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junge Welt, Dienstag, 10. Dezember 1996, Nr. 288, Seite 6, inland

Untersuchungen? »Nöö«

> Lübecker Brandprozeß: Polizeizeuge bestätigt oberflächliche Beweissicherung

Folgt man den Aussagen eines Kripobeamten beim Lübecker Brandprozeß, dann wurde bei der Spurensicherung nach dem Brandanschlag auf das von Flüchtlingen bewohnte Haus im Januar nur sehr oberflächlich vorgegangen. So sei ein Stadtplan der Hansestadt, der im Fahrzeug der zunächst tatverdächtigen Männer aus Grevesmühlen gefunden wurde, nicht auf Fingerspuren untersucht worden. Auch mehrere Feuerzeuge, die die vier bei sich trugen, wurden demnach nicht mit jenem verglichen, das nach dem tödlichen Feuer vor dem Haus gefunden wurde. Untersuchungen? »Nöö«, erklärte der Polizeizeuge, der am Montag im Prozeß gegen Safwan Eid vernommen wurde. Auch wo überhaupt welche möglichen Beweismittel lagen, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Schließlich, so gab er an, habe er nur alle Materialien durch ein Sieb gefiltert, die er zuvor bekommen habe. Ein Bericht darüber, wo was gefunden wurde, sei nicht erstellt worden.

Allzugenau nahm man es auch nicht mit der Durchsuchung des Wartburgs der Grevesmühlener Männer am Tag nach deren Festnahme. Ohnehin habe es sich dabei nur um eine »Augenscheinnahme« gehandelt. Folgerichtig wurde nach Aussagen des für die Spurensicherung zuständigen Beamten am Montag auch keine Dokumentation erstellt. Viel Müll sei in dem Fahrzeug gelegen, was genau, wisse er auch nicht. Auch ob bei der Durchsuchung Benzinkanister gefunden wurden, wie die Rechtsanwältin des Angeklagten Barbara Klawitter wissen wollte, konnte der Zeuge nicht erinnern. Dessen zuvor vernommener Kollege verneinte die Frage. Einer der vier Grevesmühlener, René B., hatte gegenüber der Polizei angegeben, daß sich im Kofferraum ihres Fahrzeuges drei solcher Kanister befunden hätten.

Wolf-Dieter Vogel