Cumbre de las Américas - Mar del Plata, Argentina 4 y 5 de Noviembre de 2005

Werner Hörtner: Die Befreiung des Hinterhofs. OAS-Gipfel in Mar del Plata und Protestaktionen.

Die Befreiung des Hinterhofs

Der Aufstand gegen die Hegemonialpolitik der USA hat sich noch nie so stark und deutlich manifestiert wie beim OAS-Gipfel in Mar del Plata und den Protestaktionen. Der US-Präsident verließ als ein Gescheiterter die Konferenz der 34 Staaten Amerikas.

Werner Hörtner

Mehr als 30 000 Menschen zogen an diesem kühlen regnerischen Morgen des 4. November durch das argentinische Seebad Mar del Plata zum Estadio Mundialista, einem Fußballstadion, wo die große Anti-Bush-Veranstaltung mit dem Präsidenten Venezuelas, Hugo Chávez, stattfinden sollte. Der Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel hatte die Initiative zum "Gipfeltreffen der Völker" ergriffen, um dem ungeliebten Präsidenten aus dem Norden die Ablehnung von dessen Projekt einer Gesamtamerikanischen Freihandelszone (ALCA) und überhaupt von dessen Politik auszudrücken. So war denn neben den Anti-ALCA-Plakaten häufig die direkt an Bush gerichtete Losung "Sie sind der Terrorist!" zu sehen.

Der Zug der Morgendämmerung

Aus Buenos Aires war auch ein ganz besonderer Zug mit viel Prominenz an Bord gekommen, um an der Protestveranstaltung teilzunehmen: "El Tren del Alba". Dieser Name bedeutet nicht nur "Zug der Morgendämmerung" er kam tatsächlich, nach siebenstündiger Fahrt, um ½ 7 Uhr morgens in Mar del Plata an - , sondern auch "ALBA-Zug". ALBA sind im Spanischen die Anfangsbuchstaben der von Chávez gepushten "Bolivarianischen Alternative für Amerika", einem Gegenprojekt zu Bushs Gesamtamerikanischer Freihandelszone ALCA. ALBA ist jedoch nicht in erster Linie ein Projekt der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, sondern ein politisches Projekt, das auf einen "Sozialismus für das 21. Jahrhundert" abzielt.

Der Star des ALBA-Zuges war Diego Maradona, Argentiniens bekannter Fußballstar, der sich an die Spitze der Proteste gegen den US-Präsidenten gestellt hatte. Mit ihm reisten der bolivarianische Oppositionsführer Evo Morales, der serbische Filmemacher Emil Kusturica und viel Prominenz der argentinischen Linken, die sich wenigstens im Zug der Morgendämmerung zusammensetzen konnten ...

"Al carajo el ALCA Zum Teufel mit ALCA!"

Unter den Klängen karibischer Musik war der Demonstrationszug zum Fußballstadion gezogen, wo dann Stars der lateinamerikanischen Protestmusik und der kubanischen Nueva Trova die vielen Tausenden Menschen erwarteten: der Chilene Pancho Villa und die Kubaner Amaurí Pérez und Silvio Rodríguez, Daniel Viglietti aus Uruguay. Von einem riesigen Transparent blickte der legendäre Che auf die Menge.

Die ecuadorianische Indígena Blanca Canchoso las die Schlusserklärung des "III. Gipfels der Völker" vor. Hugo Chávez bat sie um Kopien des Dokumentes, um sie dann seinen Amtskollegen beim "anderen Gipfel" vorzulegen. Und dann begann der venezolanische Präsident, der sich immer mehr als Führer einer neuen lateinamerikanischen Linken profiliert, seinen mit Spannung erwarteten Vortrag.

Zu Beginn seiner Ansprache berichtete Chávez, es habe ihn gerade Fidel aus Kuba angerufen und ihm mitgeteilt, er würde im Fernsehen die Übertragung der Protestveranstaltung miterleben. Kuba ist kein Mitgliedsland der Organisation Amerikanischer Staaten und wird somit nie zu den OAS-Treffen eingeladen.

Der venezolanische Präsident ließ es in seiner fast 2 ½-stündigen Rede an starken Sprüchen nicht fehlen. "ALCA ist tot, wir müssen es begraben. Und der Nächste, den wir begraben werden, wird der Kapitalismus sein." "Wir haben eine zweifache Aufgabe: ALCA und das kapitalistisch-imperialistische Wirtschaftsmodell zu begraben wir müssen aber auch die Geburtshelfer einer neuen Zeit, einer neuen Geschichte, einer neuen Integration sein, nämlich von ALBA, der 'Bolivarianischen Alternative für die Amerikas'."

Chávez erinnerte an die 'Allianz für den Fortschritt', die der damalige Präsident John Kennedy vor 44 Jahren gestartet hatte, um Hunger und Unterentwicklung in Lateinamerika auszurotten. "Wieso überlegt ihr euch nicht wieder Initiativen wie diese", wandte er sich rhetorisch an die Regierung der Vereinigten Staaten, "anstatt uns einen mörderischen Freihandel aufzudrängen, der in den letzten 20 Jahren zu einem Ansteigen der Armut und des Todes in Lateinamerika geführt hat?"

Zum Abschluss rief Chávez dem begeisterten Publikum zu: "Ich gehe nun zum anderen Gipfel und werde eure Worte mitnehmen!"

Bushs Scheitern

Der "andere Gipfel" war das 4. Gipfeltreffen der Organisation Amerikanischer Staaten, an dem die Staats- und Regierungschefs von 34 Ländern teilnahmen. Schon im Vorfeld hatte sich abgezeichnet, dass die Stimmung gegen eine Neuaufnahme der Verhandlungen zu einem Gesamtamerikanischen Freihandelsabkommen sein werde, dennoch präsentierte US-Präsident Bush das ALCA-Projekt als seinen wichtigsten Programmpunkt. Und fuhr damit einen völligen Fehlschlag ein. Auch wenn Mexikos Staatschef Vicente Fóx der sich auf dem Gipfel wie ein Statthalter von Bush gab und die Vertreter der zentralamerikanischen und einiger südamerikanischer Länder für ALCA aussprachen, so waren wirtschaftlich und politisch mächtige Staaten wie neben Venezuela Brasilien und Argentinien gegen neuerliche Verhandlungen. Auch die Wirtschaftsunion Mercosur der neben Argentinien und Brasilien auch Paraguay und Uruguay angehören sprach sich als Organisation dagegen aus.

Schon bei der Eröffnungsrede des OAS-Gipfels hatte der argentinische Präsident Nestor Kirchner in ungewöhnlich klarer und ungeschminkter Sprache dem ALCA-Projekt eine Absage erteilt. Der Staatschef hob die verhängnisvolle Rolle des Internationalen Währungsfonds hervor, den er, zusammen mit den nationalen Eliten, für das soziale Drama verantwortlicht machte, das Lateinamerika heute erlebe. Kirchner änderte seine Position auch nach einem 50-minütigen Gespräch mit Bush unter vier Augen nicht. Und Brasiliens Präsident Lula, den Bush anschließend an Argentinien besuchte, blieb bei seiner Forderung, vor einer Wiederaufnahme der ALCA-Verhandlungen müssen die USA ihre Agrarsubventionen abbauen und andere wirtschaftliche Zugeständnisse machen.

So musste der Präsident der mächtigsten Nation der Welt das argentinische Seebad als ein Gescheiterter verlassen. Bis jetzt hatte ihm und seinen Vorgängern der Protest gegen die Politik der USA nur auf den Straßen entgegengeschlagen erstmals sieht er sich nunmehr mit einem starken und wachsenden Widerstand auf der politischen Ebene konfrontiert.

Weitere Infos gibt es auf www.prensadefrente.org und
http://argentina.indymedia.org.


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