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junge Welt, Donnerstag, 1. August 1996, Nr. 178, Seite 6, inland

>> Strafantrag wegen Flugblatts

> Lübecker Staatsanwaltschaft ermittelt erneut gegen Bündnis gegen Rassismus

"Bei aller Meinungsfreiheit

das geht zu weit«, erregt sich der Lübecker Strafverfolger Henning Struck, der Vorsitzende des Staatsanwaltsrates. Seit das Bündnis gegen Rassismus vor zwei Wochen mit einem Plakat an die Öffentlichkeit gegangen war, in dem von »rassistischen Ermittlungen« im Zusammenhang mit dem Brandanschlag auf das Flüchtlingswohnheim am 18. Januar die Rede ist, steht man bei der örtlichen Anklägerzunft kopf. Bei der Plakataktion werde Staatsanwalt Michael Böckenhauer schwerwiegender Straftaten wie Strafvereitelung und Verfolgung Unschuldiger bezichtigt, schimpft Struck. Dessen Behörde hatte deshalb gegen das Bündnis Strafanzeige gestellt. Wie am Mittwoch bekannt wurde, hat der Leitende Staatsanwalt Heinrich Wille nun noch nachgelegt und ermittelt auch wegen eines vergangene Woche erschienenen Flugblattes der Gruppe.

»Trotz Einschüchterungsversuchen - wir bleiben dabei: Schluß mit den rassistischen Ermittlungen!« heißt es auf dem jetzt beanstandeten Pamphlet, mit dem das Bündnis auf die strafrechtliche Verfolgung ihres Plakates reagierte. Damit werde der anstößige Vorwurf wiederholt, stellt Wille fest. »Die Anschuldigungen beziehen sich auf objektive, nachprüfbare Tatsachen«, reagierte Bündnis-Sprecher Christoph Kleine. Die Gruppe wirft der Staatsanwaltschaft vor, »Spuren, die auf deutsche Neofaschisten hindeuten, zu ignorieren und gleichzeitig den Bewohner des Brandhauses Safwan Eid mit einer mehr als dürftigen Klage vor Gericht zu zerren«.

Unterdessen wurden am Mittwoch auch Hamburger Strafverfolger in Sachen Lübecker Brandanschlag aktiv und durchsuchten den »Buchladen in der Osterstraße«. Mindestens 20 Exemplare eines Flugblattes mit dem Titel »Mörderland Deutschland« seien dort im Februar »zur kostenlosen Mitnahme ausgelegen«, heißt es im Durchsuchungsbeschluß des Hamburger Amtsgerichtes. In dem Flugblatt einer antinationalen Gruppe werde Deutschland »beschimpft und böswillig verächtlich gemacht«. Der Erfolg der Fahnder hielt sich allerdings in Grenzen. Ein Exemplar des Pamphletes wurde gefunden und beschlagnahmt.

Wolf-Dieter Vogel