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Fri Sep  4 00:23:09 1998
 


Gericht hält an Gutachter fest

Befangenheitsantrag im Prozeß um Lübecker Brandunglück abgelehnt

Von DIETHART GOOS
Lübeck - Schneller als erwartet hat die Jugendstrafkammer im Prozeß um die Lübecker Brandkatastrophe gestern ihre mit Spannung erwartete Entscheidung verkündet, den international bekannten Sachverständigen Professor Ernst Achilles nicht aus dem Verfahren zu entfernen. Damit wurden Anträge der Staatsanwaltschaft und von Nebenklägern abgelehnt, Gutachter Achilles wegen Befangenheit und mangelnder Qualifikation aus der Verhandlung abzuberufen.

In dürren Worten begründete der Vorsitzende Richter Rolf Wilcken die Entscheidung seiner Kammer, der zwei weitere Berufsrichter und zwei Schöffen angehören. Es seien keine Gründe für die Annahme zu erkennen, daß Gutachter Achilles die erforderliche Unvoreingenommenheit nicht wahren würde. Diese Besorgnis hatte die Staatsanwaltschaft damit zu untermauern versucht, Achilles habe vor seiner Bestellung zum Gutachter des Gerichts für die Verteidigung des angeklagten Libanesen Safwan Eid eine Stellungnahme zum Ausbruch der Feuerkatastrophe im Asylbewerberheim Hafenstraße abgegeben.

Die Anklage wirft dem Libanesen vor, er habe aus Rache gegenüber anderen Bewohnern des Asylantenheims Hafenstraße vor einer Wohnungstür im ersten Obergeschoß Feuer gelegt. Die Verteidigung dagegen meint, der Brand sei von Außenstehenden in einem hölzernen Vorbau im Erdgeschoß gelegt worden. Auch Gutachter Achilles hält es für wahrscheinlich, daß sich der Brandherd, dem zehn Heimbewohner zum Opfer fielen, im Eingangsbereich befand.

Als erster der bisher fast 50 vernommenen Zeugen kam gestern der Kriminalbeamte Jörg Metterhausen auf eine Gruppe junger Männer aus dem mecklenburgischen Grevesmühlen zu sprechen, die von der Verteidigung als mögliche Brandstifter angesehen werden. Metterhausen, Mitglied einer Zivilstreife, war beim nächtlichen Einsatz in der Hafenstraße ein Pkw Wartburg mit Grevesmühlener Kennzeichen etwa 50 Meter von dem brennenden Haus aufgefallen, den er zuvor nahe seines Funkwagens dort nicht gesehen hatte. Der Kripobeamte stellte die Personalien der Insassen fest und sprach gestern vor Gericht von Maik M., René B. und Heiko P. Die Männer hätten angegeben, sie seien auf der Rückfahrt von Lübeck nach Grevesmühlen gewesen und hätten zufällig das Blaulicht der Einsatzfahrzeuge gesehen.

Der Kripobeamte sagte auch aus, der Angeklagte Eid habe ihm in der Brandnacht von Beobachtungen seines Vaters berichtet. Danach habe jemand eine Bombe geworfen, und anschließend sei das Feuer ausgebrochen.

Copyright: DIE WELT, 15.10.1996


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