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Fri Sep  4 00:27:52 1998
 

 


NACHFRAGE: Was macht eigentlich...

...JEAN-DANIEL MAKODILA? Der Buchhalter aus Zaire verlor am 18. Januar dieses Jahres beim Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim an der Lübecker Hafenstraße seine Frau und fünf Kinder


STERN: Überlegen Sie oft, wer das Feuer in der Lübecker Hafenstraße gelegt hat?

MAKODILA: Ja, denn niemand weiß, wer der Täter ist. Aber ich bin zuversichtlich, daß die Wahrheit beim Prozeß herauskommen wird.

STERN: Haben Sie Angst vor der Gerichtsverhandlung?

MAKODILA: Natürlich kommen da Gefühle hoch, die weh tun. Alles geht wieder von vorne los. Aber es ist schlimmer, mit dieser Ungewißheit zu leben, als endlich die Wahrheit zu erfahren.

STERN: Wie geht es Ihnen heute?

MAKODILA: Ich habe quälende Kopf- und Rückenschmerzen. Ich brauche dringend therapeutische Hilfe, aber bis jetzt bekomme ich nur Spritzen. Ich kann deshalb auch nicht arbeiten.

STERN: Sie wirken sehr ruhig und gelassen. Wie schafft man es, den Tod der gesamten Familie zu verkraften?

MAKODILA: Ich bete jeden Tag. Stundenlang. Was bleibt mir sonst? Ich bin Katholik. Und ich versuche, daß meine Familie endlich Grabsteine bekommt. Denn in Kinshasa, wo sie beerdigt sind, stehen bisher nur Betonkreuze.

STERN: Was ist Ihnen von Frau und Kindern geblieben?

MAKODILA: Nichts. Fotos, Puppen, Stofftiere - es ist alles verbrannt. Auch die Geschenke für meine Tochter Christelle, die zwei Tage zuvor noch ihren achten Geburtstag feierte.

STERN: Gab es - so hieß es ja immer wieder - zwischen den Bewohnern in Ihrem Haus Streit?

MAKODILA: Wir haben fünf Jahre in der Hafenstraße gewohnt. Meine beiden jüngsten Kinder sind hier geboren. Wir hatten keine Feinde. Wir haben zufrieden in Lübeck gelebt.

STERN: Aber Sie haben doch lange Zeit versucht, eine neue Wohnung zu bekommen?

MAKODILA: Meine beiden Söhne litten unter Hautallergien, der jüngste bekam Erstickungsanfälle. Die Zimmer waren feucht. Dreimal bin ich zum Leiter des Lübecker Ordnungsamtes gegangen und habe ihm die Pusteln auf der Kinderhaut gezeigt.

STERN: Und dann?

MAKODILA: Der Beamte schickte einen Amtsarzt vorbei. Der hat gesagt, daß das alles nicht so schlimm sei. Wir müßten nur mehr lüften. Als er noch mal zu uns kam, sagte er, daß wir dringend umziehen müssen. Aber das Ordnungsamt hat gesagt, es gibt keine andere Wohnung.

STERN: Werden Sie in Deutschland bleiben?

MAKODILA: Das entscheide ich nach dem Prozeß. Ich habe eine Aufenthaltsgenehmigung aus besonderen humanitären Gründen bis zum 21. Februar 1997 bekommen.

STERN: Wo waren Sie denn in der Brandnacht?

MAKODILA: Ich bin der norddeutsche Präsident der Christlichen Demokratischen Sozialen Partei von Zaire in Deutschland und mußte am Tag vor dem Brand zu einer Versammlung nach Aachen. Ich wollte eigentlich absagen, weil mein Auto kaputt war. Aber die Leute von der Partei haben gesagt, daß ich unbedingt kommen müßte.

STERN: Erinnern Sie sich noch an die letzten Stunden mit Ihrer Familie?

MAKODILA: Morgens um halb neun habe ich meine Kinder Legrand und Christelle wie immer in den Kindergarten und die Schule gebracht. Und kurz nach Mitternacht habe ich noch mit meiner Frau telefoniert. Zu Hause war alles normal.

© Copyright STERN 1996