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Juso-Flugblatt: Das ist Kohls Deutschland

Nach Brandkatastrophe in Lübeck: Aufruf zu zivilem Ungehorsam

Von DIETHART GOOS
Lübeck - Ein Flugblatt der Jungsozialisten im Zusammenhang mit der Lübecker Brandkatastrophe heizt den schleswig-holsteinischen Landtagswahlkampf kräftig an. Unter der Überschrift "Lübeck - 10 Tote, 35 Schwerverletzte . . ." heißt es wörtlich: "Das ist Kohls Deutschland!" Oppositionschef Ottfried Hennig (CDU) forderte Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) unterdessen auf, sich von der Juso-Aktion umgehend zu distanzieren.

In dem Flugblatt der Jungsozialisten heißt es weiter: "Flüchtlinge bleiben, Nazis vertreiben - Kohls sozialen Kahlschlag bekämpfen". Geworben wird von der SPD-Nachwuchsorganisation zugleich für eine "Diskussionsveranstaltung" am Donnerstag in Kiel. Das Flugblatt greift Forderungen von SPD-Politikern wie des Lübecker Bürgermeisters Bouteiller auf, notfalls mit zivilem Ungehorsam die Bonner Asyl- und Ausländerpolitik zu unterlaufen.

Der CDU-Landesvorsitzende Ottfried Hennig reagierte heftig auf die Juso-Aktion. In einem Schreiben an Ministerpräsidentin Heide Simonis bezeichnete der Oppositionsführer das Flugblatt als "beispiellose Geschmacklosigkeit". Wörtlich schrieb der Unionspolitiker: "Offenbar beginnt hier allen Fairneßabkommen zum Trotz ein Schmutzwahlkampf, der kaum zu überbieten ist. Unsachlicher und unanständiger als es Ihre Jugendorgansiation in diesem Fall gestan hat, kann ein Wahlkampf nicht geführt werden."

Hennig hielt der Ministerpräsidentin des weiteren vor, sie trage als SPD-Spitzenkandidatin für den Wahlkampf ihrer Partei eine besondere Gesamtverantwortung. "Deshalb fordere ich Sie auf, sofort dafür zu sorgen, daß die Verbreitung dieses Flugblattes eingestellt wird, sich davon zu distanzieren und sich im Namen der SPD für diese verleumderische Behauptung zu entschuldigen." Sollte die Regierungschefin nicht sofort handeln, so Hennig weiter, setze sie sich des Verdachts aus, "diesen üblen Stil mitzutragen".

Aus der Kieler Staatskanzlei hieß es dagegen, Ministerpräsidentin Heide Simonis sei in dieser Parteiangelegenheit nicht die richtige Adressatin. Seit 1988, dem Antritt der SPD-Regierung, werde aus der Staatskanzlei heraus kein Wahlkampf mehr gemacht.

Allerdings hat sich der SPD-Landesgeschäftsführer Werner Kindsmüller unterdessen von dem Juso-Plakat distanziert: "Dieses Flugblatt einer örtlichen Juso-Gliederung ist töricht und unakzeptabel." Er habe veranlaßt, daß es nicht weiter vertrieben werde und daß sich ähnliche Äußerung der Jungsozialisten nicht wiederholen würden.

Copyright: DIE WELT, 30.1.1996


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