Über die Lage in Bolivien
03/Jun/05

Freihandels- und "Liberalisierungs"-Pläne haben seit Jahren heftigsten Widerstand in Lateinamerika ausgelöst. Kaum ein Monat vergeht, in dem es nicht irgendwo massive landesweite Proteste gibt. Diesmal ist mal wieder Bolivien an der Reihe.

Seit etwa Mitte Mai sind in Bolivien nach einer relativ kurzen Ruhephase - die letzten Unruhen liegen erst zwei Monate zurück - wieder landesweite Proteste ausgebrochen.

Die Hauptforderung ist die nach der 'Nationalisierung' der Gas (vor allem!) und Ölvorkommen des Landes.

Seit Wochen befindet sich La Paz im Belagerungszustand. Nahezu täglich demonstrieren zehntausende in den Straßen der "Haupt"Stadt (Hauptstadt ist eigentlich Sucre, La Paz ist jedoch Regierungssitz). Parlament und Regierungssitz gleichen einer Festung. Viele kommen aus der benachbarten Industriestadt 'El Alto' und es gibt immer wieder kilometerlange Märsche von El Alto nach La Paz. Massiver Einsatz von Tränengas (das noch viel 'giftiger' und gefährlicher ist als das, welches in der Regel in Europa eingesetzt wird) und Wasserwerfern hindert die Menschen nicht, täglich aufs neue zu demonstrieren. Auch in anderen Städten wie Sucre und Cochabamba (letztere kennen manche vielleicht noch von der Peoples' Global Action Konferenz im September 2001, bekannt ist Cochabamba auch für die erfolgreichen Proteste gegen die Wasserprivatisierung im Frühjahr 2000) gibt es ständig Proteste.

Ungefähr 1/3 des Landes (der dichtbesiedeldste Teil) ist durch Straßenblockaden praktisch lahmgelegt.

Unterstützt werden die Bauern- (Campesinos) und Indigenas-Proteste durch (meist unbegrenzte) Streiks im Transportwesen (Choferes - Bus- und Lastwagenfahrer) von Handwerkern (?) (Gremiales = Zünfte) und Mienenarbeitern.

Heute, am 3. Juni 2005, hat Carlos Mesa, amtierender Präsident von Bolivien, eine konstituierende Versammlung und ein Referendum über größere regionale Autonomien für den 16. Oktober angekündigt, was den Hauptforderungen der Proteste entspräche. Die oppositionelle Partei MAS (Movimiento al Socialismo - 'Bewegung zum Sozialismus', weniger eine 'sozialistische Arbeiterpartei' als eine Partei der Kleinbauern [cocalores - Cocabauern] und Indigenas [Ureinwohner], die die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen) mit ihrem Führer Evo Morales hält dies jedoch für eine Farce und es ist davon auszugehen, daß die Proteste deswegen nicht nachlassen werden.

Gestern, am 2. Juni gab es übrigens einen Angriff von Neofaschisten auf einen Campesino-Marsch in Santa Cruz, bei dem viele brutal zusammengeknüppelt wurden.

Que se vayan todos!


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