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Datum=20.11.1996; Seite=8; Artikel=safe5; Schlagwort=Kriminalität/Brände/Prozesse/;


Titel: LÜBECK (lno).

Text:

Im Lübecker Brandprozeß hat gestern ein Zeuge ausgesagt, der Vater des Angeklagten habe versucht, Aussagen zu beeinflussen. Der 23jährige Walid El-Omari, ein ehemaliger Hausbewohner sagte, der Vater von Safwan Eid habe Monate nach dem Brand bei der Familie El-Omari angerufen. "Da kommen Reporter, die mit den Kindern sprechen wollen. Sie sollen sagen, daß das Fenster im Vorbau offen war," soll er gesagt haben. Das Fenster spielt eine wichtige Rolle in der Theorie der Verteidigung, die einen Anschlag von außen annimmt.

Der Brandschutzexperte Ernst Achilles hatte nach einer Besichtigung der Brandruine Anfang April erklärt, dieses Fenster hätte leicht von außen geöffnet werden können. Deshalb und wegen des Spurenbildes im Haus halte er einen Anschlag von außen für wahrscheinlich. Die Staatsanwaltschaft geht dagegen, gestützt auf Gutachter des Bundes- und des Landeskriminalamtes davon aus, daß der Hausbewohner Safwan Eid das Feuer im ersten Stock des Hauses gelegt hat. Bei dem Brand im Januar waren zehn Menschen getötet und 38 verletzt worden.

Über diesen Anruf habe sich seine Familie sehr gewundert, berichtete der Zeuge. "Wir wußten, daß das Fenster geschlossen war, wir haben es niemals offen gesehen," sagte der junge Mann, der mit seiner Familie im zweiten Stock des Hauses gelebt hatte. Obwohl es mit der Familie sonst nur oberflächliche Nachbarschaftskontakte gegeben habe, hätten Mitglieder der Familie Eid ihn zweimal im Krankenhaus besucht.

Beim ersten Mal habe der Angeklagte ihm erzählt, sein Vater habe von einer "Bombe" gesprochen. Beim zweiten Besuch habe der Vater selbst mehrfach von einer "Bombe" um 2.30 Uhr gesprochen. Auch diese Aussage habe ihn stutzig gemacht, sagte der Zeuge. "Ich dachte mir, das müsse eine Lüge sein. Im Fernsehen hatten wir gehört, der Brand sei erst um 3.42 Uhr gewesen," erklärte er. Wie zuvor auch seinen beiden Schwestern berichtete Walid El- Omari von einem "normalen Nachbarschaftsverhältnis" in dem Haus. Einmal habe sein bei dem Brand ums Leben gekommener Bruder einen Streit mit einem Bruder des Angeklagten gehabt, berichteten die Geschwister übereinstimmend. Anders als seine Schwestern sagte der Zeuge, er habe in der Brandnacht vor Ausbruch des Feuers Streit in einer afrikanischen Sprache gehört. Er könne jedoch nicht sagen, ob die Streitenden sich im Haus oder auf der Straße befunden hätten. Er bestätigte damit eine Aussage seiner Mutter, die an einem zurückliegenden Verhandlungstag von "streitenden Männern im Haus" gesprochen hatte. Diese Aussagen unterstützen die Annahme der Staatsanwaltschaft. Sie geht davon aus, daß Streit ein Motiv für die Brandstiftung gewesen ist.

Die Hoffnungen auf ein baldiges Ende des seit dem 16. September dauernden Prozesses hatte der Vorsitzende am Mittwoch morgen gedämpft, als er die weitere Terminplanunge des Gerichts bis Mai bekannt gab.

"Bislang stecken wir noch mitten in der Beweisaufnahme und haben noch nicht allzuviel an Klärung erreicht," sagte der Vorsitzende Richter Rolf Wilcken. Von den Ausführungen der Gutachter, die nach den bisherigen Planungen im Februar gehört werden sollten, erhoffe man sich einiges, erklärte er. dpa/lno em 201659 Nov 96


Eingang=DPA_20/11_16:02


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