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junge Welt, Donnerstag, 13. Februar 1997, Nr. 37, Seite 6, Inland

>> Staatsanwalt ermittelt

> Lübeck: Autorität des Gerichts untergraben

Im Lübecker Brandprozeß gegen den Libanesen Safwan Eid hat am Mittwoch der Sachverständige des Kieler Landeskriminalamtes, Lothar Witthöft, erklärt, daß zumindest ein Fenster im hölzernen Vorbau des Flüchtlingsheims auch im verriegelten Zustand durch Hebelwirkung zu öffnen gewesen sei. Entsprechende Spuren habe er aber bei seiner Untersuchung nicht mehr feststellen können. An einem weiteren Fenster des Vorbaus habe er jedoch Hebelspuren gefunden. Woher die gekommen sein könnten, blieb jedoch unklar.

Vor der Vernehmung des Zeugen hatte die Verteidigerin Safwan Eids, Gabriele Heinecke aus Hamburg, vergeblich Bedenken gegen die Anhörung des LKA-Beamten zu diesem Zeitpunkt geäußert, da nicht klar sei, ob die von Witthöft festgestellten Beschädigungen an den Fenstern möglicherweise von Feuerwehrleuten während des Löscheinsatzes vorgenommen worden seien. Die Frage müsse das Gericht zuerst klären, regte Heinecke an. Ihre Kollegin Barbara Klawitter aus Hannover kritisierte, daß die Staatsanwaltschaft immer noch Feuerwehrleute polizeilich vernehmen lasse, um festzustellen, woher die Beschädigungen an den Fenstern stammten. Das sei aber Aufgabe des Gerichts, betonte Klawitter und verlangte von dem Vorsitzenden Richter Rolf Wilken, die weiteren polizeilichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu unterbinden. Wilken nahm die Kritik der Rechtsanwältin an der Staatsanwaltschaft als Anregung, die Vertreter der Strafverfolgungsbehörde darüber zu belehren, daß umfangreiche weitere polizeiliche Ermittlungen nach einer Anklageerhebung nicht mehr zulässig seien.

Am Vormittag hatte der ehemalige Hausbewohner Sylvere Atty als Zeuge vor dem Gericht erklärt, er sei in der Brandnacht, am 18. Januar 1996, in seinem Zimmer in der ersten Etage des Hauses etwa um 3.25 Uhr durch Rufe »Feuer, Feuer!« aufgewacht. Die Schreie seien von draußen gekommen. Danach habe er die Zimmertür geöffnet und auf dem Flur Rauch gesehen. »Ich habe kein Feuer gesehen«, betonte der Zeuge. Anschließend sei er dann aus dem Fenster seines Zimmers nach draußen gesprungen. Wie schon andere Hausbewohner vor ihm bezeichnete auch Sylvere Atty verschiedene ihm in den Polizeiprotokollen unterstellte Aussagen als falsch.

Die Verteidigung des Angeklagten Safwan Eid geht davon aus, daß das Feuer durch einen Anschlag von außen in dem hölzernen Vorbau des Flüchtlingsheims gelegt worden ist.

Christian Eggers, Lübeck