Argentinien: Französischer Wasser-Multi zieht ab

von Carlos el Coyote - 10.09.2005 21:34 http://de.indymedia.org/2005/09/127691.shtml

Gestern teilte die franzosische Suez-Gruppe in Paris mit, nach nunmehr 12 Jahren die Konzession auf die Wasserversorgung im Großraum Buenos Aires zum 19.09. 2005 zurückgeben zu wollen.

Das Verhältnis zwischen dem Wasser-Multi und Argentinien bezüglich der Konzession auf die Wasserversorgung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

GESCHENKT BEKOMMEN, AUSGELUTSCHT, WEGGEWORFEN UND NOCH EINMAL NACHGETRETEN

"Wasser ist keine übliche Handelsware" , so will es die Europäische Union. Diese Regel gilt aber spätestens dann nicht mehr, wenn europäische Unternehmen ihr Kapital im Ausland einsetzen, etwa in der privaten Wasserversorgung. Was die französische Unternehmensgruppe Suez seit 12 Jahren in Argentinien treibt ist Wildwest, ermöglicht durch die korrupte argentinische Politik und flankiert durch die französische Regierung. Abgespielt hat sich alles unter dem Dach der Weltbank.

Die argentinische Wasserversorgung: ein schönes Geschenk

Angefangen hat alles im Jahre 1993. In Argentinien ist das menemistische Zeitalter des "Pizza und Campagne" eingeläutet. Wie alle vormals staatlichen Unternehmen werden auch die Wasserwerke von Buenos Aires privatisiert und in das Unternehmen Aguas Argentinas S.A. überführt. Der argentinische Staat nimmt zudem einen Kredit i.H.v. 100 Millionen Dollar auf, um ihn in die Ausstattung von Aguas Argantinas zu stecken. Die Konzession für Aguas Argentinas wird an die französche Suez-Gruppe vergeben. Diese hat nunmehr das Monopol auf die Wasserversorgung inne. Gleichzeitig wird der Peso 1 : 1 an den Dollar gekoppelt, was zur Folge hat, dass der französische Multi seine Wasserrechnungen in Dollar schreibt. Ein glänzendes Geschäft: zwischen 1993 und 2001 macht das Unternehmen einen durchschnittlichen Gewinn von 15,4 % auf ihr eingesetztes Kapital.

Die argentinische Wasserversorgung: Ein ausgelutschtes Unternehmen

Der Konzessionsvertrag sieht unter anderem vor, dass die Suez-Gruppe von 1993 bis 2003 Investitionen i.H.v. 2202 millonen Peso in das Versorgungsnetz tätigt. Auch dürfen die Verbrauchertarife bis zum Jahre 2003 nicht erhöht werden. Schließlich werden Auflagen bezüglich der Qualität der Versorgung in den Vertrag aufgenommen.

Um ihre vertraglichen Pflichten schert sich die Suez-Gruppe jedoch einen feuchten Dreck:

Von den Investitionen werden gerade einmal 60% realisiert. Die Verbrauchertarife werden eigenmächtig um 88% innerhalb von 10 Jahren erhöht. Auch die Qualität der Wasserversorgung leidet: Von den rund 12 Millionen Einwohnern, die auf dem Konzessionsgebiet leben, sind nach wie vor 1,032 Millionen ohne Abwasseranschluss und weitere 800.000 Menschen ohne einen Wasseranschluss. Der vorgeschriebene Wasserdruck wurde zu keiner Zeit in den Ballungsgebieten eingehalten. Auch wurde eine Verseuchung des Wassers mit Arsen festgestellt.

Wegen Nichteinhaltung des Vertrages wird das Unternehmen zu Strafzahlungen von insgesamt 42,6 Millionen Peso verdonnert. Von diesen Strafen werden aber nur jeder 3. Peso bezahlt. Vor allem die Regierung unter Carlos Menem ging äußerst nachsichtig mit dem Unternehmen um. Auch wenn im Falle von Suez keine Beweise vorliegen, so liegt Korruption jedoch äußerst nahe. Menem selbst, Abgeordnete und Minister sowie seinerzeit tätige Richter sitzen wegen Bestechlichkeit hinter Gittern bzw. sind nach Hinterlegung einer Kaution vorläufig auf freiem Fuß. Die Regierung von Carlos Menem bestand aus Mafiosi, die sich selbst bereichert haben.

Auch in letzter Zeit - unter der neuen Regierung von Néstor Kirchner - werden die Strafen bei der Suez-Gruppe nicht eingetrieben.

Der derzeitige argentinische Wirtschaftsminister sagt es ganz deutlich:

"Wir brauchen die Stimme Frankreichs im IWF, um bei den Verhandlungen über eine Umschuldung des argentinischen Staates beim IWF Erfolg zu haben".

Dieser Erfolg bleibt freilich aus. Die Aussage des Ministers zeigt jedoch, dass Frankreich dem Raubzug der Suez-Gruppe in Argentinien Schützenhilfe leistet, über dessen Rolle im IWF. Denn es scheint ausgeschlossen, dass Argentinien auf die Vollstreckung von Millionenbeträge gegen die Suez-Gruppe verzichtet, ohne dass die französische Regierung zuvor ihr Abstimmungsverhalten im IWF an die Sache Suez koppelt hat. Eine Interessensverquickung zwischen Suez und dem französische Staat ist ebenfalls gegeben, da Frankreich bedeutende Kapitalanteile an dem Wasser-Multi hält.

Schließlich räumt der Konzessionsvertrag dem Wasser-Multi das Recht ein, die Wasserleitung abzustellen, wenn ein Verbraucher nicht pünktlich seine Rechnungen bezahlt. Aus diesem Grunde sind derzeit 30.000 Familien ohne Trinkwasser.

Die argentinische Wasserversorgung: Die Suez-Gruppe zieht sich zurück

Seit dem Jahre 2001 ist Schluss mit dem himmlischen Geldsegen für die Suez-Gruppe. Die argentinische Regierung unter De La Rúa (1999-2001) hebt die Peso - Dollar - Bindung auf. Der Peso fällt in freiem Fall auf einen Kurs von 4 : 1 zum Dollar. Die Dollarkonten der Einwohner werden eingefroren und 1 : 1 in Peso umgeschrieben. Zwar ist davon die Suez-Gruppe nicht direkt betroffen, denn die "Pesofizierung" gilt ausdrücklich nicht für ausländisches Kapital. Auch hat ein Unternehmen der Wasserversorgung die perverse Sicherheit, dass die Verbraucher sich kaum in ihrem Konsum der Ware Wasser einschränken können. Wenn die Menschen aber überhaupt noch ihre Wasserrechnungen bezahlen können, dann ab jetzt nur noch in Peso. Ab dem Jahre 2001 stellt der Konzern dann auch die Investitionen in das Versorgungsnetz vollständig ein.

Als Bedingung dafür, dass die Suez-Gruppe weiterhin die Wasserversorgung ausübt, fordert sie von der argentinischen Regierung die Anhebung der Wassertarife bzw. einen staatlichen Kredit i.H.v. 800 Millionen Peso. Die argentinische Regierung unter Néstor Kirchner verhandelt darüber und stellt eine Tariferhöhung von 20% in Aussicht, ohne jedoch zu einem Ergebnis zu kommen. Auch finden die Beteiligten keine Einigung über die Rückzahlung des 100 Millionen Dollar Zuschusses, den Argentinien zu Anfangs in Aguas Argentinas gesteckt hat.

Vor einem Monat hat der Multi schließlich das Kündigungsverfahren für die Konzession eingeleitet und beruft sich auf ein vertragswidriges Verhalten Argentiniens. Mit diesem Vorgehen hat es eine bessere Ausgangslage bei den zu erwartenden Gerichtsverhandlungen über die offene Schulden inne.

Die argentinische Wasserversorgung: Die Suez-Gruppe macht Ansprüche geltend

Im Jahre 2004 macht Suez millionenschwere Schadensersatzansprüche gegen Argentinien geltend wegen der Pesofizierung der Verbrauchertarife. Dabei beruft sich der Konzern darauf, dass der Konzessionsvertrag Verbrauchertarife in Dollar vorsieht. Die Differenz zwischen dem Dollar und dem Peso (1 : 4) ab dem Jahre 2001 macht das Unternehmen vor dem Schiedsgericht der Weltbank mit Sitz in Paris geltend.

Die argentinische Wasserversorgung: Wie soll es weitergehen?

Hier zeigt sich einmal wieder, dass es der Regierung Kirchner um eine Restaurierung des Systems geht, die so revolutionär ist wie die deutsche Sozialdemokratie:

Nicht die konsequente Verstaatlichung der Wasserversorgung - weg von einer Kapitalisierung des Trinkwassers als Ware hin zu einer geplanten Grundversorgung für alle - ist das erklärte Ziel der Regierung. Vielmehr schielt sie herüber nach Europa, von wo es die Idee einer straffen Regulierung der privaten Unternehmen der Daseinsvorsorge abkupfern will:

Zuleitungsmöglichkeiten für mehrere Konkurrenten in ein unabhängig agierendes Versorgungsnetz. Der dadurch eintretende Wettbewerb soll schließlich für angemessene Verbraucherpreise sorgen. Wie gut das klappt, zeigt vor allem in Deutschland die Elektrizitätsversorgung: Am Ende fehlt es an profanen Kuppelstellen für die Zuschaltbarkeit der Konkurrenz an die Netze, weshalb EON und die anderen de facto Monopolisten so richtig schön absahnen können!

Und bald gibt es auch in Argentinien wieder einen schönen Wassermarkt neu zu besetzen, um auf Kosten der Menschen die Kapitalverwertung zu betreiben.


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