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Fri Sep  4 00:28:09 1998
 

 

VOM ALPTRAUM, KRONZEUGE ZU SEIN

Er kam, um zu helfen. Als am 18. Januar 1996 das Asylbewerberheim in Lübeck brannte, war JENS LEONHARDT als DRK-Sanitäter vor Ort. Er hörte, wie der junge Libanese Safwan Eid sagte: 'Wir warn's.'

STERN-Autor Peter Sandmeyer beschreibt, wie aus dem wichtigsten Zeugen im Brandstifter-Prozeß ein Verfolgter wurde

Er will nicht. Will nicht mehr befragt, angestarrt, fotografiert, ausgespäht, verdächtigt, denunziert werden. Will nur noch das, woraus andere mit aller Kraft zu ent-kommen versuchen: die banale, aschgraue, herrliche Anonymität. Ein Treffen mit einem Journalisten? Nein, danke. Als es schließlich doch zustande kommt, erscheint er eine halbe Stunde vor der Zeit und sichert: Hat sich irgendwo ein Fotograf versteckt? Kommt der Gesprächspartner allein? Die Begegnung mit einem Verfolgten.
Verfolgt wird er von einer ungeliebten Rolle. Er ist der wichtigste Zeuge im Prozeß um den Brandanschlag in der Lübekker Hafenstraße. Der 'Hauptbelastungszeuge' hieß es stereotyp in den Nachrichten. Manchmal auch der 'Kronzeuge'.
Jens Leonhardt hat nämlich in der Brandnacht ein Geständnis des jungen Libanesen Safwan Eid gehört ('Wir warn's'), der daraufhin der schweren Brandstiftung angeklagt wurde und seit September 1996 vor der II. Großen Strafkammer des Lübecker Landgerichts steht. Und schweigt. Unterstützt vom vielsprachigen Schweigen der anderen Hausbewohner, die immer, wenn es eng werden könnte für den Angeklagten, belastende alte Aussagen relativieren.
Deswegen ist auch nach sechs Monaten Verhandlungsdauer und einem lindwurmartigen Aufmarsch von Zeugen und Sachverständigen Leonhardts Aussage noch immer das, was den Angeklagten am stärksten belastet. Die Anklage steht oder fällt mit ihm und seiner Glaubwürdigkeit.
Er ist die Schlüsselfigur. Der Zeuge. Belastet ihn das? 'Und ob', sagt er. Es sei ja keine Kleinigkeit, wenn ein Mensch seinetwegen ins Gefängnis müsse. Und ganz unerträglich ist ihm die Vorstellung, daß der Angeklagte womöglich als einziger verurteilt wird. 'Er hat doch 'wir' gesagt, 'wir warn's'.' Dann beißt er sich schon wieder auf die Lippen. Hat er versehentlich vielleicht etwas gesagt, was man ihm im Munde umdrehen könnte? Gegen ihn oder dazu verwenden könnte, ihn zum zweitenmal vorzuladen?
Er verflucht die Journalisten. All dieser Unsinn, der schon über ihn geschrieben wurde! Daß er ein Einzelgänger sei, zurückgezogen lebe, die Lehre abgebrochen, ein schlechtes Verhältnis zu seinem Job und ein miserables zu seinem Boß habe. 'Alles Quatsch.' Seine Lehre als Dreher habe er erfolgreich abgeschlossen ('Theorie: eins, Praxis: zwei'), seinen Chef schätze er so wie der ihn, und was für ein einzelgängerischer Mensch er sei, darüber müßte 'Oma' mal Auskunft geben! 'Oma' war ursprünglich nichts weiter als die Vermieterin des Zimmers, das er bezog, als er Anfang 1990 von Eisenhüttenstadt nach Lübeck übersiedelte. Man hatte ihn gewarnt vor 'dem Westen'. Doch er sagte sich: 'Du hast einen klaren Kopf, du hast zwei gesunde Hände, du schaffst es.' Seine Vermieterin war damals 75 und gebrechlich. Mal mußte der Blutdruck kontrolliert, mal eine Besorgung erledigt, mal die richtige Pillen-Dosis abgezählt werden. Jens Leonhardt war 20 und hatte, wie er selbst einräumt, eine Art Helfersyndrom.
So fanden sie sich. Bis heute lebt er im Haus der kränklichen, aber resoluten alten Dame, nennt sie Oma und sitzt oft bei einer Flasche Wein mit ihr zusammen und läßt sich von früher erzählen. Dem Wein spricht er allerdings mäßig zu, denn stets eingeschaltet ist sein Alarm-Pieper vom Deutschen Roten Kreuz; allzeit bereit zum Rettungseinsatz ist er selbst. 'Darüber ist auch Unsinn berichtet worden.' Daß er nämlich nur Sanitäter geworden sei, weil er Anschluß gesucht habe. 'Wirke ich kontaktgestört?' Der 26jährige mit der Konfektionsgröße von Ulrich Wickert beide trennt ein Zentimeter lacht. Die Versorgung Hilfsbedürftiger sei eine alte Passion von ihm. Schon in der DDR wollte er Krankenpfleger werden, durfte aber nicht wegen fehlenden Wehrdienstes. Der ehrenamtliche DRK-Sanitäter schiebt meistens Dienst bei Fußballspielen, Pop-Konzerten und den in Lübeck eher seltenen Demos. Doch ein halbes dutzendmal pro Jahr gibt der Pieper auch spontanen Alarm. So in der Nacht zum 18. Januar 1996.
Die Brandnacht liegt heute hinter ihm. Ein abgeschlossenes Kapitel, ohne nachwirkende Angstträume. Bilder aus der Nacht haften noch in seinem Kopf, wie die Einstellungen eines besonders eindringlichen Films; doch der Schrekken eines Infernos, das zehn Menschen nicht überlebten, hinterließ den Helfer Leonhardt unversehrt. Warum aber die plötzlichen Tränen, als er am anderen Morgen müde und verdreckt in seinem engen Badezimmer stand und sich im Spiegel sah (ein Detail, das ihm von der Verteidigung die süffisante Frage eintrug, weshalb er sich zum Weinen extra vor den Spiegel stelle)? 'Weil ich mich so ohnmächtig gefühlt habe und so Wut gehabt habe, weil ich nicht helfen konnte. Weil ich keinem etwas wiedergeben konnte von dem, was er verloren hatte. Weil ich wie ein klägliches kleines Würstchen dastand.' Schlüsselsätze. Hilfloser Helfer zu sein, das ist ein Horror für ihn. 'Ich bin Sternzeichen Jungfrau', sagt er, 'die sind alle so: pflichtbewußt, korrekt und total perfektionistisch.' Manchmal nervt ihn seine Übergenauigkeit selbst. 'Ich war mal mit einer Freundin zusammen, die auch Sternzeichen Jungfrau war. Eine Katastrophe.' Ein Helfer mit Drang zur Mustergültigkeit.
Deswegen fühlte er sich mehr als unwohl, eher wie falsch besetzt, als ihn der junge Mann mit den angesengten Ohren, der allein auf der letzten Bank im Bus der Leichtverletzten saß, plötzlich mit seinem Geständnis überfallen habe. Leonhardt versuchte noch, ihn zu beschwichtigen 'So was sagt man doch nicht! Das kann einen doch Kopf und Kragen kosten!' doch vergebens. Safwan Eid habe ihm die 'ganze Geschichte' erzählt: vom Streit mit einem Familienvater, den sie gehabt, und dem Benzin, das sie dann an die Tür gekippt hätten. Mißverständnisse schließt Leonhardt aus. Wieder und wieder seien ihm die Worte des Libanesen durch den Kopf gegangen und hätten sich in seinem Gedächtnis festgesetzt wie mit Widerhaken. Er habe zwar Anstrengungen unternommen, das Gehörte wieder rauszubekommen aus seinem Kopf, aber ohne Erfolg. 'Kümmere dich nicht darum', habe er sich selbst zur Ordnung gerufen. 'Du mußt seine Ohren versorgen! Dich um die anderen Businsassen kümmern!' Vergessen aber habe er keine Silbe.
Zum Glück wurden dann ja sehr schnell die vier jungen Männer aus Grevesmühlen als mutmaßliche Brandstifter festgenommen. Doch als er am nächsten Tag im Autoradio hörte, daß die vier ein Alibi gehabt hätten und wieder frei seien, da begann das Riesenrad in seinem Kopf erneut zu rotieren. Oma merkte als erste, daß etwas mit ihm nicht stimmte. Sie rechneten gerade den Einkauf ab. 'Junge, was ist los? Du bist ja gar nicht bei der Sache!' Schließlich rückte er mit der Sprache heraus. 'Dann mußt du zur Polizei', entschied Oma. Aber er war doch als Helfer ausgebildet und alarmiert worden, um Menschen in Not beizustehen. Und jetzt sollte er jemanden, der Beistand bei ihm gesucht hatte, in die Klemme bringen? War er nicht moralisch zum Schweigen verpflichtet, wie ein Arzt oder Pfarrer? 'Und wenn jemand anderes verurteilt wird?' fragte Oma. 'Na, da saß ich nun.' Das Riesenrad rotierte weiter. Auch sein Freund Mathias, Rettungssanitäter wie er, konnte es nicht stoppen. Jens fragte ihn um Rat und bekam die Antwort: 'Das mußt du entscheiden.'
Schließlich entschied er sich für eine Aussage bei der Kripo. Er glaubte, das könne er sozusagen im Vorübergehen machen und hinterher noch zu der Marionettentheater-Vorstellung, zu der die DRK-Gruppe an diesem Abend verabredet war. Doch die anderen saßen lange im Theater, als er endlich aus dem Polizeipräsidium kam und mit weichen Knien nach Hause fuhr. 'Ich kam mir richtig schlecht vor. Wie eine Petze. "Herr Lehrer, ich weiß, wer die Kreide naß gemacht hat".' Er stockt, trinkt einen Schluck Alsterwasser. 'Na, und dann ging die ganze Geschichte los.' Die Polizisten hatten ihn gewarnt. Bei einem Zeugen seiner Wichtigkeit müsse der Leumund überprüft werden. Polizeibeamte erschienen bei seinem Chef, beim Roten Kreuz, bei Freunden, sogar bei Oma. Alles wollten sie wissen, ob er trinkt, angibt, politisiert, pünktlich sei oder unzuverlässig. Darauf war er gefaßt. Nicht darauf, welcher Mega-Star er über Nacht für die Medien wurde. Journalisten lauerten vor dem Großmarkt, wo er arbeitet, kletterten über Omas Gartenzaun, verfolgten ihn im Auto, terrorisierten ihn mit Anrufen. 'Da waren welche dabei, die noch bevor sie ihren Namen sagten die Summe in den Hörer brüllten "10000 Mark, Herr Leonhardt, wenn Sie exklusiv mit uns reden!" '
Seitdem hat er ihn, diesen Kontrolletti-Blick, diese lauernde Übersicht, ob die Autos in der Straße auch wirklich dort hingehören oder verdächtig sind, wie der Mann, der da gerade aus dem Blumengeschäft tritt.
Als die Nachstellungen ihm zu bunt wurden, brachte ihn die Polizei unter falschem Namen in einem Hotel unter. Als er dorthin eskortiert wurde in einem zivilen Polizeiwagen, hatte er zum erstenmal um seine Fassung zu kämpfen. 'Ich stand völlig neben mir. Ich dachte immer nur: wie im schlechten Russen-Film. In den Russen-Filmen war nämlich immer alles möglich.' Als er aus dem Hotelzimmer bei seinen Eltern in Eisenhüttenstadt anrief, für die der Sohn der nicht mehr ans Telefon ging seit Tagen verschollen war, brach seine Mutter in Tränen aus. Sie begriff nichts von seiner tatsächlichen Lage, hatte aber das unabweisbare Gefühl, ihr Sohn sei in irgend etwas ganz Schreckliches hineingeraten. Das gleiche Gefühl hatte er selbst, als er am nächsten Morgen zum Frühstück ging. Alles voller TV-Teams und Reporter. Die Polizei hatte ihn in der Höhle des Löwen untergebracht. Und immer mehr von diesen Reportern und von den Sympathisanten des inzwischen einsitzenden Angeklagten begannen jetzt, sich mit ihm, dem 'Hauptbelastungszeugen', zu befassen. Keine Spekulation, der nicht nachgegangen, kein Motiv, das ihm nicht unterstellt wurde. Für etliche war Jens Leonhardt jetzt die Haßfigur der Mann, der dafür gesorgt hatte, daß 'aus Opfern Täter gemacht wurden'. Geltungssucht wurde ihm unterstellt und Geldgier, er wurde verdächtigt, es nur auf die ausgesetzte Belohnung abgesehen zu haben. Das nahm er hin.
Doch dann begann selbst er, der Maßvolle, sich 'maßlos zu ärgern', als immer neue, immer aberwitzigere Konstruktionen und Spekulationen versuchten, eine Verbindung zwischen ihm und den Neonazis herzustellen. Unterstellung: Aus politischer Sympathie mit rechts habe er vorsätzlich und wider besseres Wissen einen Unschuldigen der Brandstiftung bezichtigt. 'Das lesen jetzt alle', dachte er voll knirschender, hilfloser Wut. 'Die Kollegen auf der Arbeit, die Leute beim Roten Kreuz, meine Eltern, die alten Freunde in Eisenhüttenstadt. Die, die mir nahe sind, sind ja kein Problem. Die kennen mich. Aber was ist mit denen, die mir nicht so nah sind? Was werden die von mir glauben?'
Mit solchen Problemen blieb er allein. Da konnten auch die freundlichen Kriminalbeamten, die rund um die Uhr für ihn ansprechbar waren, nicht helfen. Jens Leonhardt begann, noch vorsichtiger zu werden. Trug die Haare nicht mehr so kurz, wie er gern gewollt hätte. Ließ die Stiefel, die ihm gefielen, im Geschäft, weil man womöglich 'Springerstiefel' darin hätte sehen können. Ließ auch die dikke Jacke im Schrank, damit nicht der Verdacht aufkommen könne, er trage eine 'Bomberjacke'. Wider Willen lachen mußte er im Sommer 1996 über einen Auftritt, der für ihn eigentlich zum Heulen war. Unter konspirativen Umständen war er mit Freundin und einem befreundeten Paar an einen bayerischen See in den Urlaub gefahren, dort aber von einem Journalisten aufgespürt worden. Der Mann, der angab, für die ARD zu arbeiten, hatte sich trotz sommerlicher Temperaturen in Springerstiefel und Bomberjacke gezwängt, weil er offenbar glaubte, in diesem Outfit ein besseres Entree zu haben. 'Lächerlich', sagt Leonhardt, 'aber der Urlaub war im Eimer.'
Irgendwann wollte er sich nicht mehr verstecken. 'Wie lange soll so was denn gehen?' Er beschloß, wieder auf Feste zu gehen, Veranstaltungen, Partys. Nahm in Kauf, angestarrt zu werden, und war ständig auf unangenehme Begegnungen gefaßt. Vergnügen mit zusammengebissenen Zähnen. Worauf er am wenigsten gefaßt war, das war dann seine eigene Zeugenvernehmung vor Gericht. Wohl hatte ein freundlicher Herr von der Zeugenbetreuung ihm vorher einmal den leeren Gerichtssaal gezeigt und die Sitzverteilung erläutert. Man hatte ihm auch angedeutet, daß seine Befragung lange dauern und haarig werden könnte.
Schon auf dem Weg ins Gericht hatte er wieder das 'Russenfilm-Gefühl': überall Polizei, Absperrungen, Blaulicht, das den Weg bahnte zum Hintereingang und die ganze Zeit das Wissen im Kopf, das passiert alles nur deinetwegen. Hatten die anderen doch recht? Die ihm zugesetzt hatten all die Monate mit ihren fürsorglichen Vorwürfen: 'Hättest du bloß den Mund gehalten! Hättest du doch die Sache einfach vergessen! Jetzt schau dir an, was du angerichtet hast!' Nein. Er schüttelte die Zweifel ab. Er hatte richtig gehandelt. Er würde es wieder tun. Lockerer als erwartet verlief das Wiedersehen mit dem Angeklagten, der inzwischen ja wieder auf freiem Fuß war, weil das Gericht 'hinreichenden Tatverdacht' bejaht, 'dringenden Tatverdacht' aber verneint hatte. 'Wir haben uns in den Verhandlungspausen mit vielleicht einem halben Meter Abstand gegenübergesessen. Da war nichts. Kein böser Blick. Keine Bemerkung. Gar nichts.'
Sieben Stunden dauerte die Vernehmung von Jens Leonhardt, und die längste Zeit nahm die Befragung durch die beiden Verteidigerinnen Gabriele Heinecke und Barbara Klawitter ein. Der Sanitäter hatte von ihnen keine Kirchenchor-Harmonie erwartet, auf Takt- und Herzlosigkeit war er gefaßt. Nicht darauf, daß die Vernehmung Kommunikationsgesetzen folgte, die er nicht begriff. 'Wenn ich auf einen angeblichen Widerspruch in meinen Aussagen angesprochen werde, dann versuche ich, ihn zu erklären. Werde ich zum fünftenmal darauf angesprochen, dann versuche ich zum fünftenmal, ihn zu erklären. Und ich erwarte, daß man versucht, meine Erklärung zu verstehen. Das taten die Verteidigerinnen aber nicht.' Im Gegenteil. Den Anwältinnen des Angeklagten konnte es gar nicht darum gehen, diesen Hauptbelastungszeugen für ihren Mandanten zu verstehen, sondern möglichst viele Widersprüche in seinen Aussagen herauszutüfteln, die womöglich seine Glaubwürdigkeit erschüttern könnten. Das taten sie mit Akribie und unendlicher Geduld. Soviel, daß der Vorsitzende Richter die seine gelegentlich verlor und darauf hinwies, daß der Zeuge die gestellte Frage bereits mehrfach beantwortet habe was Leonhardt 'cool' fand und dankbar registrierte. Opfer? Er denkt nach, schüttelt dann den Kopf. Nein, als Opfer habe er sich eigentlich in keinem Moment gefühlt, auch bei den indiskretesten Fragen nicht. 'So was muß man eben ertragen.' Gefühlt habe er sich eher wie der Zuschauer eines Spiels, dessen Regeln er nicht begreift.
So geht es ihm heute noch, wenn er den monatelangen Zank im Gerichtssaal um die Bedeutung eines Zeugen oder die Wichtigkeit eines Indizes verfolgt. Am liebsten würde er dann noch einmal in die Mitte des Gerichtssaales treten und allen Richtern, Schöffen, Staatsanwälten und Verteidigern ins Gesicht schreien: 'Aber er hat es mir doch gesagt!' Er selbst auf der Richterbank? Eine Horrorvorstellung für den Jungfrau-Mann. 'Mit halben Wahrheiten könnte ich nie leben.' Zum Glück für sein eigenes Seelenheil hat sich nie auch nur der Schatten eines Zweifels auf seine Gewißheit gelegt, mit seiner Aussage über das Geständnis von Safwan Eid die Wahrheit über die Brandstiftung ans Licht gebracht zu haben. Und an dieser Gewißheit wird der Prozeß nichts ändern. Egal, wie lange er noch dauert und wie er ausgeht. Am nächsten Morgen weinte er, 'weil ich mich so ohnmächtig gefühlt habe. Weil ich wie ein klägliches kleines Würstchen dastand' Er war doch als Helfer ausgebildet worden. Jetzt sollte er jemanden in die Klemme bringen? War er nicht zum Schweigen verpflichtet? Für etliche war Jens Leonhardt jetzt die Haßfigur der Mann, der dafür gesorgt hatte, daß 'aus Opfern Täter gemacht wurden'


Quelle: STERN
Datum: 10-04-1997
Ausgabe: 16
Seite: 122
Autor: PETER SANDMEYER

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