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junge Welt, 2. Februar 1996, Nr. 28, Titelseite

>> Einspurige Ermittlungen

> Lübecker Polizei läßt Verdacht auf Anschlag von Rassisten fallen.

Von Elke Spanner

Für den Sprecher der Polizeidirektion in Lübeck, Detlef Hardt, gibt es keine »nennenswerten Änderungen« bei den Ermittlungen um den Brand im Lübecker Flüchtlingswohnheim. Außer der Tatsache, daß die Möglichkeit eines Anschlages von außen nicht weiter verfolgt wird eine offenbar nicht erwähnenswerte Nebensächlichkeit. So scheinen sich die Spekulationen zu bewahrheiten, daß die Nachrichtensperre über die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft verhängt wurde, um ungestört vom Verdacht eines rassistischen Hintergrundes die Anklage gegen einen der Heimbewohner aufzubauen. Gegen den libanesischen Staatsangehörigen Safoan E., der mit seiner Familie in der Flüchtlingsunterkunft lebte, war wenige Tage nach dem Brand Haftbefehl wegen des Verdachtes auf zehnfachen Mord, versuchten Mordes in 18 Fällen und besonders schwerer Brandstiftung erlassen worden. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.

Ein Brandanschlag von außen, so Hardt gegenüber jW, scheide eindeutig aus. Zwei Brandsachverständige des Bundeskriminalamtes hätten die Brandstelle untersucht und bestätigt, daß das Feuer im ersten Stock des Hauses ausgebrochen sei. Da die Haustür und sämtliche Fenster verschlossen und unversehrt gewesen seien, könne das Feuer nur im Haus selbst gelegt worden sein.

Daran, daß Safoan E. den Brand gelegt hat, scheint Polizeisprecher Hardt keinen Zweifel mehr zulassen zu wollen. Zwar versicherte er, Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelten weiterhin die Rede war jedoch nicht von anderen TäterInnen, sondern nur von möglichen MittäterInnen von Safoan E.

So fehlt nur noch das Motiv für die Tat, bei der Safoan den Willen gehabt haben müßte, neben sämtlichen BewohnerInnen der Unterkunft auch seine dort lebende Familie zu verbrennen. Was ihn dazu bewogen haben sollte, will die Staatsanwaltschaft durch das Befragen von ZeugInnen erfahren. Auch da wähnen sich die Ermittlungsbehörden auf einer Spur: Gleich nach seiner Verhaftung kursierte neben der Version eines Eifersuchtsdramas das Gerücht, es habe Streit zwischen Safoan und anderen HeimbewohnerInnen gegeben. Infolgedessen habe er den Brand gelegt. Nun fand die Polizei laut Aussagen Hardts »Anzeichen dafür, daß Konflikte vorgelegen haben«.

Das Bild »totaler Harmonie«, das in den ersten Tagen nach dem Brand gezeichnet worden sei, habe sich als nicht stichhaltig erwiesen. Und, so Hardt weiter: »Wenn Konflikte näher untersucht werden, kommt man einer Motivlage näher.« Zweifellos, wenn man will.