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Online seit:
Fri Sep  4 00:27:19 1998
 

An das
Landgericht
Lübeck

05.02.97

- 2a KLS 29/96 -

In der Strafsache
gegen
Herrn Safwan Eid

wird beantragt,

1. die Dia-Positive des Notarztes Dr. Krüger, die ausweislich des Vermerks von Herrn Koop vom l9.12.1996 ausgehändigt wurden, beizuziehen und der Verteidigung Einsicht zu gewähren;

2. Herrn Dr Krüger zu ersuchen seinen Diafilm an das Gericht herauszugeben, im Weigerungsfalle, den Diafilm des Notarztes Dr. Krüger als Beweismittel zu beschlagnahmen und der Verteidigung Einsicht zu gewähren;

3. die Bezirkskriminalinspektion zu verpflichten, sämtliche Unterlagen und Beweismittel d.h. alle körperlichen Gegenstände (Akten, Durchschriftenakten, Handakten, Spuren, Asservate, Fotos, Filme, Videofilme, Tonbänder), die Bezug zum anhängigen Verfahren haben und/oder im Rahmen der Ermittlungen zum Brand Hafenstr. 52 bis heute angefallen sind, unverändert an das Gericht herauszugeben;

4. dem Leiter der Bezirkskriminalinspektion aufzugeben, nach Erledigung des Antrags zu Ziff. 3 eine dienstliche Äußerung des Inhalts abzugeben, daß in seiner Behörde nichts zurückgehalten wird, was Bezug zum vorliegenden Verfahren hat.

Gründe:
Mit Schreiben vom 16.1.97 übersandte die StA dem Gericht u.a. einen Vermerk des Herrn Koop vom 19.12.1996 sowie sieben Fotos aus den Eingangsbereich, die vom Notarzt Dr. Krüger stammen sollen.

Im Vermerk von Herrn Koop vom 19.12.1996 heißt es:
"Am 6.12.1996 stellte mir der Notarzt Dr. Krüger (...) auf meine Bitte hin sieben (7) Dia-Positive zur Verfügung, von denen ich je fünf Color-Abzüge beim LKA Kiel anfertigen ließ (...) Im Frühjahr 1996 ??? standen mir diese sieben Dia-Positive auf Anregung von Herrn Dr. Krüger schon einmal zur Verfügung. Zum damaligen Zeitpunkt ging en um die Frage, ob Fotos existieren, auf denen der an der Leiche des Sylvio Amoussou gefundene Draht zu erkennen ist. Da der fragliche Draht auf diesen Fotos nicht zu erkennen war, habe ich keine Abzüge zum Ermittlungsvorgang genommen. (...) Zur Klarstellung und Nachvollziehbarkeit meiner damaligen Entscheidung habe ich nun diese Bilder anfertigen lassen und reiche sie hiermit zum Ermittlungsvorgang nach."

Die Verteidigung hatte im vorliegenden Verfahren schon ausreichend Gelegenheit, die Merkwürdigkeiten hinsichtlich der Dokumentation von Ermittlungsvorgänqen innerhalb der Bezirkskriminalinspektion Lübeck zu thematisieren. Erinnert sei an die aus einer Schublade der SoKo hervorgezauberten Fotos einer Durchsuchung bei B., erinnert sei daran, daß SoKo und Spurensicherung angeblich, sozusagen kollektiv, vergessen hatten ein Durchsuchungsprotokoll, einen Vermerk, eine Liste aufgefundener Gegenstände oder Fotos mit Bezug auf den kriminaltechnisch untersuchten Wartburg zu erstellen und/oder zur Akte zu geben. Erinnert sei an die lange Liste von Unterlassungen durch die Spurensicherung und erinnert sei an die Methode der Spurensicherung durch Spurenvernichtung.

Der Vorgang im Zusammenhang mit den Fotos des Notarztes Dr. Krüger gibt nun allerdings Veranlassung, die Methode des Hervorzauberns oder Verschwindenlassens von Aktenbestandteilen und/oder Asservaten einer genaueren Überprüfung zu unterziehen. Denn an den Fotos des Notarztes ist nicht nur die Leiche des Silvio Amoussou interessant, an diesen Fotos sind mindestens ebenso interessant die Innenansicht des hölzernen Vorbaus und die Gegebenheiten auf der Steintreppe

Das Gericht hat die auf den Fotos erkennbaren Reste einer Holzkonstruktion unmittelbar rechts neben dem Treppenaufgang bereits im Rahmen der Beweisaufnahme thematisiert. Hinzu kommt allerdings, daß auf den Fotos problemlos zu erkennen ist, daß mindestens die ersten sechs Stufen der Steintreppen frei sind, also keineswegs mit heruntergefallenen Teilen der darüber liegenden Treppe verlegt sind.

Angesichts der Tatsache daß es die Abteilung von Herrn Koop peinlichst vermieden hat, die Innenansicht des Vorbaus vor Beseitigung des Brandschutts fotografisch zu sichern, entsteht der Verdacht, Herr Koop habe die Fotos des Notarztes deshalb nicht zur Akte gegeben, weil diese Fotos - wenn auch nur unzureichend - Aufschluß darüber geben könnten, ob die Steintreppe nun durch herabgefallene Teile der darüberliegenden Treppe verlegt war oder nicht. Sicher würde Herr Koop erklären, er habe die Fotos nicht für relevant gehalten. wie auch die Spanplatte und anderes mehr. Nach dem bisherigen Verlauf der Beweisaufnahme kann jedoch nicht mehr zweifelhaft sein, daß die Entscheidung darüber, was relevant und was irrelevant ist, angesichts der erwiesenen Einäugigkeit der mit den vorliegenden Ermittlungen befaßten Beamten der Bezirkskriminalinspektion diesen nicht mehr überlassen werden darf.

Auch erschließt sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht, aus welchen Gründen Herr Koop der nicht Leiter der SoKo, sondern Leiter der Spurensicherung war und ist, die Fotos des Notarztes entweder in eine Schublade gesteckt oder nach einer ungewiß langen Zeit des "Ihm-zur-Verfüqung-Stehens" an den Notarzt zurückgegeben hat.

In Ergänzung des Antrags der Verteidigung vom 29.1.1997 auf Beiziehung verschiedener Aktenbestandteile und Fotomaterialien erscheint es nunmehr geboten, alles, was dieses Verfahren betrifft, von der Bezirkskriminalinspektion herauszuverlangen. Nur auf diese Weise kann der polizeilichen Selektion begegnet werden.

RAin Heinecke RAin Klawitter