nadir start
 
initiativ periodika Archiv adressbuch kampagnen suche aktuell
Online seit:
Sat Jun 10 18:05:12 2000
 

junge Welt Inland

19.06.1999
Von guten und schlechten Opfern
Von Peter Murakami

Als am Morgen des 18. Januar 1996 das Flüchtlingswohnheim in der Lübecker Hafenstraße in Flammen aufging und zehn Asylbewerber starben, war der zuständigen Staatsanwaltschaft sofort klar, daß ein »ausländerfeindlicher Hintergrund« ausgeschlossen sei. Dabei hatte eine Polizeistreife in unmittelbarer Nähe des brennenden Heimes drei Jugendliche mit angesengten Augenbrauen und rechtsradikalem Hintergrund angehalten, die sich mit Erklärungen hinsichtlich der Herkunft ihrer Versengungen ziemlich schwer taten. Geradezu grotesk muteten die bald darauf einsetzenden Bemühungen der Staatsanwaltschaft an, die aus Grevesmühlen stammenden Jugendlichen zu entlasten und statt dessen einen Überlebenden des Anschlags zum Täter zu machen. Noch während Safwan Eid vor Gericht stand, häuften sich Zeugenberichte, daß der ein oder andere Grevesmühlener sich mit der Brandstiftung gebrüstet hatte. Andere Zeugen berichteten, daß einer der drei Jugendlichen für die Durchführung des Brandanschlages 5000 Mark erhalten habe. Die Staatsanwaltschaft fiel regelmäßig durch einen äußerst behäbigen Umgang mit diesen Spuren auf.

Am Ende hieß es dann jeweils, daß die Täterschaft der Grevesmühlener nicht mit den »objektiven Tatumständen« nicht übereinstimme.

Als der Staatsanwaltschaft klar wurde, daß Safwan Eid nicht als Täter in Frage kam und sie einen Freispruch beantragte, übernahm plötzlich die nächsthöhere Instanz, das Landgericht Kiel, die Aufgabe, die Fakten der Auffassung anzupassen, nach dem sich die Ausländer selbst abgefackelt haben müssen. Diese trübe Gesinnung schlägt sich auch in der jüngsten juristischen Entscheidung nieder, zehn Nebenkläger, die sich für einen Freispruch Safwan Eids und für eine Verfolgung der Verdächtigen Grevesmühlener eingesetz hatten, kurzerhand vom Prozeß auszuschließen. Es gibt eben gute und schlechte Opfer.

© junge Welt