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Datum: 24.04.1997, Berliner Zeitung
Ressort: Politik
Autor: Bo Adam, Lübeck
 

Richter sieht keine Beweise für Schuld Safwan Eids - Gericht zieht Zwischenbilanz im Lübecker Brandprozeß

Seit über einem Jahr ist der Libanese Safwan Eid angeklagt, in der Hafenstraße der Hansestadt das Feuer gelegt zu haben, bei dem zehn Menschen starben. Bei einer "vorläufigen Einschätzung" des bisherigen Prozeßverlaufs erklärte Richter Rolf Wilcken gestern, eine "Belastung des Angeklagten" sei "nicht zu erkennen".Über 100 Zeugen habe man vernommen, dazu etliche Sachverständige gehört.

Zwar könne von einem Brand im ersten Stock ausgegangen werden, sagte der Richter. Aber es sei völlig offen, wann und wie das Feuer entstanden sei. Ferner "stehen wir im Ungewissen", was in der Brandnacht im hölzernen Vorbau des Wohnheimes geschah, ob hier ein zweiter Brandherd gelegt wurde oder nicht. Auch der Tod eines Heimbewohners, dessen Leiche in diesem Vorbau gefunden wurde, bleibe mysteriös.

Der Richter verwies auf Widersprüche und Ungereimtheiten in den Aussagen des einzigen Belastungszeugen, des Sanitäters Jens L.Dieser hatte behauptet, daß der Angeklagte ihm gegenüber in der Brandnacht die Tat gestanden hatte: Nach einem Streit mit einem Hausbewohner hätten "wir" Benzin vor einer Tür ausgegossen und angezündet, habe Eid ihm gesagt. Das brennende Benzin sei dann die Treppe heruntergelaufen. Doch es seien weder irgendwelche Benzinspuren nachgewiesen worden noch befinde sich der von den Brandexperten vermutete Brandherd an einer Tür, so Wilcken.

Ferner seien beim Angeklagten keinerlei Brandspuren festgestellt wurden, die auf eine Täterschaft hinwiesen. Wilcken ging insbesondere auf die Überzeugung von Eids Verteidigerinnen ein, wonach rechtsradikale Jugendliche aus Grevesmühlen das Feuer gelegt haben sollen. Sollte dieser Verdacht entlastend für Eid wirken, müsse es Beweise für eine Schuld der Jugendlichen geben, sagte der Richter. Diese könne er jedoch nach dem bisherigen Prozeßverlauf nicht erkennen. Staatsanwalt Michael Böckenhauer räumte nach der gestrigen Verhandlung ein, daß die Bewertungen des Gerichts "eher in Richtung Freispruch gehen".

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© G+J BerlinOnline GmbH, 24.04.1997