Appenzeller Zeitung, 31.5.03

« Die Welt ist keine Ware »

Am Gegengipfel treffen sich die Globalisierungskritiker. Auch Jean Ziegler trat an einem Kolloquium von Attac Schweiz auf.

Catherine Balmer/genf

Lula aus Brasilien, Mubarak aus Ägypten, Wade aus Senegal und Hu aus China. Sie und viele andere werden morgen zusammen mit den acht führenden Industrienationen am Weltwirtschaftsgipfel in Evian an einem Tisch sitzen und den « dialogue élargi » pflegen. Themen wie Wasser, Umwelt und Verschuldung sollen zur Sprache kommen. Doch die vom Gastgeberland Frankreich propagierte Minne zum Nord-Süd-Dialog vermag die Globalisierungskritiker nicht zu überzeugen. Seit Donnerstag wird im französischen Annemasse an einem Gegengipfel über eine andere, in den Augen der Globalisierungsgegner gerechtere Welt debattiert; gestern veranstaltete Attac Schweiz in Genf ein Kolloquium zum Thema « Welche andere Welt ist möglich? ».

Neoliberal dominiert

Hauptkritikpunkt der Nichtregierungsorganisation Attac: Das Gipfeltreffen werde die Entwicklung einer Globalisierung fördern, die auf Profitmaximierung und Kapitalinteressen ausgerichtet sei. « Die Welt ist keine Ware », lautet einer der Grundsätze der Organisation, die 1998 in Frankreich von Vertretern der Zeitung « Le Monde Diplomatique » ins Leben gerufen worden ist. Die gegenwärtige Form der Globalisierung lehnt Attac ab, da sie « neoliberal » dominiert und nur an den Gewinninteressen der Wirtschaft ausgerichtet sei. So zum Beispiel die Politik amerikanischer und europäischer Großfirmen: « Sie bauen Arbeitsplätze ab, wo sie nur können », sagte Susan George, Vizepräsidentin von Attac Frankreich. Zudem bedienten sich die « Multis » Steuerschlupflöcher und würden kaum kontrolliert. In der Welthandelsorganisation (WTO) seien die Großfirmen für die Gestaltung der Gesetze verantwortlich, womit sie keiner Kontrolle unterlägen. Seit über 30 Jahren beschäftigt sich die 69-jährige Susan George mit den Folgen der Globalisierung. Sie sieht den Beratungen über die Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD), über die am G-8-Gipfel beraten werden soll, mit Skepsis entgegen. Großfirmen engagierten sich nur dort, wo bereits eine Infrastruktur vorhanden sei - und diese müsse in Afrika erst noch vom Staat errichtet werden.

Schuldenerlass als Lösung

Eine andere, bessere Welt wäre möglich, wenn die reichen Länder des Nordens jenen des Südens die Schulden erlassen würden. Diese Meinung vertrat der Belgier Eric Toussaint vom Komitee Schuldenerlass gegenüber der Dritten Welt. « Die Schulden dienen dazu, die Länder zu disziplinieren », sagte er. Massive Summen würden von den Entwicklungsländern in den Norden transferiert. Die Verschuldung der Dritten Welt habe in den vergangenen zwölf Jahren zugenommen und heute geradezu « perverse » Züge angenommen. Viele Länder müssten wegen den zu hohen Zinsen mehr zurückzahlen, als sie ursprünglich erhalten hätten, so Toussaint. Auch Jean Ziegler machte sich gestern Gedanken über eine andere Welt. Der Hunger unserer Erde könnte eingedämmt werden, sagte der UNO-Berichterstatter. Die weltweite Landwirtschaft könnte zwölf Milliarden Menschen ernähren - auf der Erde lebten aber nur gerade deren Hälfte. « Hoffnung für eine bessere Welt ist da », sagte er und kritisierte jene politischen Kreise, welche die Globalisierungskritiker kriminalisieren wollten. « Unsere Feinde können alle Blumen pflücken, aber sie werden nie Herr unseres Frühlings sein », zitierte er Pablo Neruda.


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