währung Sucre der Dollar. An den Geldautomaten der Banken gibt es nur noch Dollar. Große Geschäfte und Supermarktketten nehmen beide Währungen entgegen. Damit hat die von Regierung und Parlament gegen den Widerstand breiter Bevölkerungsteile begonnene Dollarisierung der Wirtschaft begonnen. Auf den Märkten und auf dem Land ist allerdings nach wie vor der Sucre die bestimmende Geldeinheit. Indigenas und Bauern weigern sich vielfach, Dollar für ihre Produkte entgegen zu nehmen. Die Zentralbank des Landes will mit einer Informations- und Bildungskampagne die Opposition zur neuen Währung brechen. Auf Spanisch und Quéchua sollen die Ecuadorianer von den Vorteilen der Dollarisierung überzeugt werden. ECUADOR "Die Falle der Dollarisierung" - Interview mit Alberto Acosta (Quito, März 2000, na-Poonal).- Eine der letzten Maßnahmen der Regierung von Präsident Jamil Mahuad (1998-2000), die im Januar nach dem Aufstand der Indigenas abgesetzt wurde, war die Dollarisierung der Wirtschaft. Für die einheimische Sucre-Währung wurde gegenüber dem Dollar ein Wechselkursverhältnis von 1:25.000 festgelegt. Das Parlament stimmte dem Plan am 1. März zu. Im Interview mit Luis Ángel Saavedra erwähnt der ecuadorianische Ökonom Alberto Acosta die wichtigsten Punkte seiner bald erscheinenden Veröffentlichung "Die Falle der Dollarisierung". Warum hat Mahuad die Dollarisierung beschlossen? Aus politischen Gründen. Mahuad sah in der Dollarisierung eine Art Wundermittel, um seinen Sturz zu verhindern. Tatsächlich half ihm das, noch zehn Tage zu überleben, als er im Grunde schon aus dem Haus geworfen war. Es existierten auch wirtschaftliche Gründe, aber nicht nur die des Präsidenten Mahuad, sondern der herrschenden Eliten. Sie gestanden mit der Dollarisierung öffentlich ihre Unfähigkeit ein, eine eigene Wirtschaftspolitik aufrecht zu erhalten. Beschleunigt das die neoliberale Entwicklung in Ecuador? Eine Niederlage beziehungsweise die Unfähigkeit der Eliten offenbarend, wird daraus eine Falle für die unteren Volksschichten. Denn durch die angeblich magische Lösung der Dollarisierung soll das neoliberale Modell verwurzelt, die Privatisierung des Öls, der Elektrizität, des Telefonwesens und der Sozialversicherung voran gebracht werden. Einher geht damit eine Flexibilisierung der Arbeit, was bedeutet, Arbeit unsicherer zu machen und die gesellschaftlichen Kräfte zu schwächen. Außerdem wird die Abhängigkeit der ecuadorianischen Wirtschaft von den USA im Handelsbereich radikalisiert. Wir werden ein neuer nordamerikanischer Markt, annektiert ohne irgendwelche Kosten für sie (die USA). Und Ecuador im lateinamerikanischen Kontext? Wir sind erneut an den Rand gedrängt und zeigen den Entwicklungen der horizontalen Integration die kalte Schulter. Es wird gesagt, Ecuador werde den Integrationsprozess in den US-Markt beschleunigen, wohin sich auch die anderen Länder der Region orientieren. Aber statt einen lateinamerikanischen Block zu bilden, um mit besseren Kräfteverhältnissen gegenüber den USA verhandeln zu können, verzichten wir auf jegliche gleichberechtigte, symmetrische Verhandlung, indem wir auf unsere Währung verzichten. Als die Aussetzung der Zahlung der Auslandsschuld, der Brady-Bonds und danach der Euro-Bonds verkündet wurde, da glaubten wir einen Momentlang , es könne eine neue Etappe bei der Verhandlung der Auslandsschuld auf lateinamerikanischer Ebene beginnen. Nichts davon wird jedoch geschehen, Ecuador bleibt aufgrund der Dollarisierung weiterhin ein Schlusslicht in diesem Prozess. Wer profitiert davon? Die wichtigsten Nutznießer sind die Importeure, nachdem die derzeitige Depression überwunden worden ist. Ebenso können bestimmte Personengruppen ausgemacht werden, die sich für die Produktion einsetzen, obwohl sie in Wirklichkeit Warenschmuggler und keine Produzenten sind. Nutzen haben die internationalen Banken, die Unternehmen, die Dienstleistungen und besonders die privatisierten ehemals staatlichen Dienstleistungen kontrollieren. Auch die Großhändler, die den Verkauf ihrer Produkte langfristig planen können. Wer verliert? Großer Verlierer ist das Land und seine Zukunft. In erster Linie verlieren diejenigen, die nicht mehr arbeiten können und sich nicht mehr mit einer neuen produktiven Anstrengung erholen können: die Rentner. Große Verlierer werden auch all diejenigen Personen sein, die auf einem immer kleineren Markt konkurrieren: Taxifahrer, Transportunternehmer, der landwirtschaftliche und industrielle Produktivapparat, der die heftigen Attacken der Importeure spüren wird. Es wird davon geträumt, dass mit der Dollarisierung die ausländische Investition kommt. Ist das realitätsnah? Durch die einfache Tatsache, eine dollarisierte Wirtschaft zu haben, werden wir weder produktiver noch weniger korrupt, weder konkurrenzfähiger noch weniger ineffizient sein. Die Wirtschaft wird sich immer mehr auf die Grundstoffe konzentrieren. Die einheimische Produktion wird auf Öl, Land- und Forstwirtschaft - vor allem der Holzausbeutung -, Minenwesen und etwas Tourismus beruhen. Das wird die ausländische Investition immer im Interesse der transnationalen Unternehmen anziehen. Ich glaube nicht an einen großen Wandel oder den großen Eintritt von frischem Kapital. Diejenigen, die kommen, werden vor allem ein Schnäppchen ausnutzen wollen: den großen Ausverkauf, der mit der Dollarisierung gemacht wird, die Privatisierung, die Arbeitsflexibilisierung. Die Wirtschaft wird immer weniger einheimisch sein. Woher werden die Dollar kommen, um die Wirtschaft zu stützen? Durch Exporte und das bedeutet die Politik des "billigen Cholo" (als Cholo wird mit abwertender Konnotation der spanisch sprechende "zivilisierte" Indio bezeichnet; die Red.): geschenkte, überausgebeutete Arbeitskraft, für Stunden und für weniger als 65 Centavos Stundenlohn unter Vertrag genommen. Ohne gewerkschaftliche oder sonstige Arbeitsrechte. Mit diesen 65 Centavos müssen alle Kosten, selbst der Sozialversicherung, noch übernommen werden. Welche Beziehung kennzeichnet Dollarisierung und Ökologie? Mit den grünen Scheinen verlieren die ecuadorianische Umwelt und das Land insgesamt. Wir werden mehr Rohstoffe produzieren. Wenn wir jetzt von einer zweiten Pipeline sprechen so werden wir bald eine dritte brauchen, um immer mehr Öl aus dem Boden zu holen ohne uns um die Natur zu kümmern und ohne dass sich der Wert in den Dollar niederschlägt, die wir brauchen, um nicht Hungers zu sterben. Ist dieser Prozess unumkehrbar? Absolut nicht. Auch mit der Dollarisierung wird es immer Möglichkeiten zur Rückkehr für ein Land geben, das Würde und Souveränität hat und das den Respekt vor seiner Geschichte sucht. ECUADOR Bundesarmee gegen "Grüne Armee" (Quito, 29. März 2000, pulsar-Poonal).- Der ecuadorianische Verteidigungsminister Admiral Hugo Unda hat die Indígenas aus dem Amazonasgebiet dafür gewarnt, Organisationen zu gründen, die er als paramilitärisch bezeichnete. Die Indígenas hatten zuvor in einem öffentlichen Kommunique erklärt, eine "Grüne Armee" zu bilden. Sie soll dazu dienen, die Amazonasbewohner und die Interessen ihrer Dörfer vor bedrohenden externen Kräften zu verteidigen. Dazu rechnen die Indígenas die Ölunternehmen, die in Ecuador präsenten US-Soldaten und die kolumbianischen Guerilleros. Der Verteidigungsminister erinnerte daran, laut Verfassung seien die Streitkräfte die "einzigen", die mit der Wahrung der Sicherheit des Landes beauftragt sind. Unda lud die Indigenas aber ein, gemeinsam zu arbeiten, um Grenzüberschreitungen ausländischer Kräfte zu verhindern.