AP, 29.5.03

"Das ist doch alles Show"

Globalisierungsgegner wollen sich nicht von Chirac vereinnahmen lassen - Gegengipfel und Anti-G-8-Demos

Von AP-Korrespondent Uwe Gepp

Paris (AP) Der Schrecken von Genua steckt allen noch in den Knochen. Zwei Jahre nach der Gewalteskalation bei den Protesten gegen den G-8-Gipfel in der norditalienischen Hafenstadt mit einem Toten fahren die französischen Gastgeber in Evian eine Doppelstrategie: Mit 24.000 Soldaten und Polizisten am Genfer See wird Stärke demonstriert, und zugleich versucht Präsident Jacques Chirac, die Globalisierungsgegner politisch einzubinden.

Zwölf Staats- und Regierungschef aus Afrika, Asien, Süd- und Mittelamerika werden am Sonntag mit den Führern der sieben wichtigsten Industriestaaten und Russlands an einem Tisch sitzen. 80 Prozent der Weltbevölkerung werden so in Evian vertreten sein, rechnen die Franzosen vor. "Die G-8 sind nicht der Vorstand der Welt", erklärte Chirac und setzte die Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD) sowie den Kampf gegen Aids und Wassermangel auf die Tagesordnung.

Doch seine Botschaft kommt nicht überall an. "Das ist doch alles Show", sagt Lukas Engelmann, der für Attac Deutschland die Anti-Evian-Proteste koordiniert. "Die Initiativen von Chirac sind rein taktisch, inhaltlich steckt nicht viel dahinter." So werde zwar in Evian über die dramatische Wasserknappheit geredet, doch zugleich tue die Welthandelsorganisation WTO derzeit alles, um die Privatisierung der Wasserversorgung in den betroffenen Ländern voranzutreiben.

Zwar räumt Engelmann ein: "Natürlich ist die Tagesordnung ein Schritt auf die globalisierungskritische Öffentlichkeit zu." Doch gebe es "mehr Gründe denn je, gegen die G-8 zu protestieren": Wann komme der radikale Schuldenerlass, der der NEPAD erst zum Erfolg verhelfen würde? Was werde gegen die Umweltverschmutzung und Kriege getan? Trotz der Anwesenheit etwa der Präsidenten von Brasilien und Senegal sowie des indischen Regierungschefs: "Für uns ist der G-8-Gipfel noch immer ein Weltwirtschaftsgipfel, wo acht Staats- und Regierungschefs sich anmaßen, über das Schicksal der Welt zu entscheiden", sagt Engelmann.

Protestfeuer am Genfer See

Mindestens 100.000 Globalisierungsgegner, so schätzt Engelmann, wollen sich am Genfer See treffen, 4.000 bis 5.000 aus Deutschland. Attac hatte Schwierigkeiten, seinen Sonderzug vollzubekommen. Da Evian hermetisch abgeriegelt ist, finden Gegengipfel und Demonstrationen vor allem auf der Schweizer Seite des Genfer Sees statt.

Nach der ersten Kundgebung am Donnerstag in Lausanne, wo die zwölf Staats- und Regierungschefs des erweiterten Gipfels untergebracht sind, sollen am Samstagabend Protestfeuer den See illuminieren. Höhepunkt des Protests wird am Sonntag zum Auftakt der offiziellen Beratungen eine Großdemonstration in der französischen Grenzstadt Annemasse und Genf sein, zu der bis zu 100.000 Teilnehmer erwartet werden.

Die Globalisierungsgegner zelten und diskutieren im "alternativen, antikapitalistischen und Antikriegs-Dorf" oder im "intergalaktischen Dorf", auf zahlreichen Foren werden die Themen behandelt, die auch auf der G-8-Tagesordnung stehen. "Die Gegengipfel sollen eine Gegenöffentlichkeit schaffen und Alternativen aufzeigen", sagt Engelmann.

Ausschreitungen befürchtet er nicht. Kleinere Aktionen, bei denen "auch mal Wasserwerfer eingesetzt werden", die werde es wahrscheinlich geben, glaubt der Attac-Sprecher. Gerade in der Schweiz laufe die Zusammenarbeit mit den Behörden prima. Und der harte Kern der gewaltbereiten Szene werde bei diesem G-8-Gipfel nicht erwartet - er bereite sich offenbar auf den EU-Gipfel im griechischen Thessaloniki knapp drei Wochen später vor, sagt Engelmann.

http://www.anti-g8.org/
http://www.g8-evian2003.org/
http://www.evian-g8.org/
http://www.attac.info/g8evian/


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