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junge Welt, Dienstag, 12. November 1996, Nr. 264, Seite 6, inland

Fenster einfach zu öffnen

> Lübecker Brandprozeß: Ehemalige BewohnerInnen wurden vernommen

Erstmals kamen am Montag im Prozeß um den Lübecker Brandanschlag ehemalige BewohnerInnen des Flüchtlingsheims zu Wort, die nicht der Familie des Angeklagten Safwan Eid angehören. Aida Alias und ihr ältester Sohn George berichteten, wie ihnen der Beschuldigte und seine zwei Brüder, die alle im Dachgeschoß gewohnt hatten, bei der Flucht aus dem brennenden Gebäude halfen.

Erst durch ihr Klopfen seien die Brüder nach zirka einer Minute wach geworden. Diese hätten sie dann beruhigt und aufgefordert, zum Fenster hinauszusteigen. Auf dem Dachsims habe Safwan Eid den jüngsten Alias-Sohn an der Hand gehalten, bis die beiden von der Feuerwehr mit Leitern gerettet wurden.

Ein Fenster im hölzernen Vorbau sei so einfach zu öffnen gewesen, daß die Kinder dort öfter ein- und ausstiegen, beschrieb George Alias. Zudem sei die Scheibe an der Eingangstür beschädigt gewesen. Demnach hat es mehrere Möglichkeiten gegeben, von außen in die Asylunterkunft einzudringen.

Die ZeugInnen bestätigten, im Haus hätten gute Stimmung und freundschaftliche Kontakte überwogen. Obwohl die Staatsanwaltschaft immer wieder nachhakte, bekam sie keine Bestätigung für die Existenz von jenen massiven internen Konflikten, wie sie von der Behörde als Tatmotiv Safwan Eids gemutmaßt werden. Ausdrücklich wurde Frau Alias von Staatsanwalt Axel Bieler auf ihren unsicheren Aufenthaltsstatus hingewiesen: »Sie sind also noch nicht anerkannt?«.

Rima Amine, die im zweiten Stock des Hauses gewohnt hatte, habe, so erklärte sie am Montag vor Gericht, in der Brandnacht ihren Wecker auf 3.30 Uhr gestellt, da sie früh zur Arbeit gehen mußte. Als sie von dem beim Brand ums Leben gekommenen Rabia El Omari geweckt worden sei, habe der Wecker noch nicht geklingelt. Demnach muß das Feuer schon mindestens 18 Minuten, bevor die Feuerwehr eingetroffen war, voll ausgebrochen gewesen sein.

Christoph Kleine, Lübeck