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aus Berliner Zeitung 25.07.98

Datum: 25.07.1998,
Ressort: Politik
Autor:

Andreas Juhnke

Bundesgerichtshof hebt Freispruch im Lübecker Brandprozeß auf
Verfahren gegen den Libanesen Safwan Eid wird neu aufgerollt / In der Haft abgehörte Gespräche müssen als Beweismittel gewürdigt werden

KARLSRUHE, 24.Juli.
Der 3.Strafsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) in Karlsruhe hat am Freitag den Freispruch des Libanesen Safwan Eid aufgehoben.
Damit muß der Prozeß um den verheerenden Brand in einem Asylbewerberheim vor dem Kieler Landgericht neu verhandelt werden.
Die Strafkammer hat erneut zu entscheiden, ob Eid am 18.Januar 1996 den Brand in dem Heim gelegt hat, bei dem sieben Kinder und drei Erwachsene getötet und 38 Bewohner verletzt worden waren.
Mit dieser Entscheidung hatte der Revisionsantrag Erfolg, den die als Nebenklägerin auftretende Familie El-Omari, Angehörige eines bei dem Brand ums Leben gekommenen 17jährigen, eingebracht hatte.
Das Kieler Landgericht muß nun den Einwand des BGH prüfen, daß abgehörte Gespräche von Eid, die eine Schuld des Freigesprochenen beweisen könnten, bislang nicht berücksichtigt worden sind.
Im ersten Prozeß hatte das Landgericht Lübeck neun Monate lang unter großem öffentlichem Druck verhandelt.
Umstrittene Tonband-ProtokolleDer BGH begründete seine Entscheidung wie folgt: Das Landgericht Lübeck hätte in dem Prozeß gegen den 22jährigen die Tonband-Protokolle von vier abgehörten Gesprächen verwerten müssen, die Safwan Eid im Besucherraum des Gefängnisses mit seinem Vater und zwei Brüdern geführt hatte.
Daraus hätten sich weitere Anhaltspunkte für seine Schuld ergeben können.
Auch die Angehörigen des durch eine Straftat Getöteten hätten Anspruch darauf, daß alle zulässigen Beweise erhoben würden, sagte der Vorsitzende des 3.Strafsenats, Klaus Kutzer, in der Begründung.
Das Landgericht hatte einen entsprechenden Beweisantrag abgelehnt.
Eid, der am 30.Juni vergangenen Jahres freigesprochen worden war, hat den Protokollen zufolge im Januar und Februar 1996 unter anderem gesagt: "Ich habe meine Fehler erkannt.
Ich weiß, was ich in dem Gebäude gemacht habe.
Gott ist verzeihend und gnädig."Der BGH widersprach der Bundesanwaltschaft, auf die unklaren Aussagen in den Protokollen hätte eine Verurteilung von Eid nicht gestützt werden können.
Das Landgericht, so der BGH, habe gewichtige, den Angeklagten belastende Umstände festgestellt.
Erstens soll Eid nach dem Brand zu einem Rettungssanitäter gesagt haben: "Wir waren s."Zweitens warf Eid nach der Fahrt ins Krankenhaus ohne nachvollziehbare Gründe seinen Kaftan in einen Container.
Drittens wurde das Feuer innerhalb des Gebäudes gelegt ein leerer Benzinkanister wurde anschließend in der Wohnung von Eids Familie im selben Haus gefunden.
Die Lübecker Richter gingen davon aus, daß die Täter unter den Bewohnern des mittlerweile abgerissenen Gebäudes in der Hafenstraße 52 zu suchen seien.
Der BGH wandte sich gegen die Ansicht des Lübecker Landgerichts, wonach die Besucherzelle eine Wohnung und deshalb gegen Abhörmaßnahmen besonders geschützt sei."Der Besucherraum einer Justizvollzugsanstalt ist keine Wohnung des Untersuchungsgefangenen", sagte Kutzer.
Das gelte schon deshalb, weil alle Gespräche in Gegenwart von Beamten und teilweise auch von Dolmetschern stattgefunden hätten.
Auch der im Grundgesetz festgeschriebene Schutz der Familie hindere das Landgericht nicht an der Verwertung der Gespräche. (mit dpa)(Kommentar , )