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Das SVZ online Archiv
Nachrichten aus Deutschland und der Welt vom 11. November 1996


Hausbewohner als Zeugen

Zäsur im Lübecker Brandprozeß

Im Saal 163 des Lübecker Landgerichts haben sich die Zuschauerreihen gelichtet, der Angeklagte Safwan Eid malt scheinbar gelangweilt Figuren auf ein Blatt Papier. 14 Verhandlungstage sind im Prozeß um den Brand in einem Lübecker Asylbewerberheim vergangen. Polizisten, Feuerwehrmänner und Rettungssanitäter haben ihre Aussagen gemacht. Viele Zuhörer haben offenbar den Eindruck gewonnen, da käme nicht mehr viel Neues. Das könnte sich jedoch heute ändern. Die ersten Hausbewohner, die das verheerende Feuer am 18. Januar überlebten, bei dem zehn Menschen starben und 38 verletzt wurden, sollen aussagen.

Seit dem 16. September muß sich der Libanese Safwan Eid vor der Lübecker Jugendstrafkammer verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, das Feuer gelegt zu haben. Für diese These spricht einiges von dem, was die bisherigen Zeugen aussagten. Bis auf wenige Ausnahmen haben alle zunächst Flammen im ersten Stock des Hauses gesehen. Besonders heftig, so erklärten viele, loderten die Flammen hinter den Fenstern eines Eckzimmers im ersten Stock. Auf dem Flur vor diesem Zimmer hatten Experten des Bundes- und des Landeskriminalamtes die Brandausbruchsstelle festgestellt.

Auch das angebliche Geständnis des Angeklagten wurde bislang nicht widerlegt. Der Hauptbelastungszeuge wiederholte vor Gericht seine Aussagen, wie er sie schon bei der Polizei gemacht hatte. Vier Männer bestätigten, daß der Rettungssanitäter ihnen unmittelbar nach dem Einsatz von diesem Geständnis berichtet habe. Andere Aussagen dagegen unterstützten die Annahme der Verteidigung, daß das Feuer von außen in dem Vorbau des Hauses gelegt wurde. Der Brandschutzexperte Ernst Achilles hält diese Möglichkeit für wahrscheinlich. Eine Handvoll Zeugen, darunter auch Feuerwehrmänner, hatte erklärt, der hölzerne Anbau habe bei ihrem Eintreffen in Flammen gestanden.

Ob die Hausbewohner diese Theorie bestätigen werden, bleibt abzuwarten. Ein Teil von ihnen hatte, unterstützt von antirassistischen Gruppierungen, erklärt, sie hielten Eid für unschuldig und die Brandstiftung für einen rassistischen Anschlag. Erste Risse hat die Front der angeblich in Freundschaft miteinander lebenden Asylbewerber bereits bekommen. Die Familie el Omari, die im September in einen Streit mit den Eids im Gerichtssaal verwickelt war, ließ über ihren Anwalt mitteilen: "Wir werden uns nicht dem Ansinnen beugen, Safwan von vornherein für unschuldig zu halten."

Eva-Maria Mester, dpa


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