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Sonntag, 10. November 1996

Zäsur im Brandprozeß in Lübeck: Was werden die Hausbewohner sagen?

Lübeck (dpa/eu) - Im Saal 163 des Landgerichts in Lübeck haben sich die Reihen der Zuschauer gelichtet, der angeklagte Libanese Safwan Eid malt scheinbar gelangweilt Figuren auf ein Blatt Papier. 14 Verhandlungstage sind im Prozeß um den Brand in einem Asylbewerberheim in Lübeck (Schleswig-Holstein) vergangen.

Polizisten, Feuerwehrmänner und Rettungssanitäter haben ihre Aussagen gemacht. Viele Zuhörer haben offenbar den Eindruck gewonnen, da käme nicht mehr viel Neues. Das könnte sich jedoch an diesem Montag ändern. Dann sollen die ersten Hausbewohner aussagen, die das verheerende Feuer am 18. Januar überlebten, bei dem zehn Menschen starben und 38 verletzt wurden.

Seit dem 16. September muß sich Eid vor der Jugendstrafkammer verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, das Feuer gelegt zu haben. Für diese These spricht einiges, wenn man die Aussagen der bisherigen Zeugen berücksichtigt. Bis auf wenige Ausnahmen haben alle zunächst Flammen im ersten Stock des Hauses gesehen.

Besonders heftig, so erklärten viele Zeugen, loderten die Flammen hinter den Fenstern eines Eckzimmers im ersten Stock. Auf dem Flur vor diesem Zimmer fand die Spurensicherung die stärksten Brandspuren. Kriminal-Experten hatten unabhängig voneinander diese Stelle als Ausbruchsstelle des Brandes festgestellt.

Auch das angebliche Geständnis des Angeklagten wurde bislang nicht widerlegt. Der Hauptzeuge der Anklage, ein Rettungs-Sanitäter, wiederholte vor Gericht seine Aussagen, wie er sie schon bei der Polizei gemacht hatte. Vier Männer bestätigten, daß der Sanitäter ihnen unmittelbar nach dem Einsatz von diesem Geständnis berichtet habe.

Und sie zeichneten ein positives Bild von dem Zeugen. Der Sanitäter sei keiner, der viel rede, sondern ein ruhiger, zuverlässiger Mensch, der zuhören könne.

Andere Aussagen dagegen unterstützten die Annahme der Verteidigung, daß das Feuer von außen in dem Vorbau des Hauses gelegt wurde. Der Brandschutzexperte Ernst Achilles hält diese Möglichkeit für wahrscheinlich. Eine Handvoll Zeugen, darunter auch mehrere Feuerwehrmänner hatten erklärt, der hölzerne Anbau habe bei ihrem Eintreffen in Flammen gestanden.

In Verdacht geraten waren mehrere rechtsradikale Jugendliche, die nach dem Feuer vorübergehend festgenommen worden waren. Die Staatsanwaltschaft sah anschließend jedoch keinen Grund, gegen die vier jungen Männer weiter zu ermitteln.

Ob die Hausbewohner die Theorie bestätigen werden, daß das Feuer von außen gelegt wurde, bleibt abzuwarten. Ein Teil von ihnen hatte, unterstützt von anti-rassistischen Gruppierungen, bereits außerhalb des Gerichtssaales erklärt, sie hielten Eid für unschuldig und die Brandstiftung für einen rassistischen Anschlag. Als Nebenkläger träten sie nur auf, um Akteneinsicht zu erhalten und zur Wahrheitsfindung beizutragen.

Erste Risse hat die Front der angeblich in Freundschaft miteinander lebenden Asylbewerber bereits bekommen. Die Familie el Omari wurde in einem offenen Brief von einer der anti-rassistischen Gruppen aufgefordert, sich von ihrem Rechtsanwalt zu trennen, der "die Wahrheitsfindung durch seine Fragen und Anträge behindere".

Der Anwalt hatte sich einem inzwischen abgelehnten Befangenheitsantrag der Staatsanwaltschaft gegen den Gutachter Achilles angeschlossen. Die el Omaris, die im September in einen Streit mit den Eids im Gerichtssaal verwickelt waren, ließen über ihren Anwalt mitteilen: "Wir werden uns nicht dem Ansinnen beugen, Safwan von vornherein für unschuldig zu halten."


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