MITTELAMERIKA - Wasser im Überfluss und trotzdem knapp

Von Néfer Muñoz
[quelle: Poonal http://www.berlinet.de/poonal/ ]

(San Jose, April 2000, pulsar/ips-Poonal).- "In den kommenden Jahren können die Wasserbecken ein exzellentes Versuchsfeld für die zentralamerikanische Integration sein, aber genauso könnten sie sich in starke Konfliktherde verwandeln", meint der Geograph Carlos Granados von der Universität Costa Rica. Er führt eine Forschungsgruppe an, die in Zusammenarbeit mit der regierungsunabhängigen "Stiftung für den Frieden und die Demokratie" die Merkmale und potentiellen Umweltprobleme der Wasservorkommen in den Flüssen Mittelamerikas studiert. Wasser gibt es in der Region genug. Dennoch droht zukünftig eine ernste Wasserknappheit, wenn die derzeitige Politik in Bezug auf die grenzüberschreitenden Flüsse fortgeführt wird, so die Wissenschaftler.

Mittelamerika wird zu 37 Prozent von geteilten Flüssen bedeckt - Wasserläufe, die durch zwei oder mehr Länder fließen. Doch in der ganzen Region existiert keine Strategie, die Wasserbecken zu schützen. "Alle Naturdesaster auf der Landenge haben mit dem Wasser zu tun und die Regierungen gehen dieses Problem nicht an", kommentiert Granados. Deutlich wurde diese Realität Ende Oktober 1998, als Wirbelsturm Mitch - unterstützt durch Erosion, Verschmutzung und fehlende Koordination - 10.000 Tote und Schäden hinterließ, die einen Rückschritt von 30 Jahren in der Region provozierten.

Wenn die Behandlung der Wasservorkommen auf in Zukunft nicht durch eine internationale Politik koordiniert wird, dann wird es in Mittelamerika verstärkte Dürren in der Trockenperiode und noch gefährlichere Überschwemmungen in der Regenzeit geben, warnt Granados.

In Zentralamerika gibt es 23 Hauptwasserbecken, die zu zwei oder mehr Ländern gehören. Zusammen machen sie 191.000 Quadratkilometer aus. Eine Oberfläche, die größer ist, als jedes der sieben mittelamerikanischen Nationen - Belize, Guatemala, Honduras, El Salvador, Nicaragua, Costa Rica und Panama - für sich genommen.

Die Gefahr, keine Umweltstrategie gegenüber den geteilten Flüssen zu haben, hat auch damit zu tun, dass viele der wichtigsten Städte des mittelamerikanischen Isthmus an Wasserbecken angesiedelt sind, die zu zwei Nationen gehören. So liegt Nicaraguas Hauptstadt Managua am Rio San Juan, der auch Grenzfluss mit Costa Rica ist. Auch die Hauptstädte San Salvador (El Salvador) und Tegucigalpa (Honduras) haben mit dem Rio Lempa und dem Rio Choluteca Flüsse, die die Nachbarstaaten durchqueren. "Was im oberen Teil eines Wasserbeckens gemacht wird, betrifft auch den unteren Teil. Das heißt, die Schäden, die dem einem Fluss in einem Land zugefügt werden, schädigen auch das Nachbarland", erklärt Granados die Situation.

Von den 13 Grenzflüssen in der Region stehen elf unter einer geteilten Wasserhoheit. "Darum müsste die Handhabung der Flüsse eine strategische Priorität sein", bestätigt der Geograph Eduardo Rodríguez, ein anderes Mitglied der Forschungsgruppe. Die geographischen Bedingungen - Zentralamerika hat viele Flüsse mit großen Wasserbecken - privilegieren die Region im Weltvergleich. Trotzdem sagen die Experten voraus, dass die wachsende Bevölkerung von derzeit 35 Millionen jetzt eine größeren Wasserbedarf haben wird - und ohne die Landesgrenzen überschreitende Koordination wird das ein ernstes Problem.

"Was würde passieren, wenn das Wasservorkommen des Rio Lempa, das absolut unabkömmlich ist sowohl für den menschlichen Konsum, die Felderbewässerung, die industrielle Nutzung wie auch die Stromproduktion in El Salvador ist, in Honduras und Guatemala geschädigt würde?" lautet eine Frage, die die Wissenschaftler in einer von der Stiftung für Frieden und Demokratie publizierten Studie aufwerfen.

Beispiele gibt es zuhauf. So machen die Geographen auf die künftigen Konsequenzen bei der Bewässerung des Städteumfeldes im Südes Mexikos aufmerksam, wenn die Gewässer des Rio Suchiate weiterhin in Guatemala verseucht werden. Sie machen sich ebenfalls über den Einfluss auf die Landwirtschaft Gedanken, wenn Nicaragua entscheidet, den Rio San Juan auszubaggern - ein entsprechendes Gesetz ist vom nationalen Parlament bereits verabschiedet worden - und damit den Wasserspiegel der Nebenflüsse auf der costaricanischen Seite senkt.

Luis Guillermo Solís, technischer Leiter des grenzüberschreitenden Projektes der Stiftung für Frieden und Demokratie betont: "Die Verwaltung der Grenzen und der Wasservorkommen im Grenzgebiet müsste eindeutig mehr Aufmerksamkeit der Staaten auf sich ziehen. Denn dort beginnt die wirkliche zentralamerikanische Integration, die in den vergangenen Jahren zum Stillstand gekommen ist."

"Regelmäßigen Informationsaustausch über den Zustand des Wasservorkommens" und "Verhandlung mit dem Nachbarstaat, bevor Pläne entwickelt werden, die schädliche Einflüsse haben können", empfiehlt der Bericht der Stiftung. Die Experten sehen es als unbedingt notwendig an, dass die Länder Mittelamerika ihre traditionelle Spaltung und Konfliktbereitschaft beiseite lassen und bezüglich der Wasservorkommen mit der Kooperation beginnen.


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