Am 3. Oktober jährt sich zum 9. Mal die Einverleibung der DDR durch die BRD. Gefeiert wird dabei nicht nur die nationale Einheit Deutschlands, sondern auch der Siegeszug der „westlichen Demokratie“ über den Sozialismus. Die Bilanz dieser 9 Jahre zeigt deutlich, wie das kapitalistische Heilsversprechen in der Realität aussieht. Der Abbau erkämpfter sozialer Rechte, polizeistaatliche Aufrüstung im Inneren und Militarisierung der Politik gehen Hand in Hand. In der One-World des Kapitalismus stehen Kriege, Krisen und Konkurrenz auf der Tagesordnung, der Kampf um die Aufteilung der Märkte wird zur alles bestimmenden Realität. Gleichzeitig werden mögliche Alternativen zum bestehenden System beständig geleugnet.

 


8.mai.1999.göttingen: fahnenverbrennung.bei.einer.anti-kriegsdemonstration gegen.den.angriffskrieg.der.nato.gegen.die.bundesrepublik.jugoslawien

 

 

So wird der Kapitalismus nach dem Verschwinden des realen Sozialismus von den polit- ökonomischen Landkarten als logische und einzig mögliche Konsequenz aus der Geschichte dargestellt. Die Botschaft ist so einfach wie weitreichend: die Suche nach Alternativen zum bestehenden System ist angeblich von vornherein zum Scheitern verurteilt. Der Aufbau einer Gesellschaft, in der Unterdrückung und Ausbeutung keinen Platz haben sollen, sei mit dem Zerfall der realsozialistischen Staaten historisch erledigt.

Daß Kapitalismus der Weisheit letzter Schluß sei, wird ideologisch mit der Totalitarismustheorie gerechtfertigt. Damit ist die Gleichsetzung von Sozialismus und Faschismus als totalitäre Diktaturen gemeint, wobei politische Inhalte und Ziele ausgeblendet werden. Die Ursprünge dieser Theorie gehen in die Weimarer Republik zurück, sie wird aber auch heute dazu benutzt, um linke und rechte Bewegungen gleichzusetzen. So soll ein Anknüpfen an den historischen linken Widerstand gegen das kapitalistische System unmöglich gemacht und linke gesellschaftliche Utopien diskreditiert werden. Was bleibt, ist Kapitalismus als „Ende der Geschichte“.

Dies soll über die Mängel des realen Kapitalismus hinwegtäuschen, der angeblich für alle und allerorten Freiheit, Demokratie und Wohlstand verspricht. Doch was als Sieg der Zivilgesellschaften über totalitäre Systeme gefeiert wird, bedeutet nichts anderes als die Verschleierung der totalitären Strukturen des Kapitalismus. Im weltweit entfesselten Konkurrenzkampf sind die ökonomische Verwertbarkeit des Menschen und die Steigerung der Profitrate Grundlage jeder Politik.

 

 

ob.globalisierung.oder.neoliberalismus–kapitalismus.weltweit.durchgesetzt
Die versprochene Freiheit unter kapitalistischem Vorzeichen meint so auch zuerst die Freiheit zur grenzenlosen Ausbeutung. Die logische Konsequenz ist die Verschärfung der sozialen Gegensätze weltweit. In der einen Kapitalistenwelt konkurrieren die westlichen Industrienationen nun um die Spitzenplätze in der technischen Entwicklung, um die höchsten Renditen sowie die Sicherung von Rohstoffvorkommen und die Eroberung von Absatzmärkten. So treten die großen ökonomischen Machtblöcke wie die USA, die NAFTA oder die EU in einen gnadenlosen Wettstreit, in dem lediglich wirtschaftliche Rentabilität zählt.

So soll auch die Entwicklung der EU den beteiligten Staaten einen sicheren Platz in der „Neuen Weltordnung“ verschaffen. Es werden also Maßnahmen ergriffen, die die internationale Konkurrenzfähigkeit stärken sollen. Neben einem einheitlichen liberalisierten Binnenmarkt gehört die gemeinsame Währung EURO dazu. Sie soll zumindest eine gleichwertige Reservewährung neben dem US-Dollar, wenn nicht sogar zukünftige Weltwährung werden. Konkret bedeutet das verschärften Wettbewerb zwischen den unterschiedlichen Wirtschaftsregionen Europas und weltweit – d.h. erbarmungslose Konkurrenz für die Masse der Arbeitenden und eine gewinnsteigernde Konkurrenz für die großen Konzerne. Es geht schließlich darum, wer die billigsten Waren anbieten, die billigsten Arbeitskräfte und die besten Bedingungen für das Kapital zur Verfügung stellen kann. Die Unternehmen werden durch Steuersenkungen, Subventionen usw. begünstigt, was mit einer rigiden Sparpolitik für die Masse einhergeht. Drastische Kürzungen im sozialen Bereich, die Einschränkung sozialer Rechte wie z.B. in der betrieblichen Mitbestimmung und Lohnkürzungen bzw. der Zwang zur Arbeit im Niedriglohnsektor werden vor dem Hintergrund der Massenarbeitslosigkeit durchgesetzt.

Der neue imperialistische Machtblock EU zwingt zugleich viele andere Staaten in die wirtschaftliche und politische Abhängigkeit. So werden im Zuge der EU-Osterweiterung die 10 betroffenen Länder derzeit umfangreichen „Strukturanpassungsprogrammen“ unterzogen. Die Einführung einer Marktwirtschaft, die auf die Ansprüche der EU ausgerichtet ist, bedeutet dabei Arbeitslosigkeit und das Absinken sozialer Standards für den Großteil der Bevölkerung dieser Staaten. Mit weiteren Staaten aus der Karibik, Afrika, dem Pazifik und demnächst Lateinamerika wurden Freihandelsabkommen geschlossen, wodurch der Angriff auf soziale Rechte fortgesetzt wird. Denn um Handelsvorteile mit der EU tatsächlich zu erhalten sind auch diese Länder zur neoliberalen Umstrukturierung ihrer Ökonomien verpflichtet.

Der Widerspruch zwischen den versprochenen Segnungen einer globalen Weltwirtschaft und der Realität ist nur allzu offensichtlich: In den Industrieländern ist der Kapitalismus nicht fähig, seine entwickelten Möglichkeiten allgemein wohlstandsmehrend zu nutzen.

 

In den Ländern des Trikonts entwickelt sich nichts außer Armut und Perspektivlosigkeit. Ob der globale Verteilungskonflikt oder die internationale Schuldenfalle zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden, der Markt produziert nur zunehmende Ungleichheit. Mittlerweile sind 358 Milliadäre so reich wie ca. 2,5 Milliarden Menschen zusammen; das ist fast die Hälfte der gesamten Weltbevölkerung. Die armen Länder des Südens ersticken unter den Schuldenlasten, die der IWF und Weltbank mit immer gleichen „Entwicklungsprogrammen“ einzutreiben versuchen. Für die Masse der Menschen dort bedeutet das aber weiterhin: Hungertod und Krankheit, Flucht und Vertreibung, Kinderarbeit, 16-Stundentag, Hungerlöhne usw. Von einer Verbesserung des Lebensstandards und Aussicht auf allgemeine Entwicklungsmöglichkeiten kann keine Rede mehr sein. Die Gläubigerländer – allen voran die G7-Staaten – ergehen sich in einer medial aufbereiteten Geste der Barmherzigkeit, wenn sie dann großherzig einen Teil der Schulden erlassen, die sowieso niemals mehr bezahlt werden können.

 

militarisierung.
Der verschärfte Konkurrenzkampf führt schließlich dazu, daß Kriege zukünftig wieder zur normalen Handhabe der Politik gehören werden. Daß die westlichen Industrienationen ihre Interessen zukünftig auch wieder weltweit mit militärischer Gewalt absichern werden, ist spätestens mit dem NATO-Angriffskrieg auf Jugoslawien deutlich geworden. Mit der „Befriedung des Balkans“ sicherten sich die Westmächte ihren Einflußbereich in Südosteuropa und schafften es gleichzeitig, Rußland politisch zurückzudrängen. Dabei nutzte die NATO den Krieg im Kosovo, um den Rollenwechsel vom Verteidigungs- und Abschreckungsbündnis gegenüber den ehemaligen Ostblockstaaten hin zum Weltpolizisten endgültig festzuschreiben. Kampfeinsätze, die nicht der Verteidigung dienen, außerhalb des NATO-Gebietes und ohne Zustimmung der Vereinten Nationen prägen die neue Strategie des Militärbündnisses. In der One-World des Kapitalismus soll der freie Zugang zu Rohstoffen und Märkten in aller Welt abgesichert sein. Die Neue NATO als globale Ordnungs- und Interventionsmacht dient dabei als wichtigstes Faustpfand zur Aufrechterhaltung der Neuen Weltordnung.

 
 

BRD:eintritt.in.eine.neue.phase.imperialistischer.großmachtspolitik.
Erstmals seit 1945 beteiligten sich deutsche Soldaten wieder an einem Angriffskrieg. So kehrte die BRD auch auf militärischer Ebene wieder zurück in die Riege der imperialistischen Großmächte. Damit war das vordringlichste Kriegsziel erreicht: Deutschland kennt ab sofort „keine Verantwortungsbegrenzung“ mehr, wie es der olivgrüne Außenminister Fischer formuliert.

Der Weg dorthin wurde in den vergangenen 50 Jahren geebnet und durch Einsätze wie 1993 in Somalia („humanitäre Hilfe“) und 1995/96 in Bosnien („Friedenstruppen“) immer weiter ausgebaut. Auf dem Balkan spielte die BRD selbst die Rolle der Kriegstreiberin, indem sie 1991 im Alleingang Slowenien und Kroatien anerkannt hatte. Als erster und einziger Staat forderte die damals CDU-regierte BRD im Juni 1998 den NATO-Militärschlag gegen Jugoslawien, nachdem sie zuvor die Einstellung der Waffenlieferungen an die „kosovarische Befreiungsarmee“ UCK abgelehnt hatte. Die rot-grüne Regierung setzte auf Kontinuität: Fischer kannte folglich „keine grüne“ Außenpolitik mehr, „sondern nur noch deutsche“.

In der Öffentlichkeit wurde die Zerstörung eines ganzes Landes mit der „Verhinderung eines zweiten Auschwitz“ begründet. Schröder, Fischer und Co verabschiedeten sich so von „pazifistischer Drückebergerei“ und setzten durch, woran die konservative Regierung noch gearbeitet hatte. Der zweifelhafte Verdienst der Alt-68er und ehemals Friedensbewegten geht damit über eine „Normalisierung“ Deutschlands hinaus. Statt Verdrängung und Leugnung der nationalsozialistischen Vergangenheit wird diese nun zur kollektiven Sinnstiftung: Nicht trotz, sondern gerade wegen Auschwitz erfahren militärische Einsätze ihre Legitimation.

Die Kriegsbeteiligung sollte nicht nur die Stellung der BRD in der NATO stärken, sondern auch auf dem europäischen Kontinent. Denn für die Zukunft ist der Ausbau der Westeuropäischen Union (WEU) als militärischer Arm der EU geplant. Innereuropäisches „Krisenmanagement“ soll dann auch unabhängig von den USA möglich werden. Der BRD liegt also daran, ihren politischen und wirtschaftlichen Führungsstatus innerhalb der EU nun auch militärisch auszubauen, um ihre imperialistischen Interessen im Zweifel mit Bomben und Granaten durchsetzen zu können.

 
 

repression.statt.sozialer.sicherheit.
Parallel zur Militarisierung kommt der Politik der „Inneren Sicherheit“ eine immer größere Bedeutung zu. In Zeiten sozialer und ökonomischer Unsicherheit, der ökonomischen Krise und ihren Begleiterscheinungen wie Sozialabbau und Massenarbeitslosigkeit und steigender Kriegsgefahr setzt sich der starke Staat nahezu ohne Widerstand durch. Die Sicherheitspropaganda richtet sich dabei gegen all jene, die in der kapitalistischen Verwertung nicht mehr gebraucht oder vom „sozialen Netz“ nicht mehr aufgefangen werden. So werden vorhandene Ängste auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen wie z.B. Flüchtlinge, Bettler, Obdachlose, Junkies usw. umgelenkt und geschürt, um Gesetzesverschärfungen durchsetzen zu können. Die Einführung des „großen Lauschangriffes“, Gendateien, Strafrechtsverschärfungen, beschleunigte Verfahren, die Expansion der Geheimdienste und erleichterte Abschiebepraxis sind nur einige Beispiele für den Ausbau des Repressionsapparates in den letzten Jahren. Diese Politik setzt sich auf EU-Ebene fort und bestimmt vor allem die rassistische Abschottungspraxis. So werden die Flüchtlinge in Elend, Folter und Tod abgeschoben, die vor Bedingungen geflohen sind, die die westlichen Industriestaaten durch ihre Politik überhaupt erst schaffen oder ermöglichen.

Der Staat schafft sich so Kontrollorgane und Befugnisse, um auf mögliche gesellschaftliche Konflikte reagieren zu können und das reibungslose Funktionieren der kapitalistischen Ordnung zu garantieren. Dabei zeigt sich, daß die einst so gepriesenen „Errungenschaften“ der bürgerlichen Demokratie – Sozialstaat und bürgerliche Freiheitsrechte – im Zeitalter des globalen Kapitalismus offensichtlich immer weniger eingelöst werden können.

Noch in den 60er und 70er Jahren konnte mit Hilfe sozialdemokratischer Sozialpolitik der Staat soziale Sicherungssysteme anbieten. Dieser Verteilungsspielraum ist infolge der neoliberalen Umstrukturierung nicht mehr gegeben. Statt „sozialer Sicherheit“ lautet das Schlagwort heute „Innere Sicherheit“. Mit dem Wegfall der Systemkonkurrenz durch die realsozialistischen Staaten besteht zudem keine Notwendigkeit mehr, den Kapitalismus als das bessere System darstellen zu müssen.

Gleichzeitig kommen Ansätze, die die Ursachen von Kriminalität in gesellschaftlichen Umständen verorten, überhaupt nicht mehr zur Sprache. Stattdessen wird der Haß auf sozial Schwache und Rassismus geschürt. Dadurch werden tatsächlich bestehende Interessenskonflikte und die systembedingten Ursachen für soziale Unsicherheit verschleiert.

 
 

...für den revolutionären antifaschismus!

In Zeiten der weltweiten kapitalistischen Konkurrenz haben Nationalismus, Rassismus und Militarismus also wieder Hochkonjunktur. Diese Ideologien setzen sich immer mehr durch, angesichts fehlender Antworten auf die drängenden sozialen und politischen Probleme, die der Kapitalismus selbst hervorgebracht hat. Dabei propagiert der Neoliberalismus die freie Marktwirtschaft, die jenseits von Interessen nur den objektiven Sachzwängen des Marktes gehorcht. Letztlich - das soll dann die gute Nachricht sein – soll er allen Wohlstand und Freiheit bringen. Daß Marktbeziehungen unter kapitalistischen Bedingungen ungleiche Herrschaftsverhältnisse bedeuten und die Freiheit nur die der Kapitalisten zur unbegrenzten Ausbeutung bedeutet, ist die eigentliche Botschaft des Kapitalismus im neoliberalen Gewande. Als größte Finte des Neoliberalismus gilt jedoch – und das zeigt seine derzeitige Definitionsmacht – jegliche Kritik an den bestehenden Verhältnissen als rückständig, ewiggestrig und ideologisch verbrämt erklären zu können. Wer sich als Marxist oder Kommunist bezeichnet, braucht eigentlich schon gar nicht mehr den Mund aufzumachen.

Und doch: Es gibt keinen Kapitalismus mit menschlichen Antlitz. Denn ein System, in dem lediglich die ökonomische Verwertbarkeit zählt und Profitstreben zum obersten Ziel erhoben wird, kann sich nur auf der Basis sozialer Ungleichheit, Ausbeutung und Unterdrückung aufrechterhalten. Gegen diese Verhältnisse anzutreten, ist Aufgabe all jener, die sich nicht damit abfinden wollen, daß mit der Allmacht des Kapitalismus die Entwicklung der Menschheit angeblich an ihr Ende gelangt ist.

Revolutionärer Antifaschismus muß dabei, wenn er wirksam sein soll, immer in Gegnerschaft zum Kapitalismus stehen, der die Ursachen für die reaktionären Entwicklungen in sich trägt. Doch so wie der Neoliberalismus nicht von Kapitalistenhimmel gefallen ist, wird die Revolution nicht von Marxistenhimmel fallen, sondern bedarf politischer Konzepte und gesellschaftlichen Widerstand. Die Überwindung der Zersplitterung der Linken, die Zusammenarbeit mit allen noch verbliebenen fortschrittlichen Kräften, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Kampf um eine gesellschaftliche Alternative. Es gilt, in die gesellschaftlichen Kämpfe unmittelbar einzugreifen und gesellschaftlich wahrnehmbar zu werden. Es gilt zu zeigen, daß die heutigen gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse veränderbar sind, daß sie historisch gewachsen und deshalb auch wieder abzuschaffen sind.

In diesem Sinne ist es Zeit…
…für den revolutionären Antifaschismus!

   

 

September 1999

organisiert in der