http://de.news.yahoo.com/041003/336/48cwz.html
Sonntag 3. Oktober 2004, 12:14 Uhr
Für soziale Gereichtigkeit - 45 000 protestieren in Berlin gegen «Hartz-IV»-Reform
- PDS sucht nach neuen Aktionsformen
Berlin (ddp-bln). Aus Protest gegen die Arbeitsmarktreformen der
Bundesregierung sind am Wochenende in Berlin Zehntausende auf die
Straße gegangen. Bei einer bundesweiten Demonstration forderten 45 000
Menschen vor allem aus dem Osten die Schaffung von Arbeitsplätzen und
die Verteidigung des Sozialstaates. Die Erwartungen der Veranstalter,
die mit bis zu 100 000 Teilnehmern gerechnet hatten, erfüllten sich
hingegen nicht. Einem Sternmarsch, zu dem eine linksgerichtete
Splittergruppe aufgerufen hatte, schlossen sich lediglich 3000 Menschen
an. Unterdessen wird zunehmend über alternative Aktionsformen zu den
Montagsdemonstrationen, die in den vergangenen Wochen immer weniger
Anhänger fanden, nachgedacht.
Zu der Demonstration unter dem Motto «Soziale Gerechtigkeit statt
'Hartz IV' - Wir haben Alternativen», die am Samstag durch die östliche
Innenstadt führte, waren die Teilnehmer vor allem aus den neuen Ländern
mit Bussen angereist. Unterstützt wurde der Protestmarsch von mehreren
Gewerkschaften und der PDS. Die Demonstranten machten lautstark ihrem
Unmut über die «Abzocke der Arbeitslosen» Luft. Am Rande der Veranstaltung
kam es zu kleineren Ausschreitungen, bei denen nach Polizeiangaben sechs
Linksautonome festgenommen wurden.
Bei der Kundgebung am Alexanderplatz griffen Redner die «Allparteienkoalition
des Sozialabbaus» an. Sie warfen insbesondere der SPD vor, trotz zahlreicher
Wahlniederlagen das «Hartz-IV»-Gesetz durchzuziehen, mit dem die soziale
Kluft in Deutschland weiter wachse. Während die Reichen ab Anfang 2005
noch weniger Steuern zahlen müssten, drohe den Beziehern des künftigen
Arbeitslosengelds II der Absturz in die Armut, kritisierten Redner.
Zu dem Sternmarsch unter dem Motto «Weg mit Hartz IV - Das Volk sind wir»
am Sonntag hatte die linksgerichtete MLPD aufgerufen. Die Aufzüge starteten
an vier Punkten der Stadt und sollten zum Alexanderplatz in Mitte führen.
Auseinandersetzungen mit der Splittergruppe hatten bereits in den vergangenen
Wochen in Berlin zu einer Spaltung der «Hartz»-Kritiker geführt, die
mehrfach getrennt demonstrierten. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
zog sich schließlich ganz von den Montags-Protesten zurück.
Angesichts der zurückgehenden Teilnehmerzahlen bei den Anti-«Hartz»-Aktionen
suchen immer mehr Mitstreiter nach neuen Formen der politischen Auseinandersetzung.
Nach Ansicht des Berliner PDS-Chefs Stefan Liebich, der gemeinsam mit
Bundes-Chef Lothar Bisky an der bundesweiten Demonstration teilgenommen
hatte, sollte jetzt «ein Punkt gesetzt» werden. Er halte nichts davon,
weiterhin jeden Montag zu demonstrieren, «diese Kraft hat niemand»,
sagte Liebich. Er wolle dem Landesvorstand deshalb empfehlen, «andere
Formen zu suchen, sich mit 'Hartz IV' auseinanderzusetzen». Zuvor hatten
bereits die Globalisierungsgegner von Attac angekündigt, nicht mehr zu
den Montagsdemonstrationen aufrufen zu wollen. (Weitere Quellen:
Liebich im «Tagesspiegel»)