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Kieler Nachrichten vom 03.01.97

Prozeß gegen Safwan Eid fortgesetzt: Gericht zeigte Videoaufnahmen aus dem Unglückshaus

Das Grauen der Brandnacht sitzt tief

Lübeck - Vor fast einem Jahr ist in der Lübecker Hafenstraße ein Asylberwerberheim abgebrannt. Zehn Menschen starben, 38 wurden verletzt. Ob das Feuer am 18. Januar durch einen Anschlag von außen verursacht wurde oder ob der Angeklagte libanesische Hausbewohner Safwan Eid den Brand im Innern des Gebäudes gelegt hat, versucht die II. Strafkammer des Lübecker Landgerichts seit dem 16. September zu klären. Das Grauen der Brandnacht, die Leiden der Opfer und ihrer Angehörigen sind darüber beinahe in Vergessenheit geraten. Doch gestern, am 27. Verhandlungstag, wurde die schreckliche Vergangenheit gegenwärtig. Das Gericht zeigte Videoaufnahmen aus der Brandnacht - von den Brandermittlungen und den Opfern.

"Brandsache Lübeck" flimmert es auf einem von zwei Fernsehschirmen, die im Saal 163 aufgebaut sind. Es folgen Bilder des lichterloh brennenden Hauses. Dicker Qualm dringt aus dem Dach, hinter den Fenstern züngeln Flammen. Blaulichter zucken. Im grellen Licht der Suchscheinwerfer tragen Feuerwehrleute in weiße Folien gehüllte Leichen zur Sammelstelle. Im Hintergrund sind Schreie zu hören. Aus dem Vorbau des Hauses wird mit Sylvio Amossou der Leichnam des Mannes geborgen, dessen Tod nach wie vor ungeklärt ist. Ob er, wie die Verteidigung glaubt, vor seinem Ableben mit einem Stück Draht gefesselt war, läßt sich jedoch anhand der Videoaufnahmen nicht eindeutig sagen. Nicht einmal die Detailbilder aus der Gerichtsmedizin geben darüber Aufschluß.

Die Kamera zeigt den Vorbau des Asylbewerberheims. Dort ist nach Auffassung der Verteidigung der Brand durch einen Anschlag von außen gelegt worden. Doch der Zustand des hölzernen Anbaus scheint diese Theorie zu widerlegen. Die Dachpappe ist unversehrt, die Bretter von außen sind größtenteils unbeschädigt. Dagegen ist das Dach des dreistöckigen Hauses zur Hälfte zerstört. Bilder aus der Vogelperspektive machen deutlich: Oben hat das Feuer besonders schlimm gewütet. Zum Teil sind nur noch verkohlte Stützbalken zu sehen.

Dann wird es unübersichtlich. Weil Einblendungen und Kommentare fehlen, ist für den Zuschauer kaum mehr nachvollziehbar, wo die Kamera gerade Station macht. Männer in blauen Overalls, die wie Archäologen den Bauschutt durchsieben, kommen ins Bild. Es sind Polizeibeamte. Einer untersucht später mit einem Foto-Ionisations-Detektor die Türschwelle eines Zimmers im ersten Stock nach Resten einer brennbaren Flüssigkeit, die nach Ansicht der Staatsanwaltschaft von dem Angeklagten und/oder unbekannten Mittätern dort in Brand gesetzt wurde. Die Suche ist jedoch vergeblich.

Später kommt an gleicher Stelle der Brandgutachter des Landeskriminalamtes ins Bild. Sein Kommentar: Hier habe jemand nachgeholfen. Ansonsten seien die extremen Brandbelastungen nicht zu erklären.

Die Suche nach der Wahrheit im Gerichtssaal nimmt auf menschRücksicht. Bilder aus der Gerichtsmedizin flimmern über die Monitore. Sie zeigen die zum Teil stark verkohlten Leichen der Hausbewohner. Sachlich nüchtern kommentiert der Pathologe: "Männliches Kind, vermutlich Windelträger." Als die Leiche von Rabia El Omari gezeigt wird, beginnen seine Angehörigen im Gerichtssaal mit lautem Wehklagen. Das Grauen der Brandnacht sitzt tief.
KAI-UWE DREWS


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