dpa, 2.6.03

Schweiz geschockt nach Krawallen bei Demos gegen G-8-Gipfel

Von Hans Dahne, dpa

Genf (dpa) - "Pomp und Prestige für Frankreich" und jede Menge Ärger und Probleme für die Schweiz hatten Volksvertreter in den Kantonen am Genfer See vor dem G-8-Gipfel in Evian vorausgesagt. Die Krawalle von wenigen hundert gewaltbereiten Demonstranten am Wochenende in Genf und Lausanne scheinen ihnen Recht zu geben. Bilanz der Randale: zehn Verletzte sowie nach ersten Schätzungen Sachschäden in Höhe von mehreren hunderttausend Euro.

Wie nicht anders zu erwarten, steht die Polizei im Mittelpunkt der Kritik. Viele Einwohner von Genf hätten sich weniger Samthandschuhe und stattdessen eine härtere Gangart von Anfang an gewünscht. Dagegen sprechen Globalisierungskritiker von der Organisation Attac von überzogener Gewalt. Erstmals waren am Sonntagabend auch deutsche Polizeibeamte zur Verstärkung in der Genfer Innenstadt angefordert worden.

Die Schweizer Zeitungen geißelten am Montag nach den Ausschreitungen vor allem den Missbrauch des Demonstrationsrechts. "Die Bier-Chaoten machen das Demonstrationsrecht zur Sau", schrieb die Zeitung "Blick". In der "Tribune de Genève" hieß es, unser Planet habe einen großen Bedarf an politischer Debatte, auch radikaler Art. Die "idiotischen Verwüstungen" drohten aber, diese zu erdrosseln. Gewalt nach jeder größeren politischen Manifestation dürfe nicht als etwas Normales akzeptiert werden. "In der Nacht auf den Sonntag ist zusammen mit den Schaufenstern in der Genfer Innenstadt der Traum zerbrochen, ging die Hoffnung verloren, die Bewegung sei erwachsen und zum ernst zu nehmenden Diskussionspartner geworden", schrieb der Zürcher "Tages Anzeiger". Die "Berner Zeitung" beklagte, dass eine Minderheit eine Mehrheit drangsaliere.

Lausanne und Genf seien noch einmal glimpflich davon gekommen, befand die "Neue Zürcher Zeitung". Beide Städte seien nicht kurz und klein geschlagen worden. Das Instrumentarium zur Identifikation und Isolierung der stets gleichen, auch über größere Distanzen reisebereiten Gewalttäter müsse verfeinert werden. "Sie verdienen härter angefasst zu werden; auch Abschreckung darf hier Bestandteil des Arsenals sein."

Neben der Zerstörung von Schaufensterscheiben und den Plünderungen entstand Genf auch in anderer Hinsicht hoher wirtschaftlicher Schaden, den keine Versicherung oder staatliche Behörde regulieren wird. Viele Geschäfte und Unternehmen schlossen schon vor Beginn des Gipfels und manche verbarrikadierten sich mit Holzwänden. Wegen der wochenlangen scharfen Sicherheitsvorkehrungen hätten trotz des schönen Wetters wohl selbst Gratis-Reisen keine Besucher angelockt.

Der französische Präsident Jacques Chirac hat sich nach einem Bericht des Schweizer Rundfunks DRS bei den Schweizer Behörden für deren Unterstützung bedankt. Chirac entschuldigte sich außerdem bei den schweizerischen und französischen Anwohnern zu beiden Ufern des Genfer Sees für die entstandenen Unannehmlichkeiten.


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