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Fri Sep  4 00:21:32 1998
 

Kieler Nachrichten, 09.04.98

Hafenstraße: Geständnis auf Druck eines Mitgefangenen? 

Lübeck (km) Mehr als zwei Jahre nach dem unaufgeklärten Brandanschlag auf das Asylbewerberheim in der Lübecker Hafenstraße ermittelt die Staatsanwaltschaft jetzt wegen besonders schwerer Brandstiftung erneut gegen vier Männer aus dem mecklenburgischen Grevesmühlen. Einer aus dem Quartett, der 20jährige Maik W., habe die Tat am 23. Februar in der Justizvollzugsanstalt in Neustrelitz gestanden und drei Tage später widerrufen, teilte die Staatsanwaltschaft gestern mit. 

Mithäftlingen und einem JVA-Bediensteten gegenüber habe Maik W. zuvor unter anderem erzählt, er sei in einer Lübecker Kneipe von einem Unbekannten für den Anschlag angeheuert worden. Dabei seien 20000 Mark über den Tisch gegangen, die die vier Tatverdächtigen dann unter sich aufgeteilt hätten. Für den Staatsanwalt, der ihn am 23. Februar in Neustrelitz vernahm, habe Maik W. anderslautende und "widersprüchliche Aussagen" parat gehabt. Am 26. Februar sei er von seinem Geständnis wieder abgerückt: Angeblich sei er von Mitgefangenen unter Druck gesetzt worden und habe sich geärgert, daß die drei anderen Grevesmühlener ihn in der Haft nicht besucht hätten.

"Nach vorläufiger Bewertung", sagte gestern der Lübecker Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Schultz, gebe es "derzeit keine Wende" in dem unaufgeklärten Verfahren um den Brand, bei dem am 18. Januar 1996 zehn Menschen starben. Einer der Tatverdächtigen - Dirk T. - bestreite die Vorwürfe, Ren B. und Heiko P. hätten über ihre Anwälte noch keine Stellung dazu genommen.
Bereits unmittelbar nach dem Brand waren die Männer ins Visier der Ermittler geraten, jedoch kurz darauf wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Damals ging die Staatsanwaltschaft von einem hieb- und stichfesten Alibi aus. Das angenommene Alibi galt jedoch nur für drei der vier und erwies sich später als ebenso problematisch wie der Umstand, daß drei der Männer, darunter Dirk T., den kein Alibi entlastete, frisch versengte Haare hatten. Die abstrusen Erklärungen des Trios hielten die Ermittler für unwiderlegbar. LKA-Gutachter belehrten sie eines anderen, nachdem die ursprünglichen, von gravierenden Versäumnissen geprägten Ermittlungen im Mai 1996 eingestellt worden waren. 

Im Dezember 1996 soll sich Maik W. schon einmal mit der Tat gebrüstet haben: Die Polizei könne ihm nichts anhaben; er sei ja bereits in Lübeck beim Anschlag auf das Asylbewerberheim dabeigewesen. Die Lübecker Staatsanwaltschaft habe den 20jährigen damals zu seinen, wie es hieß, "sehr allgemeinen" Angaben nicht befragt, weil man ihn nicht habe auftreiben können.

Wegen der Brandstiftung mußte sich der libanesische frühere Hausbewohner Safwan E. vor dem Lübecker Landgericht verantworten und wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Eine Entscheidung über die von Nebenklägern beantragte Revision will der BGH am 22. Juli treffen.


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