Miriam Holzapfel, Karin Königenglish

Chronik der Anti-Globalisierungsproteste

15 bis 17. November 1975

Der erste Weltwirtschaftsgipfel (G7) findet auf Anregung des französischen Ministerpräsidenten Giscard d'Estaing in Rambouillet statt. Teilnehmerländer sind die USA, Kanada, Japan, Frankreich, Großbritannien, Italien und die Bundesrepublik Deutschland. Das Gipfeltreffen ist vor allem eine Reaktion auf die im Herbst 1973 ausgebrochene Ölkrise mit ihren negativen Konsequenzen für die Weltwirtschaft.

2. bis 28. Juni 1976

Um den Zusammenhalt der westlichen Industrienationen zu stärken, treffen sich die Teilnehmer des 2. Weltwirtschaftsgipfels (G7) in San Juan (Puerto Rico).

7. bis 8. Mai 1977

Auf dem 3. Weltwirtschaftsgipfel (G7) in London sprechen sich die Regierungschefs für einen verstärkten Ausbau der Atomenergie aus.

16. bis 17. Juli 1978

In Bonn beschließt der 4. Weltwirtschaftsgipfel (G7) Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft und berät über eine allgemeine Strategie gegen die Arbeitslosigkeit.

28. bis 29. Juni 1979

Der 5. Weltwirtschaftsgipfel (G7) in Tokio wird von den erneuten Ölpreissteigerungen und der Notwendigkeit beherrscht, eine gesicherte Energieversorgung zu gewährleisten.

22. bis 23. Juni 1980

Die sieben Regierungschefs setzen sich auf dem 6. Weltwirtschaftsgipfel in Venedig als Ziel, den Erdölverbrauch bis 1990 zu drosseln. - In Rom werden alle Demonstrationen, die sich gegen den anwesenden US-Präsidenten Jimmy Carter richten, von der italienischen Regierung verboten.

20. bis 21. Juli 1981

Im Vordergrund des 7. Weltwirtschaftsgipfels (G7) in Ottawa stehen wirtschaftliche Themen wie Arbeitslosigkeit, Inflation, Schutzzoll-Maßnahmen, Energie und der Nord-Süd-Dialog.

4. bis 6. Juni 1982

Auf dem 8. Weltwirtschaftsgipfel (G7) in Versailles beschließen die Regierungschefs gemeinsame Aktionen in Wirtschafts- und Währungsfragen, Technologie und Beschäftigung. - Am 5. Juni demonstrieren in Paris 20 000 Rüstungsgegner für den Frieden und gegen die Anwesenheit von US-Präsident Ronald Reagan in ihrer Stadt. An der Bastille kommt es dabei zu Zusammenstößen mit der Polizei. In der Nacht zuvor war durch die "Action direct" ein Anschlag auf die Pariser Vertretung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds durchgeführt worden. Auf die amerikanische Schule in Paris flog außerdem ein Molotowcocktail.

28. bis 30. Mai 1983

Im Mittelpunkt des 9. Weltwirtschaftsgipfels (G7) in Williamsburg (USA) steht die Sicherheits- und Wirtschaftspolitik.

7. bis 8. Juni 1984

Auf ihrem 10. Weltwirtschaftsgipfel (G7) in London gelingt es den westlichen Industrienationen nicht, ein gemeinsames Konzept für die Umschuldung der Dritten Welt zu erstellen. Ein Kommuniqué über den internationalen Terrorismus, die Ost-West-Beziehungen sowie den iranisch-irakischen Krieg und seine Auswirkungen auf die Schiffahrt im Golf wird jedoch verabschiedet. - Unter dem Titel "Globale Herausforderung: Raus aus der Krise, raus aus der Armut "findet zur gleichen Zeit ein alternativer Weltwirtschaftsgipfel mit Politikern und Wirtschaftlern aus Europa, den USA und der Dritten Welt statt.

2. bis 4. Mai 1985

Der 11. Weltwirtschaftsgipfel (G7) in Bonn wird durch die Unstimmigkeit zwischen den USA und Frankreich und vor allem das doppelte "Nein" Frankreichs zur strategischen Weltraumverteidigung (SDI) bestimmt. Anläßlich des 40. Jahrestages der Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands im Zweiten Weltkrieg erklären die sieben Staats- und Regierungschefs, die Wiedervereinigung Deutschlands sei legitim.- Den Auftakt der Proteste gegen das Gipfeltreffen bilden am 2. Mai Aktionen vor den Filialen der Deutschen Bank. Am 3. Mai führt ein von den Grünen und unabhängigen Friedensgruppen getragenes Aktionsbündnis "Für eine Welt ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Intervention" ein "Tribunal gegen den Weltwirtschaftsgipfel" in der Stadthalle von Bad Godesberg durch. Beherrschendes Thema der 800 Teilnehmer ist das von den USA gegenüber Nicaragua verhängte Wirtschaftsembargo. Zum Ende des "Gegengipfels" erzwingen mehrere Hundertschaften der Polizei die Durchsuchung aller vor dem Tagungsort parkenden Personenwagen. Am 4. Mai nehmen unter der Parole "Keine Ruhe für den Gipfel" mehr als 25 000 Teilnehmer an einer Demonstration teil. Der zunächst friedlich verlaufene Umzug endet mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Teilen der Demonstranten und der Polizei, die mit 5000 Mann im Einsatz ist. Einige Demonstranten werden dabei schwer, elf Polizisten leicht verletzt. Es kommt außerdem zu 60 Festnahmen und einem Glasschaden von rund 100 000 Mark.

4. bis 6. Mai 1986

In Tokio beschließen die sieben Regierungs- und Staatschefs des 12. Weltwirtschaftsgipfels eine engere Koordinierung der Wirtschaftsbeziehungen und treten für eine Intensivierung der Terrorismusbekämpfung, der nuklearen Sicherheit und für die Weiterführung des Ost-West-Dialogs ein. - Die japanische Organisation Kakumaei-Gun bezeichnet in Flugblättern das Gipfeltreffen als "kapitalistischen Komplott" zur Anzettelung eines Weltkriegs. Sie bekennt sich zu einem Raketenanschlag, der über das Gästehaus der japanischen Regierung hinweggefeuert worden und in der Nähe der kanadischen Botschaft explodiert ist. Die Raketen richteten allerdings keinen Schaden an.

8. bis 10. Juni 1987

Zu ihrem 13. Weltwirtschaftsgipfel treffen sich in Venedig die Regierungschefs der G7-Staaten, um neben wirtschaftlichen Fragen politische Themen wie die Lage in Afghanistan, die Menschenrechte in der Sowjetunion und die Sicherung der Öltransporte im Persischen Golf zu diskutieren. Aus diesem Anlaß versammeln sich in der Lagunenstadt mehrere tausend Demonstranten, deren Protest vornehmlich an den amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan adressiert ist. - In Rom explodieren am zweiten Tag der Verhandlungen vor der britischen und der US-amerikanischen Botschaft Bomben, Menschen werden dabei nicht verletzt. Zu den Anschlägen bekennen sich die "Internationalen Antiimperialistischen Brigaden".

19. bis 21. Juni 1988

In Toronto treffen sich die Regierungsvertreter der G7-Staaten sowie eine Delegation der EG-Kommission zum 14. Weltwirtschaftsgipfel. Ein Schwerpunkt der Gespräche ist der grundlegende Wandel der internationalen Beziehungen durch die Verbreitung der Informationstechnologie und die zunehmende Globalisierung der Märkte. - Parallel zum Gipfeltreffen nehmen rund 500 Vertreter von internationalen Dritte-Welt- und Umweltgruppen am "Other Economic Summit" teil.

18. August 1988

Gegen den geplanten Bau von Staudämmen am indischen Narmada-Fluß, der die Lebensgrundlage von über einer Million Menschen sowie verschiedene Ökosysteme bedroht, finden in Indien die ersten großen koordinierten Proteste statt. Zentrale Figur des Widerstands wird Medha Patkar, die 1989 die Bewegung "Narmada Bachao Andolan" (Rettet die Narmada) ins Leben ruft und dafür zahlreiche internationale Mitstreiter gewinnt. Maßgeblich beteiligt an der Finanzierung des Bauvorhabens ist die Weltbank.

26. bis 29. September 1988

In West-Berlin tagen der Internationale Währungsfonds (IWF) und Vertreter der Weltbank. Rund 150 internationale Organisationen, darunter zahlreiche entwicklungspolitische und kirchliche Gruppen, Gewerkschaften und Parteien, haben zu Protestveranstaltungen aufgerufen, an denen sich insgesamt über 80 000 Menschen beteiligen. Am Rande der Demonstrationen kommt es neben Straßenblockaden zu Steinwürfen und Farbbeutelanschlägen auf Banken und auf Hotels, in denen die Tagungsteilnehmer vermutet werden. Des weiteren werden Autos in Brand gesetzt. Die Polizei setzt Schlagstöcke, Wasserwerfer und Räumpanzer ein, zahlreiche Personen werden bei den Einsätzen verletzt. Ein "Alternativer Ermittlungsausschuß" berichtet von über 936 Verhaftungen. - In Hamburg versammeln sich 1800 Menschen, um friedlich gegen die Berliner Tagung zu protestieren; in Bremen, Göttingen und anderen deutschen Großstädten werden jeweils einige hundert Demonstranten gezählt.

17. bis 27. September 1990

In Washington D. C. kommen IWF und Weltbank zu einer Tagung zusammen. Am Eröffnungstag der Konferenz protestieren etwa 80 Demonstranten vor dem Versammlungsgebäude, am gleichzeitig stattfindenden Alternativforum nehmen etwa 150 Globalisierungsgegner[1] teil.

29. bis 30. September 1990

Anläßlich der von den Vereinten Nationen in New York organisierten Weltgipfelkonferenz über die Lage von Kindern marschieren 400 indische Kinder nach Neu-Delhi, um gegen Kinderarbeit zu protestieren und die internationale Gemeinschaft dazu zu bewegen, keine von Kindern angefertigten Produkte zu kaufen.

3. Dezember 1990

Während in Brüssel die Schlußkonferenz der Gatt-Welthandelsrunde beginnt, veranstalten Globalisierungsgegner unter dem Titel "Gattastrophe" eine Gegenkonferenz. Über 10 000 Bauern aus Europa sowie Delegationen aus den USA, Japan und Südkorea versammeln sich zu einer Demonstration, die von 3500 belgischen Polizisten begleitet wird. - Bereits im Vorfeld der Konferenz ist es zu weltweiten Protesten gekommen. In Argentinien demonstrieren Tausende Bauern gegen das Abkommen, ebenso in Japan und in der Schweiz. In den USA schließt sich eine landesweite Koalition aus Umwelt- und Verbraucherorganisationen zur "Arbeitsgemeinschaft über Handel und eine ökologisch nachhaltige Entwicklung" zusammen.

1. Juli 1991

Rund 50 000 japanische Bauern kommen in Tokio zusammen, um gegen die Aufhebung des Reisimportverbotes, das unvereinbar mit den internationalen Handelsvorschriften des Gatt ist, zu demonstrieren.

15. bis 17. Juli 1991

In London empfangen die Präsidenten der führenden Industriestaaten auf ihrem jährlichen Gipfeltreffen als Gast den sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow. Das G7-Treffen hat sich damit zum G7 - plus-1-Gipfel ausgeweitet.

6. bis 8. Juli 1992

Die Regierungschefs der G7-Mitgliedsstaaten sowie Vertreter der EG Kommission treffen sich zum Wirtschaftsgipfel in München. Als Nachfolger von Staats- und Regierungschef Gorbatschow ist erstmals auch Boris Jelzin anwesend. - Am Wochenende vor Konferenzbeginn ist es zu einer überwiegend friedlichen Großdemonstration mit rund 17 000 Teilnehmern gekommen, bei der an die von offizieller Seite nicht zur Verhandlung stehenden Themen wie Verschuldung der Dritten Welt, Zerstörung der Umwelt und Vernichtung alter Kulturen erinnert worden ist. Als sich zum Auftakt der Konferenz noch immer mehrere tausend Demonstranten in der Nähe des Konferenzortes aufhalten, werden in einem Polizeikessel von mehreren Hundertschaften der Sicherheitskräfte knapp 500 Personen festgenommen. Am darauffolgenden Tag nehmen wieder 6000 Globalisierungsgegner an Protestveranstaltungen teil, bei denen der Rücktritt des Innenministers Stoiber und des Münchner Polizeipräsidenten Koller gefordert wird. Unterdessen beraten sich die Staatsvertreter hinter verschlossenen Türen über die Konjunkturschwäche ihrer Heimatländer und die bedrohliche Lage in Ex-Jugoslawien.

16. September 1992

In Bonn blockieren einige Dutzend Demonstranten einen Tag vor Auftakt der Herbsttagung der Weltbank den Zufahrtsweg zum Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die Blockadeaktion wird unter anderen koordiniert von der "Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt", von "Regenwald und Artenschutz", dem BUND und Robin Wood und richtet sich gegen den Bau von Staudämmen am indischen Narmada-Fluß.

1. Dezember 1992

Anläßlich des geplanten Gatt-Kompromisses zwischen der EG und den USA rufen europäische Bauernverbände zu Demonstrationen in Straßburg auf. Diesem Appell folgen 40 000 Bauern, die vor allem aus Deutschland und Frankreich kommen, aber auch aus Japan, Südkorea und Kanada. Die Polizei setzt Schreckschußgranaten ein. Als ein Demonstrant eine der Granaten aufheben will, wird ihm die Hand abgerissen. Es entstehen außerdem Sachschäden in Höhe von 235 000 DM.

3. bis 4. März 1993

In Neu-Delhi versammeln sich Zehntausende indischer Landwirte zu zweitägigen Protestdemonstrationen gegen die Gatt-Verträge, die eine Patentierung von Saatgut vorsehen und so den transnationalen Konzernen ein Monopol beim Verkauf ertragreicher Sorten verschaffen.

7. bis 9. Juli 1993

Bereits zum dritten Mal in der Geschichte der Weltwirtschaftsgipfel finden die Gespräche der sieben führenden Wirtschaftsnationen in Tokio statt. Der russische Präsident Boris Jelzin ist wie im Vorjahr als Gast anwesend.

27. November 1993

Gegen eine Öffnung des südkoreanischen Reismarktes protestieren in Seoul zahlreiche Reisbauern, die von Oppositionsparteien unterstützt werden. Dabei kommt es zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei.

4. Dezember 1993

Mehrere tausend Bauern aus der Schweiz, aus Frankreich, Spanien, Japan, Indien, Kanada und den USA demonstrieren vor dem Gatt-Gebäude in Genf gegen den Freihandelsvertrag. Die Bauern befürchten, daß das Abkommen ihre traditionellen Lebensformen zerstören wird.

15. Dezember 1993

Um 24 Uhr Washingtoner Ortszeit läuft die Frist zur Fertigstellung des mehrere hundert Seiten starken Gatt-Vertragswerkes ab. Während die Unterhändler der Mitgliedsstaaten in Genf konferieren, gehen in Asien Tausende Studenten und Bauern auf die Straßen, um gegen die geplante Liberalisierung des Weltmarktes zu demonstrieren. - In Indien brechen, nachdem bekannt wird, daß Premierminister Rao sein Einverständnis mit dem Gatt-Ergebnis erklärt hat, Tumulte aus. - In Seoul kommt es zu Straßenschlachten zwischen Demonstranten und der Polizei. Führende indische und pakistanische Politiker monieren, daß die USA ihre Zölle auf Textilien nicht stark genug senken wollen. - In Genf fordern Greenpeace-Mitglieder im Rahmen einer Demonstration die Teilnehmerstaaten auf, ihre im Juni 1992 beim "Umwelt- und Entwicklungsgipfel" in Rio de Janeiro gemachten Versprechungen einzulösen.

1. Januar 1994

Als das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) zwischen den USA, Kanada und Mexiko in Kraft tritt, besetzt die Zapatistische Befreiungsarmee EZLN, angeführt von Subcommandante Marcos, mehrere Dörfer im südostmexikanischen Bundesstaat Chiapas. Sie will damit auf die durch den Pakt befürchtete verstärkte Ausbeutung der Bevölkerung aufmerksam machen und ein Zeichen gegen die globale Wirtschaftsordnung setzen. Unter den Rebellen befinden sich auch Frauen und Kinder. - Im Zuge der Auseinandersetzungen mit den mexikanischen Streitkräften, die mit knapp 12 000 Soldaten in das Krisengebiet vorgedrungen sind, kommt es zu schweren Feuergefechten und Bombardements. In den besetzten Ortschaften werden Geschäfte geplündert und in Brand gesetzt. Vor allem in den Reihen der EZLN, aber auch in denen der Streitkräfte kommt es zu zahlreichen Todesopfern. Nach zwölf Tagen endet der Aufstand mit einem Waffenstillstand.

5. bis 6. April 1994

Im Hinblick auf die bevorstehende Unterzeichnung des Gatt-Abkommens zur Liberalisierung des Welthandels protestieren in Neu-Delhi zwei Tage lang über 150 000 Inder gegen das Vertragswerk. Die Polizei antwortet auf Pfeil-, Stein- und Sandalenwürfe der Demonstranten mit Wasserkanonaden und Tränengas. Die Auseinandersetzungen fordern 80 Verletzte, darunter mehrere Polizisten, die von Pfeilen getroffen werden.

15. April 1994

Nach siebenjährigen Verhandlungen der 122 Mitgliedsstaaten über das Gatt wird in Marrakesch das Abkommen über die Liberalisierung des Welthandels unterzeichnet. Damit ist zugleich der Grundstein für die neue Welthandelsorganisation WTO, die ab 1995 das Gatt ablöst, gelegt. - Schon im Vorfeld haben die Industriestaaten, allen voran die USA und Frankreich, auf eine Klausel zum Sozialdumping gedrängt. Diese wird vor allem von Indien und anderen asiatischen Staaten abgelehnt.

8. bis 10. Juli 1994

Das alljährliche Treffen der G7-Regierungschefs findet in Neapel statt. Als Vertreter der Russischen Föderation nimmt zum dritten Mal Präsident Boris Jelzin an den Gesprächen teil. Im historischen Rathaus der italienischen Hafenstadt wird parallel der Gegengipfel "Eco-Summit" veranstaltet.

9. bis 10. Dezember 1994

Die Regierungschefs der Europäischen Union versammeln sich zum Gipfel in Essen. Eine von einem breiten Linksbündnis für den 10. Dezember, dem zweiten Tag des Gipfels, angekündigte Großdemonstration wird aufgrund der erwarteten Teilnahme einer "großen Zahl von autonomen, extremistischen und gewaltbereiten" Personen verboten. - Aus Furcht vor Terroranschlägen hat die Polizei bereits im Vorfeld scharfe Sicherheitsvorkehrungen getroffen: Gullydeckel werden zugeschweißt, Mülleimer demontiert. 8000 Polizisten, darunter Einheiten des Sondereinsatzkommandos (SEK),sind vor Ort. - Als am 10. Dezember dennoch demonstriert wird, kesselt die Polizei die Teilnehmer ein und nimmt 918 von ihnen fest. - Der eurokritische Gegengipfel am 11. Dezember verläuft dagegen ohne Zwischenfälle.

30. Mai bis 2. Juni 1996

Unter dem Motto "Ya basta - jetzt reicht's!" nehmen am "Kontinentalen Treffen für eine menschliche Gesellschaft und gegen den Neoliberalismus" in Berlin rund 1000 Besucher aus 26 europäischen Ländern teil. Veranstalter des Treffens ist die Mexiko-Gruppe des Berliner Forschungs- und Dokumentationszentrums Chile und Lateinamerika.

27. Juli bis 3. August 1996

Im mexikanischen Bundesstaat Chiapas findet auf Einladung der EZLN das "Erste Interkontinentale Treffen für eine menschliche Gesellschaft und gegen Neoliberalismus" statt. Mehrere tausend Menschen aus über 100 Staaten nehmen an dem Kongreß teil und beteiligen sich an Grundsatzdiskussionen über Neoliberalismus und mögliche Formen des Widerstands.

14. bis 15. Juni 1997

Rund 50 000 Menschen kommen in Amsterdam anläßlich des EU-Gipfeltreffens der 15 Regierungschefs zusammen, um gegen die als unsozial eingeschätzten Beschlüsse zu protestieren. Vertreter von Sozialverbänden, Gewerkschaften, Frauen- und Lesbierinnengruppen, Umwelt- und Jugendverbänden haben zu der Demonstration aufgerufen, an deren Rand es durch Steinwürfe und Sabotageakte zu kleineren Sachschäden kommt. Mehrere hundert Personen werden dabei festgenommen.

25. Juli bis 3. August 1997

Das zweite "Interkontinentale Treffen für die Menschlichkeit und gegen den Neoliberalismus" findet in mehreren Ortschaften Spaniens statt. Der Einladung der EZLN und der diversen Solidaritätkomitees sind knapp 4000 Menschen aus der ganzen Welt gefolgt. Während einer Woche werden in Arbeitsgruppen Themen wie Umweltschutz, Ökonomie, Kultur, Patriarchat, Ökologie und Marginalisierung mit dem Ziel diskutiert, eine Vernetzung der unterschiedlichen Widerstandsbewegungen zu erreichen.

17. Januar 1998

Angeführt von Gewerkschaftern und Kinderrechtsaktivisten, beginnt in Manila der "Global March Against Child Labour", an dem über 10 000 Menschen, vor allem Kinder, teilnehmen. Bis zum 3. Mai führt ein Marsch durch mehrere asiatische Länder. Am 3. Juni treffen sie zum Auftakt der 86. Internationalen Arbeitskonferenz ILO in Genf mit Marschgruppen aus anderen Erdteilen zusammen. Ziel der Kampagne ist die Mobilisierung der Weltöffentlichkeit gegen Kinderarbeit.

23. bis 25. Februar 1998

Zur Gründung des weltweiten Netzwerkes "Peoples' Global Action" (PGA) versammeln sich in Genf 400 Abgesandte verschiedener globalisierungskritisch eingestellter Organisationen aus allen fünf Kontinenten. Anstoß für das Treffen ist das von den OECD-Ländern verhandelte Multilaterale Abkommen über Investitionen (MAI).

2. Mai 1998

Im indischen Hyderabad demonstrieren mehrere hunderttausend Menschen gegen die WTO, darunter zahlreiche Arbeiter und Bauern. Sie fordern den Rückzug Indiens aus der Welthandelsorganisation.

15. bis 17. Mai 1998

Erstmals findet der Weltwirtschaftsgipfel unter Beteiligung der Russischen Föderation statt und trägt daher fortan den Titel "G8-Gipfel". Im Veranstaltungsort Birmingham protestieren Zehntausende, darunter zahlreiche Mitglieder von Umwelt- und Sozialorganisationen, gegen das Treffen. Parallel zum Gipfel finden in über 100 Städten weltweit von der "Peoples' Global Action" (PGA) organisierte Aktionstage statt.

16. Mai 1998

Einem Aufruf der PGA folgen mehrere tausend Globalisierungsgegner und protestieren in Genf gegen die dort am 18. Mai beginnende 3. WTO-Ministerkonferenz. Bei Ausschreitungen gehen Schaufensterscheiben zu Bruch, mehrere Autos werden angezündet. Die Polizei nimmt über 20 Personen fest.

3. Juni 1998

Die französische Wochenzeitung "Le Monde Diplomatique" gibt in Paris den Anstoß zur Gründung von "Attac". Das Kürzel steht für "Action pour une taxation des transactions financiers pour l'aide aux citoyens" (Aktion für eine Tobin-Steuer als Bürgerhilfe). Damit ist die Idee bezeichnet, die globale Wirtschaftsentwicklung durch die Besteuerung von Kapitalgewinnen (Tobin-Steuer) einzudämmen.

17. Oktober 1998

Beim ersten landesweiten Treffen von "Attac" kommen in La Ciotàt nahe der französischen Hafenstadt Marseille rund 1500 Mitglieder zusammen.

Mai/Juni 1999

500 indische Bauern reisen zusammen mit 100 Vertretern aus anderen Ländern der Dritten Welt durch Europa, um auf die Auswirkungen des globalen Wirtschaftssystems auf ihre Lebensbedingungen hinzuweisen. Die "Interkontinentale Karawane für Solidarität und Widerstand "wird von der PGA koordiniert.

3. Juni 1999

In Köln beginnt ein EU-Gipfeltreffen, gegen das bereits am 29. Mai europaweit demonstriert worden ist. Der Gegengipfel wird zum überwiegenden Teil von Delegierten aus Erwerbslosen-, Gewerkschafts- und Antirassismusgruppen besucht, die ihren Forderungen nach tariflich entlohnten Arbeitsplätzen und Arbeitszeitverkürzung Ausdruck verleihen.

18. bis 20. Juni 1999

Zum G8-Gipfel in Köln versammeln sich mehrere zehntausend Gegendemonstranten. An einer von der Kampagne "Erlaßjahr 2000" organisierten Menschenkette beteiligen sich 35 000 Menschen, die vorübergehend das Verhandlungszentrum des Wirtschaftsgipfels einkreisen.

30. November bis 3. Dezember 1999

Während der Tagung der Welthandelsorganisation (WTO) beraten 135 Nationen in Seattle über die weitere Senkung von Handelsbarrieren. Schon am Morgen des 30. November beginnen erste Gegendemonstrationen. Im Laufe des Tages protestieren 40 000 Menschen gegen die WTO-Tagung. Militante Demonstranten stören die Anfahrt der Konferenzteilnehmer, indem sie Straßenkreuzungen blockieren und sich aneinanderketten. Es gelingt ihnen sogar, das feierliche Eröffnungszeremoniell zu verhindern. Dabei kommt es zu schweren Straßenschlachten mit der Polizei, die mit Tränengas vorgeht. Mindestens 60 Personen werden verhaftet. Seattles Bürgermeister verhängt daraufhin ein nächtliches Ausgehverbot und fordert die Nationalgarde an. Während der nächsten Tage gehen die Demonstrationen weiter. Die Polizei nimmt rund 450 Teilnehmer fest. Die WTO-Tagung scheitert schließlich, weil sich die 135 Mitgliedsstaaten auf keine Tagesordnung für eine Verhandlungsrunde zur weiteren Öffnung des Welthandels einigen können. "The Battle of Seattle" geht als die größte Demonstration in den USA seit den Tagen der Bürgerrechtsbewegung und der Vietnamproteste in die Geschichte ein.

27. Januar bis 1. Februar 2000

Auf dem 30. Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos, an dem auch US Präsident Bill Clinton teilnimmt, kommt es trotz strenger Sicherheitsvorkehrungen zu Protesten von rund 1000 Gegnern. Hunderte von Polizisten und 70 Soldaten versuchen am 29. Januar, die Teilnehmer einer verbotenen Demonstration unter Einsatz von Wasserwerfern, Tränengas und Warnschüssen vom Tagungsort fernzuhalten. Doch die Aktivisten durchbrechen bei ihrem Marsch in Richtung Kongreßzentrum drei Polizeisperren. Bei den Ausschreitungen, zum Beispiel gegen eine Filiale von McDonald's, entstehen Sachschäden in Höhe von 100 000 Franken.

16. bis 18. April 2000

Die Frühjahrstagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds in Washington D. C. wird von massiven Auseinandersetzungen begleitet. Schon Tage vor der Konferenz sind bei Demonstrationen mehr als 1000 Globalisierungsgegner für einige Stunden festgenommen worden. Gegen die rund 20 000 Protestierenden werden Tränengas, Pfeffergas und Polizeiknüppel eingesetzt. Trotzdem tragen die Demonstrationen karnevalistische Züge; denn viele der Teilnehmer haben sich phantasievoll verkleidet. Es werden überdimensionale Puppen mitgeführt, die das internationale Kapital versinnbildlichen sollen.

21. bis 23. Juli 2000

In Okinawa treffen sich die acht Staats- und Regierungschefs sowie der Präsident der Europäischen Kommission zum 26. Weltwirtschaftsgipfel (G8). Zu ihrem Schutz sind 22 000 Ordnungskräfte eingesetzt. Um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu nutzen, legen 27000 Demonstranten eine Menschenkette um die US-Militärbasis Kadena auf Okinawa. Sie fordern den Abzug der auf der Insel stationierten US-Soldaten.

11. bis 13. September 2000

In Melbourne tagt als Nachfolgetreffen zum Weltwirtschaftsgipfel in Davos das Asia Pacific Economic Summit (das asiatisch-pazifische Weltwirtschaftsforum). Gegen die Konferenz protestieren mehrere tausend Globalisierungsgegner. Es sind 2000 Ordnungskräfte im Einsatz. Als die Polizei gewaltsam eine Blockade von Demonstranten vor dem Kongreßzentrum durchbricht, werden etliche von ihnen erheblich verletzt.

26. bis 27. September 2000

Die Jahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds findet in Prag statt. - Auf Einladung des tschechischen Präsidenten Václav Havel trafen sich schon am 23. September Vertreter von Weltbank und IWF zu einer Podiumsdiskussion mit Anti-Globalisierungs-Gruppen. Diese fordern den neuen Generaldirektor des Internationalen Währungsfonds Horst Köhler und den Weltbank-Chef James Wolfensohn auf, einen vollständigen Schuldenerlaß für die ärmsten Länder der Welt durchzusetzen. - Am 23. und 24. September beteiligen sich mehrere tausend Teilnehmer an friedlichen Protesten in der Prager Innenstadt. - Die Jahrestagung wird von etwa 11000 Polizisten und Soldaten geschützt. Gegen die insgesamt 15 000 Demonstranten gehen sie mit Panzern, Wasserwerfern, Tränengas und Gummiknüppeln vor. Es kommt zu regelrechten Straßenschlachten. Polizeiwagen werden in Brand gesetzt. Für zwei Stunden wird das Kongreßzentrum von Demonstrierenden blockiert. 30 Personen werden bei den Auseinandersetzungen verletzt, davon 20 Polizisten. Die Scheiben amerikanischer Einrichtungen gehen zu Bruch .Es werden 420 Personen verhaftet, davon 130 Ausländer, unter ihnen wiederum 18 Deutsche. - Vom 22. bis 24. September findet in Prag der von Inpeg (Initiative gegen ökonomische Globalisierung) organisierte Gegengipfel "Soziale Bewegungen und Globalisierung" statt.

7. bis 10. Dezember 2000

Der EU-Gipfel in Nizza wird von 100 000 Protestierenden, in der Mehrzahl französische Gewerkschaftler, massiv gestört. Es kommt zu schweren Straßenschlachten. 11000 Polizisten setzen Tränengas und Schlagstöcke ein. Autos werden in Brand gesetzt. Auch eine Bankfiliale wird angezündet. - Bereits am 5. Dezember war es im Vorfeld in Nizza zu einer Demonstration von 60 000 überwiegend französischen Gewerkschaftlern gekommen.

25. bis 30. Januar 2001

Das 31. Weltwirtschaftsforum findet in Davos statt. Der Tagungsort ist aus Sicherheitsgründen hermetisch abgeriegelt. Trotzdem kommt es zur Auseinandersetzung mit 200 bis 300 Demonstranten, die bei Minustemperaturen mit Wasserwerfern traktiert werden. Statt in Davos wird in Zürich protestiert. Die Polizei setzt Gummigeschosse und Tränengas ein. Autos und Schaufenster werden demoliert. Die Sachschäden betragen mehrere hunderttausend Franken. Es kommt zu rund 100 Verhaftungen. - 1200 Personen nehmen an der Gegenkonferenz "Das andere Davos" teil.

25. bis 30. Januar 2001

In Porto Alegre treffen sich 15 000 Aktivisten aus 122 Ländern zum ersten Weltsozialforum, dem Gipfel der Globalisierungsgegner.

20. bis 23. April. 2001

Der Wirtschaftsgipfel 34 amerikanischer Staaten zur Errichtung einer panamerikanischen Freihandelszone (FTAA) tagt in Quebec. Weit über über 30 000 Protestierende nehmen an einem "Marsch des Volkes" teil. Dabei kommen 600 Polizisten zum Einsatz, die mit Wasserwerfern, Tränengas und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vorgehen. Es fliegen Steine und mit Sand gefüllte Flaschen, aber auch Brandsätze; Absperrzäune und Mauern werden niedergerissen. 46 Beamte und 57 Aktivisten werden verletzt. Die Polizei nimmt 250 Demonstranten fest. Insgesamt sind 6000 Polizisten während des Treffens im Einsatz. - Am 21. April findet der Gegengipfel der "Völker Amerikas" statt. - Aus Protest gegen den Gipfel in Quebec treffen sich in Sao Paulo rund 1000 Globalisierungsgegner zu einer Kundgebung, die jedoch von Polizeikräften mit Tränengas und Gummiknüppeln aufgelöst wird.

15. bis 16. Juni 2001

Beim EU-Gipfel in Göteborg kommt es vor allem am 14. Juni zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Demonstranten. Das Kongreßzentrum ist mit zwei Meter hohen Containern umstellt. 2000 Polizisten stehen insgesamt 20 000 bis 30 000 Protestierende gegenüber. Die hilflos wirkenden Ordnungshüter agieren unverhältnismäßig gewalttätig. Sie gehen mit Schlagstöcken, Pferden und Hunden vor. Bei den Auseinandersetzungen kommt es zu Verwüstungen. Teile der Innenstadt Göteborgs verwandeln sich in ein Schlachtfeld. Es werden Pflastersteine und Molotowcocktails geworfen. Der Schaden geht in die Millionen. Von den 77 Verletzten, darunter 20 Polizisten, erleiden drei Demonstranten Verwundungen durch Pistolenschüsse der Polizei. 900 Teilnehmer werden verhaftet, Hunderte ausgewiesen, davon wiederum 130 Deutsche. 35 werden nach Deutschland ausgeflogen. Wochen später verurteilt das Amtsgericht Göteborg Gipfelgegner zu hohen Haftstrafen.

25. bis 27. Juni 2001

Die von der Weltbank einberufene Konferenz zur Entwicklungspolitik in Barcelona wird wegen der zu erwartenden Proteste abgesagt. Trotzdem kommt es auf einer Kundgebung mit mehreren tausend Teilnehmern am 24. Juni zu Ausschreitungen. Die Polizei prügelt auch auf Wehrlose ein. Scheiben gehen zu Bruch. 33 Personen werden verletzt, 22 festgenommen. - Vom 22. bis 23. Juni wird ein Gegengipfel organisiert, und in der Zeit vom 25. bis 27. Juni finden Aktionstage statt.

1. bis 3. Juli 2001

Das Weltwirtschaftsforum Osteuropa (WEF) tagt in Salzburg. Im Mittelpunkt stehen Jugoslawien und die osteuropäischen Beitrittsbewerber. Österreichs Grenzen werden verstärkt kontrolliert. An einer Kundgebung und Demonstration am 1 .Juli beteiligen sich 1500 Personen. Am gleichen Tag findet auch ein Gegenkongreß statt. Es sind bis zu 7000 Polizisten in Kampfanzügen im Einsatz. Zahlreiche Demonstranten werden eingekesselt, einige von ihnen gewürgt. Es fliegen Steine. 13 Personen werden verhaftet.

20. bis 22. Juli 2001

In Genua treffen sich die acht Staats- und Regierungschefs sowie der Präsident der Europäischen Kommission zum 27. Weltwirtschaftsgipfel (G8). 10 000 Polizisten und 5000 Spezialisten der italienischen Armee sowie andere Sicherheitsorgane - darunter Fallschirmjäger, Spezialtaucher und Einheiten mit Flugabwehrraketen - sind aufgeboten, um den Tagungsort, einen Palast im Altstadtkern Genuas, zu schützen. Wichtige Bürgerrechte sind schon vorab außer Kraft gesetzt worden. Ein vier Meter hohes Eisengitter teilt die verbotene "rote Zone", in der sich die Staats- und Regierungschefs regelrecht verschanzt haben, vom freien Teil der Stadt ab. Die Bewohner dieses Stadtteils dürfen tagelang keine Besucher empfangen. Scharfschützen besetzen Terrassen und Balkone. Fenster müssen geschlossen bleiben. Aus Sicherheitsgründen übernachten die Staatsgäste auf Kreuzschiffen im Hafen. Der Zug- und Flugverkehr nach Genua ist tagelang ausgesetzt, die Autobahnabfahrten sind gesperrt, der Bus-, der U-Bahn- und der Straßenbahn-Verkehr sind weitgehend eingestellt. In Erwartung ebenso blutiger wie opferreicher Auseinandersetzungen sind 200 Bahren, 200 Bodybags und 300 Plastiksärge bereitgestellt. Die Einreise nach Italien unterliegt strengster Überwachung, viele junge Leute müssen an der italienischen Grenze umgehend ihre Heimreise antreten. Auch in Deutschland werden über 100 Demonstranten auf unterschiedlichste Weise an der Fahrt nach Genua gehindert. Der Bundesgrenzschutz riegelt Bahnhöfe ab, um "potentielle Störer mit linkem Aussehen" (BGS-Jargon) am Betreten der Bahnsteige zu hindern. Beamte kontrollieren Reisebusse auf dem Weg nach Italien bzw. an der Grenze. 81 Personen wird eine tägliche Meldepflicht auferlegt. 79 "Verdächtige" werden von der Polizei zu Hause besucht und eindringlich gewarnt, nach Genua zu reisen. Doch schon am 20. Juli, dem ersten Konferenztag, kommt es in der Innenstadt zu heftigen Straßenschlachten. Dabei wird der dreiundzwanzigjährige Carlo Giuliani beim Versuch, mit einem Feuerlöscher ein Polizeifahrzeug zu stürmen, von einer Polizeikugel tödlich getroffen. In der Nacht vom 21. zum 22. Juli stürmt die Polizei das Quartier des "Genua Sozial Forums", der Dachorganisation der Globalisierungskritiker. Alle Personen, die dort übernachten, werden mit Stahltaschenlampen, Holzknüppeln und Fäusten aus dem Schlaf geprügelt und so schwer verletzt, daß viele ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen. Es kommt außerdem zu zahlreichen Verhaftungen. - Die Bilanz des Weltwirtschaftsgipfels lautet: 300000 Menschen nahmen an Protesten teil. Insgesamt 20000 Polizisten kamen zum Einsatz. 231 Personen, darunter 121 Demonstranten, 94 Polizisten und Carabinieri sowie 16 Journalisten, wurden zum Teil erheblich verletzt. Unter den 288 Verhafteten befinden sich rund 70 Deutsche, die teilweise wochenlang inhaftiert werden. Die Sachschäden betragen rund 100 Millionen Mark. Die Innenstadt sieht wie nach einem Bombenangriff aus. Ganze Zonen der Stadt sind schwer verwüstet: ausgebrannte Autos, beschädigte Fahrzeuge, zerschlagene Fensterscheiben, geplünderte Läden, Bankfilialen und Reisebüros. - In Italien protestieren am 24. Juli mehr als 100000 Menschen gegen das brutale Vorgehen der Polizei in Genua. - Am 20. August, dem "Global Action Day", kommt es weltweit zu Protesten wegen der Inhaftierung von Demonstranten während des G8-Gipfels in Genua. In Deutschland gehen in 32 Städten Globalisierungskritiker auf die Straße.

[1] Zum Begriff siehe Fußnote 2 bei Wolfgang Kraushaar, Die Grenzen der Anti-Globalisierungsbewegung


www.agp.org | www.all4all.org

valid xhtml 1.0