Junge Welt, 28.5.03

Der Griff nach dem Wasser: Partnerschaften mit Abzockern?

jW sprach mit Thomas Fritz, Mitglied im Rat der globalisierungskritischen Organisation ATTAC Deutschland und deren Koordinator für die GATS-Kampagne

Interview: Wolfgang Pomrehn

F: Angesichts des G-8-Gipfels in Evian haben Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen aus aller Welt die dort vertretenen europäischen Staaten vor einer Liberalisierung der Wasserversorgung gewarnt. Weshalb gerade die europäischen Staaten?

Weil vor allem europäische Großkonzerne in aller Welt auf den Markt für Trinkwasser und Abwasserbeseitigung drängen. Die beiden größten Multis sitzen in Frankreich, und zwar Vivendi und Ondeo, hinter der der Konzern Suez steht. In Deutschland sind es die RWE, die nach einer erfolgreichen Einkaufstour mittlerweile der weltweit drittgrößte Wasserkonzern sind.

F: Was haben die europäischen Regierungen damit zu tun?

Die, das heißt vor allem das Gastgeberland Frankreich, haben dafür gesorgt, daß Wasser auf die Tagesordnung des Gipfels kommt. Insbesondere soll über die sogenannten Public-Private-Partnerships (PPP) gesprochen werden. Geplant ist, eventuell einen Fonds aufzulegen, mit dem diese « Partnerschaften » im Wasserbereich finanziert werden sollen. Das heißt: Die Privatisierung soll damit subventioniert werden. Dazu muß man wissen, daß in vielen Ländern, vor allem in der Dritten Welt, zunächst erhebliche öffentliche Mittel fließen, bevor die entsprechenden Unternehmen privatisiert werden. Mit den sogenannten PPPs soll diese Praxis ausgeweitet werden.

F: In Evian wird man sich auch über die laufenden Verhandlungen des Dienstleistungsabkommens GATS unterhalten. Welche Rolle spielt Wasser in diesem Zusammenhang?

Auch beim GATS ist die Europäische Union treibende Kraft, was das Thema Wasser angeht. Die Europäische Union hat von 72 Staaten gefordert, daß sie ihren Wassermarkt zugunsten europäischer Konzerne liberalisieren sollen. Allerdings ist man im Gegenzug nicht bereit, die Öffnung des eigenen Wassermarktes anzubieten. Offensichtlich hält man dies innenpolitisch für ein viel zu heißes Eisen.

F: Dennoch laufen auch auf EU-Ebene Vorbereitungen für die Deregulierung und Privatisierung der Trinkwasserversorgung.

Wasser gehört bisher nicht zu den Bereichen, die durch den europäischen Binnenmarkt liberalisiert wurden. Aber man versucht zur Zeit tatsächlich, daran zu rütteln und Liberalisierung durchzusetzen. Eine wesentliche Triebkraft für die Privatisierung ist die Ausschreibungspflicht für die Kommunen. Kommunale Betriebe müssen einen Teil ihrer Arbeiten delegieren. Bisher gehen diese Aufträge meistens an kleine, ortsansässige Betriebe. Derzeit gibt es Diskussionen, für die Kommunen eine Verpflichtung einzuführen, Ausschreibungen ab einer bestimmten Summe europaweit durchzuführen. Das würde eindeutig die großen Konzerne bevorzugen, die sich auf dem Kapitalmarkt günstiger mit Geld eindecken können.

F: Das Thema Wasser ist auch einer der vielen Gründe, weshalb ATTAC gegen den G-8-Gipfel demonstrieren will. Wie ist der Stand der Vorbereitung?

Heute abend fährt ein Sonderzug aus Berlin los, in dem für Spätentschlossene noch ein paar Plätze frei sind. Der sammelt auf dem Weg Leute ein - unter anderem in Magdeburg, Hannover, in verschiedenen Städten im Ruhr- und Rhein-Main-Gebiet sowie in Baden-Württemberg - und fährt am Montag zurück. Tickets können über die ATTAC-Webseite bestellt werden. Außerdem haben wir in verschiedenen Städten 20 Busse organisiert. Ich denke, wir haben einiges getan, damit die deutsche Beteiligung diesmal ein bißchen größer ist. Mit ATTAC werden etwa 2000 Menschen an den Genfer See fahren, insgesamt rechnen wir mit 5000 bis 10000 Teilnehmern aus der Bundesrepublik.


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