nadir start
 
initiativ periodika Archiv adressbuch kampagnen suche aktuell
Online seit:
Fri Sep  4 00:20:56 1998
 

Kieler Nachrichten vom 12.12.96

Sprachprobleme beim Hafenstraßenprozeß

Lübeck - Im Hafenstraßen-Prozeß vor dem Lübecker Landgericht wird die Vernehmung der ehemaligen Hausbewohner zunehmend zum Problem. Da jede Frage, jeder Vorhalt aus den Akten ins Französische, Portugiesische oder Arabische übersetzt werden muß, wird manches schwer Erklärliche häufig unter dem Rubrum Verständigungsschwierigkeit abgebucht. Auf diese Weise bleiben möglicherweise wichtige Details in dem strittigen Indizienprozeß im dunkeln.

Daß dem so ist, liegt in der Regel nicht an den Dolmetschern. Diese beherrschen ihr Handwerk mit wenigen Ausnahmen perfekt. Vielmehr sind es die Fragesteller, die Übersetzer und Zeugen - teils aus taktischem Kalkül - mit kaum lösbaren Sprachrätseln konfrontieren. Sowohl Verteidigung als auch Nebenkläger und mit Abstrichen Staatsanwälte formulieren ihre Fragen und Aktenvorhalte zuweilen in einem Deutsch, bei dem selbst Germanisten die Stirn runzeln. Häufig wird mit doppelten Negationen gearbeitet. Das Sprachtempo ist hoch.

Wie problematisch derartige Befragungen im Ergebnis sein können, wurde gestern, am 24. Verhandlungstag, einmal mehr deutlich. Joao Bunga (32), ein aus Angola stammender Mann, lieferte auf ein und dieselbe Frage bis zu drei verschiedene Antwortversionen. So verneinte er zunächst die Frage der Staatsanwaltschaft, ob er etwas von einer gemeinsamen Erklärung der Hausbewohner wisse. In der Folge erklärte er dann, daß man sich zweimal in der Woche getroffen und seine Ideen und Gedanken zusammengefaßt habe. Auf nochmalige Nachfrage räumte er schließlich ein, Safwan Eid für unschuldig zu halten. "Wenn er es getan hätte, würde er nicht im Haus sein", sagte er zur Begründung.

Trotz aller Übersetzungsprobleme wurde jedoch deutlich, daß Bunga sich vom Inhalt seiner früheren Vernehmungen bei der Polizei distanziert. Dort sei er zu aufgeregt gewesen, um der Übersetzung zu folgen. Für die Verteidigung des angeklagten Libanesen Safwan Eid ist das von Bedeutung. Denn bei der Polizei hatte Bunga ausgesagt, den Libanesen an einer Stelle auf dem brennenden Hausdach getroffen zu haben, die sich nicht mit dessen Aussagen deckt: Über dem Eingang, weil es dort nicht so stark gebrannt habe. Eid sei in Begleitung seines kleinen Bruders gewesen. Den älteren Bruder des Angeklagten, der nach dessen Aussage ebenfalls auf dem Dach gewesen sein soll, habe er nicht bemerkt. KAI-UWE DREWS


[Lübeck - Hauptseite | Presse | Was gibt's Neues | Inhalt | Feedback ]