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Diese Kritik des PGA-Manifestos ist Teil eines umfassenderen Textes aus Berlin, über PGA und internationale Vernetzung, Peoples' Global Action: Modell für internationalistische Zusammenarbeit? (Oktober 1998)
 



Von MAIA G. Berlin
c/o Internationalismus Referat, Unter den Linden 6, 10099 Berlin
Tel. 030 2093 2603 Fax. 030 2093 2396 email: (die Autorin kann über das PGA-Sekretariat [agpweb (AT) lists.riseup.net] erreicht werden)

El Manifiesto: Das PGA-Manifest

"Wenn du nur kommst, um mir zu helfen, dann kannst du wieder nach Hause gehen. Wenn du aber meinen Kampf als Teil deines Überlebenskampf betrachtest, dann können wir vielleicht zusammen arbeiten."
-- Eine australische Ureinwohnerin

Wer nach diesem Eingangszitat des Manifests eine Analyse mit Handlungsperspektiven erhofft hat, wird enttäuscht: Das PGA-Manifest ist eher eine Beschreibung dessen, was heutzutage "neoliberale Politik" geschimpft wird, und deren Folgen.

In anklagendem Ton werden die Schuldigen für die soziale und ökologische Krise, Elend, Hunger, Kriege und Unterdrückung benannt: "Kurz gesagt: Die Verantwortung für wachsende Ausbeutung liegt einzig und allein bei den Kapitalisten, und nicht bei den Menschen." Diese Polarisierung von "wir/Menschen/ArbeiterInnen/Frauen/..." als "Opfer" und "den Kapitalisten" als "Täter" zieht sich durch das gesamte Manifest und läßt die zwischen "schwarz" und "weiß" existierenden Grautöne außer acht: die mehr oder weniger starke Involviertheit jedes einzelnen in existierende Hierarchien, Machtverhältnisse, und in den Markt. Der Integrationskraft des kapitalistischen Systems mit seinen trügerischen Mitspracherechten, Agenda 21's, Nichtregierungsorganisationen etc. scheinen sich die Verfasser des Manifests zwar im Bezug auf ihre Aktionen bewußt zu sein (s. die 4 Prinzipien), das Manifest erfaßt aber mit seinen schablonenhaften Begriffen die Komplexität und Widersprüchlichkeit der Verhältnisse nicht.

Obwohl auch kurze Kapitel über Geschlechterverhältnisse, indigene Völker, Natur und Landwirtschaft, Kultur, Wissen, Technologie, Bildung, Militarisierung, Migration u. a. enthalten sind, zieht sich ein roter Faden als Erklärungsansatz durch das 14-seitige Manifest: die Ökonomie. "Das Kapital" habe mit Instrumenten wie der Welthandelsorganisation WTO, dem Internationalen Währungsfond und der Weltbank "die Menschen in ein gigantisches System ein(gefügt), das allein auf Profit und Kontrolle über Mensch und Natur abzielt." Jüngstes und wichtigstes Schlüsselsystem seien die Handelsabkommen (NAFTA; MAI, etc...), die "die Macht und das legitime souveräne Recht der Menschen, ihre eigene Wirtschafts-, Sozial- und Kulturpolitik zu machen, gänzlich abschaffen." Das Kapital agiert mit Hilfe von Lobbygruppen, "die den Regierungen in Form von Empfehlungen Anweisungen geben, welche die Regierungen wiederum befolgen." Dabei bleibt die Rolle der Staaten als Garanten kapitalfreundlicher Rahmenbedingungen gänzlich unterbelichtet. Die integrierenden, mobilisierenden und bisweilen repressiven Funktionen, die Staaten erfüllen, werden teilweise benannt, letztlich werden sie jedoch zu Marionetten des Kapitals reduziert. Das Manifest grenzt sich verbal explizit von neoliberaler Politik, die durch Freihandel Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen will, ebenso ab wie von Faschisten und Nationalisten, die durch Protektionismus die heimatliche Scholle stärken wollen. Es betont zu Recht immer wieder das ungerechte Nord-Süd-Gefälle. Was dabei jedoch ausgespart wird, ist eine Position zum keynesianischen Sozialstaat: Wäre ein international zivilisierter Kapitalismus mit sozialverträglich abgefederter Ausbeutung nicht akzeptabel? Die LeserIn bleibt etwas verwirrt ob der Hauptstoßrichtung des Manifests, wenn am Ende des ersten Teils den internationalen Finanzinstitutionen die Verletzung grundlegender, international, national verankerter Menschenrechte vorgeworfen wird, so als wären diese papierenen Standards, so wichtig und verteidigungswert sie natürlich sind, ein erstrebenswerter Zustand. Der Grundtenor des Manifests ist der einer Graswurzelbewegung, die dafür eintritt, "auf gemeinschaftlichen Prinzipien basierende und autarke Ökonomien zu entwickeln und (...) eine Gesellschaft zu schaffen, die auf menschlichen Werten basiert". Problematisch ist jedoch die Diffusität der Argumentation, die sich durch ihre unklare Einschätzung der Nationalstaaten eben nur verbal, nicht durch Argumente, abgrenzt bzw. positioniert.

Ein anderer Kritikpunkt ist die Frage, wie die verschiedenen Widersprüchlichkeiten einer kapitalistischen Gesellschaft in Verbindung zueinander stehen. So wichtig die Ökonomie als gesellschaftliches Subsystem auch ist, so kann sie doch nicht als alleinige Erklärung dienen. Das Manifest scheint jedoch beispielsweise geschlechtsspezifische Unterdrückung einzig aus der Ausbeutung von Frauen als Arbeitskräften und, am Rande hinzugefügt, Sexsymbolen erklären zu wollen: "Die Beseitigung des Patriarchats sowie aller anderen Arten von geschlechtsspezifischer Unterdrückung setzt eine eindeutige Haltung gegen den Weltmarkt voraus." Ein solcher monokausaler Ansatz stößt jedoch spätestens bei Themen wie Gewalt gegen Frauen oder dem Diskurs über Geschlecht (Sex & Gender) an seine Grenzen. Anstatt die Verknüpftheit der verschiedenen Kämpfe aufzuzeigen, werden im Manifest "Nebenwidersprüche" zur Illustration des "Hauptwiderspruchs" herangezogen.

Die nächste PGA-Konferenz, bei der das Manifest diskutiert bzw. verbessert werden soll, findet nächsten Frühjahr in Bangalore, Indien, statt.

Fragen zum Manifest an: agpweb (AT) lists.riseup.net.


Diese Kritik des PGA-Manifestos ist Teil eines umfassenderen Textes aus Berlin, über PGA und internationale Vernetzung, Peoples' Global Action: Modell für internationalistische Zusammenarbeit? (Oktober 1998)
 


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PGA manifesto discussion / Contribution from Berlin http://www.agp.org/agp/en/forum/manifesto/man-disc-Ulrike.html Last modified: 98-12-04 / comments to: agpweb (AT) lists.riseup.net