Der Plumpssack geht um... Die letzten Jahre war es relativ entspannt in Berlin, die Polizei kam selten unangemeldet im großen Stil und wenn Durchsuchungen erfolgten, dann meistens im Zusammenhang mit einer vorherigen Festnahme. Die letzten 129/129a –Verfahren lagen lang zurück und die/der durchschnittliche Linksradikale fühlte sich so einigermaßen sicher. Dieser beschauliche Normalzustand (Normalität im Sinne des Gewohnten) scheint nun von Polizei und Justiz aufgekündigt worden zu sein. Die radikale Linke war ahnungslos wie eine in der Sonne badendene Schildkröte, als die Repressionsschläge mit großem „Hallo“ eintraten. Recht willkürlich wurden Leute zum Objekt staatlicher Repression und sahen sich mit Durchsuchungen und massiver Observation (Telefon, E-Mail, Personen) konfrontiert. Neben verschiedenen Einzelpersonen, waren auch politische Strukturen Ziel der Durchsuchungen. Auf juristischer Ebene haben und hatten die Bullen so gut wie nix in der Hand und es ist fraglich, ob es in diesen Fällen je zu einem Gerichtsprozess kommen wird. Das heisst, den eifrig ermittelnden Polizisten geht es - wie so oft - nicht um die Feststellung von StraftäterInnen, sondern um die Durchleuchtung von linksradikalen Strukturen und Personenkreisen. Diese scheinbar sinnlosen und ungezielten Schläge des Repressionsaperates sind Teil polizeilicher Beschäftigungsspiele, um die radikale Linke in Atem zu halten und in die Defensive zu drängen. Die Initiative liegt bei Ihnen und wir rennen den Ereignissen hinterher. Ein wesentliches Moment der Repression ist es, ein allgemeines Bewusstsein der Bullenpräsenz zu schaffen und so eine Lähmung der AktivistInnen zu erreichen. In diesem Sinne ist auch die Stellungnahme des Polizeipräsident Dieter Glietsch zu verstehen, der in einem Taz- Interview vom 7. September 2005 erklärte, die Berliner Polizei würde mit den Durchsuchungen nur auf die vermehrten Straftaten der Linken reagieren, so hätten sich die Gewalttaten von Linken gegen Rechte im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Paranoia is coming.... Doch gerade die Willkürlichkeit der Durchsuchungen erzeugt Angst und Lähmung , es kann Jede und Jeden treffen... und auf einmal ist es wieder so weit, auch in Berlin geht jetzt der Plumpssack um. Der Schweiß klebt dir das Hemd an den Rücken, aus Fenstern starren dir sonnenbrillenschwarze Augen nach, wohin du auch gehst.... Autos rollen langsam an dir vorbei, drin sitzen zwei junge Typen und visieren dich aus den Augenwinkeln... vor deiner Haustür parkt seit Tagen ein Auto... im Telefon knistert es plötzlich nicht mehr wie früher oder jetzt gerade... im Haus gegenüber ist auf dem Balkon eine Satelliten-Antenne angebracht, die genau auf dich zielt... über deiner Straße knattert in diesen Tagen oft ein Hubschrauber.... jemand hat nach dir gefragt.... jenseits des blauen Sommerhimmels zieht ein Spionagesatellit seine Kreise und fotografiert dich fünfzig mal die Sekunde, während du durch menschenleere Straßen gehst... Lass dich nicht von der Paranoia klein kriegen! Repression, Überwachung, (Zivi) Bullen und VS sind in irgendeiner Form immer präsent, ohne das daraus nun unbedingt etwas folgen muss. Nicht umsonst wird ständig darauf hingewiesen, dass bei jeder Veranstaltung mit Zivis zu rechnen ist, Telefone abgehört werden können und bestimmte Orte überwacht werden. Faktisch ist dadurch noch nie linksradikale Politik verhindert worden! Der schlimmste Fall bei gestiegener Repression ist für die Linke dickköpfiger Leichtsinn und Kopf-in-den-Sand-stecken! Der zweit schlimmste Fall ist Panik und Lähmung! Versuch macht klug ... Ist da eine Broschüre, die den ganzen Repressionsscheiss nochmal aufdröselt nicht kontraproduktiv und ein guter Grund, sich erstmal hinter der heimigen Playstation zu verkrümmeln? Halbwissen und Paranoia gehen Hand in Hand, dazu ein Schuss Vereinzelung und Distanzierung von denen, die durch die Bullen getrietzt werden und schon ist ein politischer Zusammenhang geschwächt. Sinnvoller ist es also, die Erfahrung von Vielen zusammenzutragen, sich auszutauschen um zu merken, dass es Andere auch nicht leicht haben. Insbesondere muss die radikale Linke das Rad nicht immer neu erfinden. Wirft man ein Blick in die heimische Broschürenkiste, lassen sich recht deutlich die Höhen und Tiefen der Auseinandersetzung zwischen uns und den ProtagonistInnen der herrschenden Verhältnisse ablesen. Da findet sich eine Broschüre zu Aussageverweigerung nach den Schüssen an der Startbahn West, ein Rückblick auf die Arbeit der „SoKo Osterei“ anläßlich des versuchten Anschlags auf den Abschiebeknast in Grünau 1993, mindestens drei Broschüren zum Fall des bei einer Auseinandersetzung mit AntifaschistInnen ums Leben gekommenen Faschisten Gerhard Kaindl, eine über dem Bewaffneten Kampf in Europa (Das Ohr auf den Schienen der Geschichte...), eine über die Repression gegen die Zeitschrift „radikal“ und zuguterletzt auch eine über den Bullenterror in Göteborg und Genua. Viel bedrucktes Papier bei uns und in den Aktenschränken der Polizei sowieso. united we stand – devided we fall... Das Thema wird sicherlich aktuell bleiben, denn solange es Widerstand ausserhalb der herrschenden Ordnung (sprich Ausbeutung und Unterdrückung) gibt, wird es auch Repression geben. Ein guter Grund, sich ständig darüber auszutauschen und in Erinnerung zu behalten, was seit eh und je gilt: Das Solidarität siegen hilft, dass es gilt in kritischer Solidarität zusammenhalten, sich zu unterstützen und sich dabei nicht zu scheuen, eine Auseinandersetzung um die eigenen Fehler einzufordern. Die ultimative Antwort auf die Frage, warum die Repression so kommt, wie sie kommt wird es auch diesmal nicht geben. Ist es nun die herannahende WM, das Wirken dunkler Mächte, ein sich verselbständigender Polizeiapperat mit individuell gepflegten Feindschaften oder das offizielle Ende des Aufstandes der Anständigen? Man weiss es nicht... scheiss drauf, Geschichte wird gemacht & we will win. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Massendurchsuchung gegen Antifas im Juli 05 Am 6. Juli 2005 kam es in Berlin, Potsdam und Eisenhüttenstadt in insgesamt 15 Objekten zu einer Durchsuchungsaktion des Berliner Staatschutzes (LKA 534), der PMS (LKA 6334), des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) und der Potsdamer Polizei gegen Berliner AntifaschistInnen. Hintergrund war ein Angriff unbekannter Personen auf eine Gruppe stadtbekannter Nazikader und Neonazischläger am Berliner Ostbahnhof am 1. Juni 2005. Hierbei erlitten zwei Nazis „Prellungen, Hautabschürfungen und Quetschungen“. Obwohl bei jedem Volksfest mehr Personen weitaus schwerer verletzt werden, diente diese Auseinandersetzung als Anlass, gegen die Berliner Antifa-Szene vorzugehen. Wie die Polizei in ihrer Pressemitteilung stolz erklärte, sei eine „AG Links-Rechts-Auseinandersetzung“ beim LKA gebildet worden, die solche Auseinandersetzung nicht nur konsequent verfolgen, sondern verhindern wolle. Die Wohnungen der Betroffenen wurden z.T. mit Rammböcken von Sondereinheiten gestürmt, Türen eingetreten und Bewohner verletzt. Die Durchsuchungswut traf auch eine unbeteiligte Wohnung, gegen die überhaupt kein Durchsuchungsbeschluss bestand. Bei den Durchsuchungen wurden von den 150 PolizeibeamtInnen und zwei Staatsanwälten neben der vermeintlichen Tatwaffen und diversen Bekleidungsstücken (z.B. dunkles Basecap) auch „Datenträger zur Speicherung von Bildern und Videos“ oder „sonstige Unterlagen“, die evtl. „Aufschluss über die Tatmotivation“ geben können, gesucht. Mit dieser Begründung wurden sämtliche Datenträger (Computer, Videos, Disketten, CDs) beschlagnahmt. Auch die Telefone der Betroffenen waren vom Amtsgericht Tiergarten als potentielle Beweismittel eingestuft worden und wurden von der Polizei einkassiert, um die dort gespeicherten Daten auszulesen. Ein Auto wurde abgeschleppt und auf Fingerabdrücke untersucht. Zusätzlich wurden hunderte private Fotos, Arbeitsunterlagen und sonstige Unterlagen mitgenommen, die zwar mit den Tatvorwürfen nichts zu tun haben, aber für den Staatsschutz von Interesse sind. Neun Personen wurden kurzzeitig festgenommen und mussten sich, z.T. unter Gewaltanwendung, in diversen Kleidungsstücken filmen und fotografieren lassen. Die LKA-BeamtInnen versuchten hierbei, die Betroffenen zum Rennen vor laufender Videokamera zu nötigen, um Bewegungsprofile erstellen zu können. Die Polizei erklärte in ihrer Pressemitteilung, „umfangreiche Ermittlungen“ hätten zur „Identifizierung von neun Tatverdächtigen“ geführt. Grundlage dieser Ermittlungen sind Videoaufzeichnungen aus den Überwachungskameras am Berliner Ostbahnhof. Eine Videoaufzeichnung der Tat liegt hierbei allerdings nicht vor. Es gibt lediglich einige Videoaufzeichnungen aus den Gängen und Ein- und Ausgängen des Bahnhofs. Auf diesen ist eine Gruppe kaum erkennbarer Fahrgäste zu sehen, die durch die Gänge läuft. Das LKA unterstellte der Gruppe aufgrund der nahen Dichte der Uhrzeiten die Täterschaft und spielte die Aufnahmen „szenekundigen Beamten“ des LKA vor. Diese meinten aufgrund der Gestalt, Figur, Haltung, Bekleidung und Laufweise bestimmte politische Aktivisten erkennen zu können. Einige wurden anschließend auf einer linken Demonstration vom LKA 562 fotografiert oder gezielt kurzfristig observiert, um Vergleichsbilder und weitere Informationen zu bekommen. Auch ein Auto wurde observiert, da es die selbe Farbe wie ein vermeintliches Täterfahrzeug hatte und man die tatsächlichen Nutzer herausfinden wollte. Doch der Ermittlungseifer ging unbeschränkt weiter. Gegen einzelne Beschuldigte wurde eine Observation für die Dauer eines Monats angeordnet und die Auswertung retrograder Verbindungsdaten (sämtliche zurückliegenden Telekommunikationsverbindungsdaten für abgehende und ankommende Gespräche) der letzten 3 Monate der Telefonanschlüsse beschlossen. Was dabei juristisch herauskommt, bleibt abzuwarten. Eins ist jedoch sicher: für die Betroffenen entsteht eine erhebliche finanzielle Belastung. Die von der Repression betroffenen Antifas brauchen jetzt vor allem eins: Solidarität! Ermittlungsverfahren sind teuer: Anwältinnen wollen bezahlt, Wohnungstüren ersetzt werden. Spendet auf das Solikonto, kommt zu den Solipartys für die Betroffenen. Spendenkonto für Soliarbeit: Klaus Schmidt // Kontonummer: 20610-106 // Postbank Ber-lin // BLZ 100 100 10 // Stichwort: EA, 6 Juli ------------------------------------------------------------------------------------------------------------- „Warum schmeißt du Steine, wenn du für den Frieden bist, du Vogel?“ Als Reaktion auf die brutalen Hausdurchsuchungen bei 15 Berliner AntifaschistInnen am 6. Juli 2005 wurde für den darauf folgenden Abend zu einer spontanen Soli-Demo mobilisiert, die die Polizeiübergriffe thematisieren sollte. What‘s going on? Gegen 22 Uhr sammelten sich einige linke Jugendliche um ihre Solidarität mit den betroffenen AntifaschistInnen zu bekunden. Die bereits am Versammlungsort anwesenden Polizeikräfte forderten eine Anmeldung der Demo, die aus verschiedenen Gründen nicht zustande kam. Daraufhin löste sich die Versammlung auf. Später am Abend fand in Friedrichshain ebenfalls eine spontane Demonstration statt, die sich gegen Repression und Naziterror richtete. Als die Demo in die Boxhagener Straße einbog, war ein lautes Klirren zu vernehmen. Dieses rührte von einer eingeschlagenen Scheibe der Sparkassenfiliale in der Boxhagener Straße her. Weniger als zwei Minuten später bog aus entgegen gesetzter Richtung ein relativ großes Polizeiaufgebot in die Boxhagener Straße ein. Ohne zu zögern wurden alle linksalternativ gekleideten Personen, die sich in der Straße befanden, festgesetzt und in einem Hauseingang nacheinander mit einer Videokamera abgefilmt. Eine Person wurde bei der Festnahme durch Tonfaschläge am Kopf verletzt und mit einer Platzwunde in ein Krankenhaus eingeliefert. Nach ca. dreistündiger Wartezeit im Regen wurden alle Betroffenen zum Staatsschutz in die Gefangenensammelstelle am Tempelhofer Damm gebracht und nacheinander verhört und erkennungsdienstlich behandelt. Wie sich aus späterer Akteneinsicht durch einen Anwalt herausstellte, ließen sich mehrere Personen beim Verhör so unter Druck setzen, dass sie sich selber und andere Betroffene durch teilweise falsche Aussagen belasteten. Die Beamten verweigerten allen AntifaschistInnen die Telefonate und benachrichtigten, entgegen ihrer Pflicht, nicht die Eltern der festgenommenen Minderjährigen. Ebenfalls beschlagnahmte die Polizei 16 von 18 Mobiltelefonen, mit der Begründung, sie würden als Beweismittel benötigt werden. Teilweise drängten die Beamten vor allem Jüngere dazu, ihre Handy-Pincodes anzugeben. Gegen 19 Uhr des Folgetages wurden die letzten Festgenommenen freigelassen. Never trust the Polizeiticker and Springer-Press! Beim studieren der Regenbogenpresse des folgenden Tages bekam Mensch den Eindruck, in Friedrichshain hätten am Abend zuvor bürgerkriegsähnliche Zustände geherrscht. Laut Berliner Zeitung lieferten sich 30 linksradikale Personen mit 50 Polizisten „Rangeleien“, die bis in den frühen Morgen andauerten. In fast allen Presse-Artikeln wurden die 18 Festgenommen kollektiv für schuldig befunden, die Fenster der Sparkasse eingeworfen zu haben. So bildete beispielsweise der „Berliner Kurier“ das Bild eines festgenommen Punks ab mit der Überschrift: „Warum schmeißt du Steine, wenn du für den Frieden bist, du Vogel?“. Außerdem wurde in der B.Z. sein Gesicht nicht richtig unkenntlich gemacht und im Internet war das besagte Bild auch ohne Zensurbalken über den Augen zu sehen. Interessant war es auch zu sehen, dass Polizei und ein Fotograf der Springer-Presse genau zeitgleich eintrafen. Zufall? Die B.Z. stellte auf jeden Fall unter Beweis, dass auch ihr Antisexismus sehr am Herzen liegt. So wurde beispielsweise ein weiterer am Boden gefesselter Punk zu einer „…jungen Punkerin“ zwangs-gegendert. Gut so! Smash Gender-Illusions! Der O-Ton der Unterstellungen durch die B.Z. las sich wie folgt: „Eine junge Punkerin liegt gefesselt am Boden. Sie hatte vorher mit Steinen geworfen“. Die Bild kommentierte ihre farbenfrohen Bilder wie folgt: „Der Irokesen-Punk [...] mit lila Haaren hat gerade einen dummen Fehler gemacht. Erst demonstrierte er gegen Gewalt. Dann schmeißt er Steine...“. Wenn derlei geballter Nonsens nicht so traurig währe, ließen sich die Presse-Artikel gut und gerne auch als Satire-Geschichte lesen. And now? - Verhörsituation Nach dem Aufenthalt in der Gefangenensammelstelle am Tempelhofer Damm kam für viele das böse Erwachen. Unter Polizeidruck hatten die meisten Betroffenen vollkommen widersprüchliche Aussagen gemacht, womit sie sich selber und andere Festgenommene augenscheinlich massiv belastet haben. Was bleibt Trotz des unmöglichen Endes der Spontan-Demo war es wichtig sich mit den durchsuchten und kriminalisierten AntifaschistInnen zu solidarisieren. Das Vorgehen der Polizei hat erneut deutlich gemacht, dass es einen gezielten Umgang ihrerseits mit Linken gibt, auf den die meisten jüngeren Festgenommenen nicht so recht vorbereitet waren. Besonders bei ihnen wandten sie ausgefeilte Verhörmethoden an, um von ihnen Namen, Strukturen und so weiter zu bekommen. Dabei machten sie sich gezielt die Ängste der Betroffenen um Ausbildung, Schule und Familie zu Nutze. Hier besteht offensichtlich noch sehr viel Aufklärungsbedarf, da, obwohl die meisten den Satz: „Keine Aussage bei der Polizei“ mit Sicherheit schon mal gehört hatten, trotzdem 16 von 18 Personen eine Aussage gemacht haben. Denn jedeR sollte sich über die Folgen, die eineN erwarten, bewusst sein, wenn mensch an einer politischen Aktion teilnimmt. Vielleicht ist es an der Zeit, neue Methoden zur Vermittlung von Rechten und Pflichten bei der Polizei, insbesondere die Aussageverweigerung und insbesondere bei Jugendlichen, zu entwickeln. Mehr Infos zur Aussageverweigerung findet Ihr in dieser Broschüre ab Seite 30. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Stürmung einer Antifa-Party Jemand rief „die Bullen kommen!“ und schon ein paar Sekunden später waren wir von unzähligen Schlagstöcken umgeben. Nachdem die Berliner Polizei in der jüngeren Vergangenheit wieder massiv in der Antifa-Szene der Hauptstadt gewütet hatte und man dachte es geht kaum mehr schlimmer, kam ein neuer Tiefschlag. Am 27. August 2005 stürmten ca. 150 Polizeibeamte die Szene-Kneipe Subversiv in Berlin-Mitte, wo gerade unsere Jugendantifa-Party in vollem Gange war. Zeitgleich wurden der linke Laden und Treffpunkt Fusion und das APaBiZ (Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum) in Kreuzberg, sowie Privatwohnungen und Büroräume durchsucht, wobei u. a. Computer beschlagnahmt wurden. Zum Anlass nahm sich die Polizei „Auskunft über politische Aktivitäten außerhalb der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und dem übersteigerten Hass der Beschuldigten auf die NPD“ (Auszug aus dem Durchsuchungsbeschluss) zu erhalten zu wollen. Dies bezog sich auf den Aufruf, dass es auf der Party für jedes mitgebrachte NPD-Plakat ein Freigetränk geben sollte. Das konkrete Verhalten der Polizei an besagtem Abend im Subversiv war skandalös: Vielfach ignorierten die Polizeibeamten die Grundrechte der Gäste. Einem jungen Mädchen, das während des Einsatzes einen Asthma-Anfall erlitt und sich sogar übergab wurde es nicht gestattet die Toilette aufzusuchen, geschweige denn das Subversiv zu verlassen. Erst nachdem angedroht wurde einen Krankenwagen zu rufen, durfte sie sich von der Stelle bewegen. Einem anderen Mädchen drückte ein Polizist ihre Zigarette auf der Hand aus – natürlich erst, nachdem er sich Gummihandschuhe angezogen hatte. Ganz nebenbei sackten die sauberen Beamten noch unsere Party-Einnahmen von mehreren hundert Euro ein, ohne diese auf den Durchsuchungslisten aufzuführen. Auch Anwohner wurden von der Polizei sehr grob behandelt und teilweise nicht in ihre Wohnungen gelassen. Natürlich wurden von jedem Partygast, auch von noch nicht strafmündigen Minderjährigen, ihr ahnt es schon, die Personalien aufgenommen. Ebenso wurden alle anwesenden wie Schwerverbrecher einzeln abgefilmt. Nachdem gegen 2:00 Uhr alle diese Prozedur hinter sich hatten, startete eine Spontandemo, welche nach vermeintlichen Flaschenwürfen von der Polizei brutal beendet wurde. Polizisten prügelten auf einen am Boden liegenden Demonstranten ein, so dass dieser Knochenbrüche davontrug. Ein für die Flaschenwürfe verantwortlich gemachter Genosse sitzt noch immer hinter Gittern. Wir sehen diese Schikanen und Repressionen als unglaubliche Unverschämtheit dieser selbst ernannten „Freunde und Helfer“ an. Bei eigenständig organisierten Aktivitäten gegen rechts wittern sie sofort einen Verlust von Kontrolle und Macht ihres Gewaltmonopols, was absolut nicht im Interesse der Herrschenden wäre, aber das nur am Rande. Die Beschlagnahme sämtlicher eingesammelter rechter Wahlplakate an diesem Abend, der lächerliche Vorwurf des „übersteigerten Hasses auf die NPD“, sowie das ganze Vorgehen gegen unsere Party betrachten wir als bewusste Verharmlosung und Unterstützung des NPD-Wahlkampfes. Die Begründung des Einsatzes mit unserer Ankündigung von Freibier für mitgebrachte Nazi-Propaganda kann dabei nur als billiger Vorwand zum Losschlagen gewertet werden. In der Vergangenheit sind schon ähnliche Aktionen gelaufen, ohne dass die Polizei sich genötigt sah derart aufzutreten. Es ging ihnen am 27. August darum Teile der organisierten Antifa-Szene Berlins zu durchleuchten und allen antifaschistisch gesinnten Menschen der Stadt eine unmissverständliche Ansage zu machen. Gerade uns als relativ junge und aktive Gruppe wollten sie bei unserer ersten Aktion einschüchtern... Aber wir lassen uns nicht einschüchtern! Jetzt erst recht! Gegen Naziterror und Polizeiwillkür! www.antifa.de ------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Angriff auf Summercamp of Resistance Vom 21. bis 28. August fand in Berlin das „Summercamp of Resistance“ statt – ein selbstverwaltetes Camp, das auf Initiative des 3. bundesweiten Vernetzungstreffens politisch aktiver Studierender entstanden war. Ziele waren vor allem Erfahrungen auf dem Weg zu Widerstands- und Selbstorganisation, Intensivierung bundesweiter Vernetzungsstrukturen, sowie inhaltliche Arbeit, die studentische Proteste um eine Vielzahl sozial- und gesellschaftskritischer Themen erweitern sollte. Als ein unkommerzielles Projekt standen uns die Berliner Bezirksämter bereits im Vorfeld des Camps ablehnend gegenüber, weshalb das Camp am Stadtrand stattfinden musste. Vom Camp ausgehende Aktionen waren aus diesem Grund nur eingeschränkt möglich. Trotzdem wurde auch dieses linke Projekt Opfer staatlicher Repressionen. Repression während des Camps Was als rund um die Uhr Zivilpolizei-Betreuung mit Taschenkontrollen begann, fand seinen Höhepunkt gegen Ende der Woche mit dem Eindringen einer Hundertschaft der Bereitschaftspolizei sowie eines größeren LKA Trupps auf das Campgelände. Morgens um halb neun wurden die überraschten Teilnehmenden durch Schläge gegen die Zeltwände und Hundegebell geweckt und lautstark zum Verlassen der Zelte aufgefordert. Personen, die nicht schnell genug reagierten, wurden gewaltsam aus den Zelten gerissen. In den folgenden Stunden durchsuchte die Polizei das gesamte Camp, nahm alle Personalien auf und fotografierte die männlichen Teilnehmenden.Einen Durchsuchungsbefehl bekam die Mehrzahl der Anwesenden - inklusive des verantwortlichen Platzwartes – auch auf mehrmaliges Nachfragen nicht zu Gesicht. Darüber hinaus wurde einem anwesenden Kind die Nahrungsaufnahme verweigert und jegliche Versuche der Kontaktaufnahme zu AnwältInnen unterbunden. Abgesehen von einem Plakat zum Thema Fahrausweiskontrollen im öffentlichen Personennahverkehr, einigen Bekleidungsgegenständen, die angeblich zur Vermummung geeignet seien, und einer Ausgabe der Zeitschrift Radikal, fanden die BeamtInnen nichts, was sich ansatzweise zum Beschlagnahmen geeignet hätte. Die fadenscheinige Begründung für dieses Theater war ein angebliches Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung. Dazu gab es eine Personenbeschreibung, die in etwa den Klischee-Linken beschrieb und dementsprechend zu keinem Ergebnis führen konnte. Mensch sollte annehmen, dass dafür einen Durchsuchungsbefehl zu bekommen die internen Klüngelgeschäfte des Staatsapparates genügend strapaziert hätte. Doch weit gefehlt. Die Polizei hatte es auch noch geschafft sich einen Durchsuchungsbefehl für die Privatwohnung eines Berliner Teilnehmers zu beschaffen, dessen Personalien einige Tage zuvor von Zivilpolizisten aufgenommen worden waren – Begründung hier: Sachbeschädigung. Natürlich verlief auch diese Durchsuchung ohne erkennbare Ergebnisse. Angesichts dieser absurden Begründungen, drängt sich die Vermutung auf, dass es (auch) hier lediglich darum ging, an Personalien und Fotos politisch aktiver Menschen zu gelangen und Erkenntnisse über Vernetzungsstrukturen zu gewinnen. Wahrscheinlich sollten diese Maßnahmen auch zur Einschüchterung der Beteiligten beitragen. Der Umgang damit Zumindest Letzteres hat nicht funktioniert. Noch am selben Abend machten ca. 200 Menschen in einer kraftvollen Spontandemo durch Friedrichshain ihrem Unmut über staatliche Repressionen Luft. Weitere kleine Soliaktionen fanden in anderen Städten statt. Doch mindestens genauso wichtig als Reaktion auf die ungerechtfertigten Repressionen war das Verhalten der Teilnehmenden während der Durchsuchung. Nachdem alle halbwegs wach waren, herrschte fast schon ausgelassene Stimmung, zahlreiche ironische Kommentare schienen mehr oder minder eloquente PolizeibeamtInnen zu überfordern und als zu guter letzt eine Gitarre auftauchte und alle gemeinsam „always look on the bright side of life“ anstimmten, schien selbst den Uniformierten die Absurdität der Situation klar zu werden, die sich schon aus der komfortablen fünf zu eins Betreuung (von wegen Servicewüste Deutschland) und der von vornherein offensichtlichen Ergebnislosigkeit der ganzen Aktion ergab. Da hätte es zur allgemeinen Erheiterung gar nicht mehr der Unfähigkeit und Organisationsschwierigkeiten einiger anwesender PolizistInnen bedurft. Für den Anblick von über zehn grüngekleideten Männchen und Frauchen beim Versuchen eine Wanne anzuschieben, die sich als nicht geländegängig genug für die Sanddüne neben dem Campgelände erwiesen hatte, hat sich der Stress allerdings fast schon gelohnt. Repressionen auf der Abschlussdemo Am nächsten Tag fand unter dem Motto „das Leben ist kein Ponyhof“ die länger angekündigte Camp-Abschluss-Demo statt. Obwohl als Spass-Demo (mit eigener Gegensitzblockade und Pony-Plakaten) geplant, schien die Berliner Polizei auch hier eine Gelegenheit für Repressionen zu wittern. Bereits vor Beginn führten spontane Auflagen, von denen bei den Kooperationsgesprächen noch keine Rede gewesen war, zu mehreren Anzeigen, ohne dass diese von unserer Seite vermeidbar gewesen wären. Dazu kamen die fast schon Alltag gewordenen Repressalien, die die Berliner Polizei bei so gut wie jeder Demonstration anwendet – ausgiebige Taschenkontrollen, ständiges Abfilmen der Teilnehmenden usw. Während der Demonstration wurde ein Teilnehmer vorübergehend festgenommen wegen angeblicher Beamtenbeleidigung, er soll laut schriftlicher Begründung „Kamera Arschloch“ (!) gerufen haben. Selbstverständlich pausierte die Demo bis der Forderung nach Freilassung nachgekommen wurde und der angebliche Ausruf von allen gemeinsam getätigt werden konnte. Der Rest der Demo verlief ruhig, bis nach Auflösung der Versammlung ein weiterer Teilnehmer aus heiterem Himmel festgenommen wurde. Außerdem wurde der abfahrende Lautsprecherwagen an der nächsten Straßenecke von zwei Wannen eingekesselt. Ohne triftigen Grund wurde prompt mit gezücktem Schlagstock mit dem Einschlagen der Scheiben gedroht wenn der Wagen nicht umgehend geöffnet würde. Es folgte eine erneute Durchsuchung des Lauti und eine Personalienfeststellung der Insassen, die anschließend alle einzeln zu ihrer „Funktion auf der Demo“ befragt wurden. Die beteiligten PolizistInnen weigerten sich währenddessen beharrlich einen Grund für diese 20minütige Farce anzugeben. Allerdings gelang es, die anderen VersammlungsteilnehmerInnen zu informieren, woraufhin sich eine Spontandemo in der Nähe formierte. Der Versuch einer Teilnehmerin die AnmelderInnenfunktion zu übernehmen wurde seitens der Polizei ohne rechtliche Grundlage rüde abgeblockt. Daraufhin kam es zu zwei weiteren Festnahmen wegen „Widerstandes gegen die Staatsgewalt“. Von den drei am Ende der Demo Verhaftungen kamen zwei noch vor Ort wieder frei, eine Person wurde in die Gefangenensammelstelle Tempelhof verschleppt, die er erst mehrere Stunden später verlassen durfte. Fazit Alles in allem war die Camp-Woche also geprägt von Repressalien und Polizeiwillkür, die den inhaltlichen Ablauf zum Teil erheblich einschränkten. Erklärbar wird das ganze wohl erst im Zusammenhang mit all den anderen Durchsuchungsmaßnahmen gegen linke Projekte in den Wochen in diesen vor und nach dem Camp Wochen. Offensichtlich soll Stärke demonstriert und ein genaues Bild von linken (Vernetzungs-)Strukturen erstellt werden.Bemerkenswert ist außerdem, wie schlecht die Polizei mit Infragestellungen ihrer Autorität und humorvollem Protest im Allgemeinen umgehen kann. Vielleicht sollte sehr viel öfter in diese Kerbe geschlagen werden – auch weil es für Außenstehende im Falle von Repressionen dann leichter ersichtlich ist, was in diesem Staat passiert mit Menschen, die ihre Meinung äußern. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Berlin 31. August 05 „Ich weiss noch was, dreht sie mal auf den Bauch dafür.“ Seit Genua 2002 ist die traumatisierende Wirkung von erlebter und beobachteter Polizeigewalt, von lebensbedrohlich erfahrenen Situationen und von Demütigungen nach Festnahmen in der radikalen Linken ein Thema geworden. Eine Sensibilisierung für die eigenen Erfahrungen und in der Unterstützung von Betroffenen findet allmählich statt. So wurde z.B. durch das Dissent-Netzwerk in der G8-Mobilisierung 2005 nach Schottland/Gleneagles Traumatisierung zum ständig begleitenden Thema der Vorbereitungen gemacht - vergleichbar mit der Bereitstellung von Rechtshilfe und der Information zum Verhalten nach Festnahmen. Möglicherweise traumatisierend wirkende Erfahrungen gehören auf die eine oder andere Art immer wieder zum Leben von politischen AktivistInnen, da wir uns mit politischen Konfrontationen auch möglichen Gewalterlebnissen aussetzen. Und doch: Für Betroffene ist es immer noch schwer, die Wirkungen traumatisierender Erfahrungen anzuerkennen, sie in den politischen Zusammenhängen als solche zu benennen und entsprechende Unterstützung zu erhalten. Da sind die Zweifel: „anderen ist schon Schlimmeres passiert“, „ich bin zu wehleidig und will Mitleid einheimschen“, „ich habe mich vielleicht falsch verhalten und was Dummes getan“ oder „das muss ich wegstecken, weil es doch klar ist, dass von den Bullen nichts anderes zu erwarten ist“ etc. Solche Zweifel werden durch die nicht ausreichende Sensibilisierung verstärkt und verschlechtern die Bedingungen für eine gute Verarbeitung der traumatisierenden Erlebnisse. Es ist wichtig, die aussergewöhnlichen persönlichen Reaktionen auf die erlebte Gewalt anzuerkennen als etwas Normales/Angemessenes auf eine Situation, die absolut nicht normal ist. Und diese Reaktionen können verschieden sein und folgendes einschliessen: innere Unruhe, Schlafstörungen, Gereiztheit, Kummer, Rückzug, Konzentrationsschwierigkeiten, immer wieder an die Gewaltsituation denken zu müssen, durcheinander sein, die Geschichte immer wieder oder auch garnicht mehr erzählen zu wollen, Alpträume, Wiederauslösung der Angst durch bestimmte Reize etc. In so einer Lage kannst du zwangsläufig nicht „funktionieren“ wie sonst und nicht die gleichen Aufgaben im Beruf, Ausbildung, Politik, Familie, Freundeskreis wahrnehmen. Das ist manchmal nicht einfach sich einzugestehen und kann uns bei wichtigen Projekten und in Verantwortungsbereichen zurückwerfen und blockieren. Aktuell haben wir die Erfahrung gemacht, dass so ein traumatisierendes Erlebnis auch dort eintreten kann, wo wir überhaupt nicht damit rechnen. Am 31.08.05 hatte die NPD einen Aufmarsch in Neukölln angemeldet (aus Anlass des SPD-Parteitags). Zahlreiche Gegenkundgebungen wurden in Neukölln angemeldet und Stadtteilinitiativen entstanden aus Protest gegen die Präsenz faschistischer und rassistischer Propaganda durch die NPD in Neukölln. Dem Aufruf einer solchen Initiative folgend trafen sich ca. 50 antifaschistisch Motivierte zum gemeinsamen öffentlichen Frühstück und machten sich gegen 1/2 11 Uhr auf den Weg Richtung Zentrum des Geschehens (und angemeldeter Kundgebungsorte). Mit Parolen und einem, später zwei Transparenten zeigten sie antifaschistische Präsenz in Neuköllner Straßen - bis sie kurz vor einem Kundgebungsort (der WASG) am S-Bahnhof Neukölln auf der Karl-Marx-Straße durch die Polizei gestoppt wurden. Nach kurzem Gespräch begaben sich die inzwischen ca. 100 Personen auf den Gehweg bzw. bewegten sich in verschiedene Richtungen, u.a. zur U-Bahn, auseinander. In dieser äußerst harmlos anmutenden Situation wurden unerwartet 21 Personen auf dem Gehweg durch die Polizei festgehalten. Und damit begann ein Tag voller Willkür, überzogenen Maßnahmen und (in einigen Fällen) massiver Gewalt im Polizeigewahrsam für diese 21 und eine weitere Person, die zu Boden geworfen und in Handschellen festgenommen wurde, nachdem ihr ein Zettel mit den Namen der Eingekesselten zur Weitergabe an den EA überreicht worden war. Hier einige Stichpunkte: Nicht eingehaltene Zusagen (nach der Personalienfeststellung könnten sich alle zu den angemeldeten Kundgebungsorten begeben), keine oder falsche Informatioen (z.B. zum Grund der Gewahrsamnahme oder bezüglich der - nicht erfolgten - Versorgung mit Essen), Leibesvisitationen mit Ausziehen bis auf die Unterhose, Einsperren in Einzelzellen - nicht nur ohne persönliche Gegenstände, ohne Haargummi oder Schnürsenkel bzw. Schuhe, sondern in mindestens einem Fall darüber hinaus in ausgehändigten Kleidungsstücken -, Verbot zu telefonieren, Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung (ED) bei sechs der Festgenommenen, obwohl von allen die Personaldaten per Ausweis vorlagen. Die ED (Fingerabdrücke, Fotos, Körpergröße) wurde gegen den Widerspruch der Betroffenen durchgeführt, auch da, wo diese Maßnahme zu keinen neuen Daten führte, da Fingerabdrücke und Fotos bereits vorher erstellt worden waren. Die Maßnahme war Schikane und wurde als Raum zur Ausübung massiver Gewalt ausgenutzt. Eine Gruppe von 6-7 Männern in Zivil wartete bereits auf eine Person und probierte in einer unnötig (bezogen auf die Abnahme von Fingerabdrücken) in die Länge gezogenen Prozedur nacheinander diverse, vermutlich bei speziellen Schulungen vermittelte Techniken aus, die Schmerzen erzeugen ohne viel sichtbare Spuren zu hinterlassen und die eine extreme Bedrohungslage schaffen, u.a. durch massiven Druck auf den Kopf und andere empfindliche Körperstellen und durch die Erzeugung von Erstickungsangst durch Pressen des Gesichts gegen den Boden und zwischen Knie sowie durch das Zuhalten der Nase. Über Schmerzen und Körperschädigungen (wie unkontrollierbar gefühllose und verkrampfte Hände aufgrund von Nervenschäden) wurde gelacht, auf Hilferufe nicht reagiert, mit Drohungen „gespielt“. Die Person in Polizeigewahrsam wurde zum Objekt der Erprobung von Foltertechniken wie sich auch in der Aufforderung eines der Agierenden zeigt: „Ich weiss noch was, dreht sie mal auf den Bauch dafür.“ Ihr wurde auf viele Weisen vermittelt, dass sie dort ohnmächtig ist zu kontrollieren oder auch nur einzuschätzen, was mit ihrem Körper gemacht wird oder wie lange diese Quälereien andauern werden. Traumatisierungen treffen zunächst immer die/den Einzelnen. Je nach vorherigen Gewalt-/Repressionserfahrungen und der guten oder fehlenden Verarbeitung und vielen anderen individuellen Lebenserfahrungen wird die Wirkung und der Umgang damit sehr verschieden sein. Dem Umfeld der Betroffenen und den politischen Bewegungen kommt jedoch immer eine Verantwortung bei der Bewältigung solcher Ereignisse zu. Für viele politische AktivistInnen häufen sich im Laufe der Jahre die Erfahrungen von Repression und Gewalt, und jedes neue Erlebnis ruft die Erinnerungen wach, was die Wirkung des aktuell Erfahrenen verstärken kann. Ob physische oder psychische Folgen von Gewalt und Bedrohungen - beides braucht einen Gesundungsprozess. Sich Zeit zu nehmen, um eine belastendende Erfahrung zu verarbeiten, und andere dabei zu unterstützen sollte als politische Handlung verstanden werden. Es gibt kein objektives Maß für das, was uns aus der Bahn reisst. Und es geht nicht, im Umgang mit einer Gewalterfahrung von sich auf andere zu schließen. In jedem Fall ist es wichtig, damit nicht allein zu sein. Oft ist es so, daß nicht direkt Betroffene, die von Repressions- und Gewaltereignissen in ihrem Umfeld hören, vermeiden, diese zu nahe an sich heran zu lassen, was guten Gesprächen im Wege steht. Die Angst, eigene traumatische Erfahrungen könnten bei der Auseinandersetzung mit Repression hoch kommen, steht häufig hinter dieser Abwehrhaltung. Solche unterschwelligen Mechanismen können wir uns bewußt machen. Neben den politischen Einschätzungen und Gegenmobilisierungen wie z.B. die Antifa-Gala am 16. September ist es für alle Betroffenen wichtig, ihre Erfahrungen in einem solidarischen Rahmen austauschen und bearbeiten zu können. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Politische Sondereinheiten bei der Polizei Mehrere Gerichtsprozesse der letzten Zeit brachten zutage was politischen AktivistInnen schon ewig bekannt war: Das Berliner Landeskriminalamt beschäftigt Sondereinheiten, die sich ausschließlich auf politische Milieus konzentrieren, z.T. halblegal agieren und seit Jahren wenig erfolgreiche Strafverfahren abgeschlossen haben. Ihre Legitimität erhalten solche Einheiten nicht durch die strafprozessualen Erfolge, die sie vorweisen können, sondern durch die Möglichkeit gezielt politische AktivistInnen einzuschüchtern, die Linke zu durchleuchten und damit zu verunsichern und zu schwächen. Der Auftrag dieser Sondereinheiten ist demnach politisch und wird auch durch den Innensenat dementsprechend gedeckt. Der polizeiliche Staatsschutz arbeitet nicht straftatenorientiert sondern straftätermilieuorientiert 1. Das bringt das Problem mit sich, dass erstmal was passieren muss, damit der Staatsschutz gegen Linke agieren kann - Dateien anlegen, Überwachen, Durchsuchen, Fotos durchgucken, Aktenvermerke anlegen etc. Straftaten gegen die öffentliche Ordnung müssen also meist erst konstruiert werden, um als Landeskriminalamt kriminologisch tätig werden zu können. Selbst die kleinsten Vergehen wie das Abreißen von NPD Plakaten, das Kleben von linken Aufklebern oder das Schreien von Parolen auf Demonstrationen reichen oftmals aus, um ein aufwendiges Staatsschutz-Verfahren loszutreten, Überwachungsmaßnahmen einzuleiten und den Aktenbestand des Berliner LKA zu erweitern. Mit den Straftaten an sich hat der Ermittlungsaufwand meist nichts zu tun, was auch die StaatsanwältInnen kritisieren, die den ganzen Aufwand irgendwann einem Gericht erklären müssen. Mehr als gute Zusammenarbeit unter Kollegen Wer in Berlin an Demonstrationen teilnimmt, kann sich nicht nur sicher sein gefilmt zu werden, sondern läuft auch Gefahr, in der Datei „Straftäter-Links“ der Sondereinheit „Politisch Motivierte Straßengewalt (PMS)“ aufzutauchen. Diese Einheit wurde 1992 gegründet und umfasst zusammen etwa 60 Polizeibeamte zur Überwachung, Verfolgung und Einschüchterung politischer AktivistInnen. Die Praxis hat gezeigt, dass die PMS zunehmend mit anderen Abteilungen des LKA zusammenarbeitet, und die BeamtInnen bei Beförderungen oder Versetzungen an befreundete Einheiten weitergereicht werden. Dadurch kommt es zu Machtkonzentrationen und verdeckten Hierarchien innerhalb des LKA, die einer Kontrolle durch den Innensenat entzogen sind. Die Grenzen zwischen den Zuständigkeiten der Einheiten überlappen sich und die ErmittlerInnen nutzen persönliche Kontakte, um unkompliziert, aber eben nicht rechtmäßig, an Daten heranzukommen. Polizeiliche Praxis - korruption, Verrat, Mobbing Bei politischen Events wie dem 1. Mai sind dann BeamtInnen der PMS (LKA 5) zusammen mit der „Ermittlungsgruppe Hooligan“ (LKA 6), „Ermittlungsgruppe Graffiti in Berlin“ (LKA 4) und den Sondereinheiten der Polizeidienststellen „Fahndung Observation Aufklärung (FAO)“ sowie „Operative Gruppe Jugendgewalt (OGJ)“ unterwegs und die Justiz wundert sich später, woher die hervorragenden Erkenntnisse und szeneübergreifenden Einschätzungen stammen. Eine unkontrollierbare Exekutive riecht nicht nur nach Vorteilsnahme und persönlichen Machtspielchen – es kommt auch manchmal an die Öffentlichkeit. Im August 2005 wurde eine Fußballfan-Party im Friedrichshainer Jeton vom Sondereinsatzkommando brutalstmöglich geräumt. Die Ermittlungsgruppe Hooligan (EGH) war von der Razzia vorher nicht informiert worden, weil es Erkenntnisse gab, dass die Einheit mit Vorliebe entscheidende polizeitaktische Informationen gegen Zuwendungen an die interessierte Klientel abgibt. Die EGH schob dem Bodybuilder Ober-Kommissar Mario E. alles in die Schuhe und die Presse hatte ihr Bauernopfer Ober-Kommissar Koks: „Es existiert ein Video, das ihn privat mit Fans des BFC Dynamo zeigt. Dabei zieht sich E. eindeutig weißes Pulver in die Nase“ 2. Schon 2003, wurde die Neonazigruppe „Vandalen - Ariogermansiche Kampfgemeinschaft“ vor einer Razzia ihrer Geburtstagsparty in Köpenick vermutlich von PolizeibeamtInnen gewarnt. Damals verbuchte die PMS, die Entdeckung und Auflösung der Party als Riesenerfolg 3. Die Ermittlungen wegen Geheimnisverrat wurden eingestellt. Im September 2005 standen drei Beamte um den Kriminaloberkommissar Husahm N. der Sondereinheit Fahndung Observation Aufklärung vor dem Berliner Landgericht unter Anklage, weil sie im Drogenmilieu Handel zuließen und davon profitierten. „Ihre Verteidiger sprechen von konstruierten Vorwürfen und vermuten, interne Querelen in der Polizeibehörde hätten zu der Anklage geführt.“ 4. Diese Vorfälle zeigen auf, dass zumindest bei einem Teil des Berliner LKAs Ansätze zu mafiösen Strukturen bestehen, die BeamtInnen es mit dem Gesetz nicht so ernst nehmen und zusammen dafür garantieren, dass permanente Rechtsbrüche im Polizeialltag von allen BeamtInnen gedeckt werden. Diese Verselbstständigungstendenzen lassen sich von dem politisch verantwortlichen Innensenat schwer aufbrechen. Hagelt es allerdings Dienstaufsichtsbeschwerden und werden Rechtsverstöße durch die LKA BeamtInnen immer mehr öffentlich gemacht, kann dies unangenehme Konsequenzen für die selbstverliebten KommissarInnen haben. Fallbeispiel aus dem politischen Alltag – Christian S. Ein Beispiel für die Arbeitsweise des Berliner LKA im politischen Milieu zeigt die Antwort auf eine Kleine Anfrage im sächsischen Landtag zu den Polizeieinsätzen während der Antifa-Aktivitäten gegen einen Neonaziaufmarsch am 13. Februar 2005 in Dresden. 36 Berliner LKA BeamtInnen waren „zur Unterstützung der einsatzführenden Polizeidirektion in den Einsatzabschnitten Aufklärung sowie Raumschutz/Zugriff eingesetzt“. Sie alle „trugen zivile Kleidung, so wie es bei Kriminalbeamten im operativen Einsatz grundsätzlich der Fall ist“. Zumindest „das Begehen von Straftaten ist ihnen nicht erlaubt“ 5. LKA BeamtInnen verschiedener Abteilungen arbeiten also auch bundesweit intensiv zusammen und fahren dem von ihnen zu durchleuchtenden politischen Milieu auch in andere Bundesländer hinterher. So kam es dazu, dass zwei verdeckt ermittelnde BeamtInnen aus Berlin am Demonstrationsgeschehen in Dresden teilnahmen, Informationen sammelten und mindestens zwei Personen aus Berlin gezielt festnehmen ließen. Einer der Gefangenen war der Antifaschist Christian S., der sogleich wegen einem angeblich begangenen Landfriedensbruch, den die LKA AufklärerInnen gesehen haben wollen (andere Beweise gibt es nicht), in Untersuchungshaft kam. Der Staatsanwalt Fenner aus Berlin fand den Fall derartig interessant – es ging um einen Flaschenwurf, der niemanden getroffen hat – dass er das Verfahren an sich zog und ihn vor dem Landgericht Berlin 6 anklagte. Christian S. sitzt seit März 2005 in Berlin-Moabit in U-Haft und plagt sich mit einer Hepatitis C Erkrankung rum, die nicht richtig behandelt wird 7. Die U-Haft Frist von maximal sechs Monaten ist der Staatsanwaltschaft völlig egal und sie erneuert den Haftbefehl, bis irgendwann mal der Prozess stattfinden kann. Ermittlungstechnisch vom LKA für die Staatsanwaltschaft vorbereitet, rechtsstaatlich alles einwandfrei verpackt und irgendwann auch vom Gericht abgesegnet. So funktioniert die vom LKA gesteuerte Gewaltenteilung. Der Festgenommene war dem Staatsanwalt und dem LKA nämlich nicht unbekannt. Ein Verfahren gegen ihn im Dezember 2004 wegen der verhinderten NPD-Demonstration am 1. Mai 2004 in Berlin Lichtenberg-Friedrichshain offenbarte, dass die verdeckt ermittelnden BeamtInnen Straftaten über längere Zeit gezielt zuließen, um das zu erwartende Strafmaß für die Person zu erhöhen. Ferner blieb offen, wie viele PolizeibeamtInnen in einer größeren Gruppe „Straftäter“ waren, die sich an den Ausschreitungen in Friedrichshain beteiligten. Nach Aussage des Hauptzeugens Siegert, der nach eigenen Angaben der Ermittlungsgruppe FAO – Fahndung, Aufklärung, Observation angehört und sich extra für den Prozess falsche Haare und Bart angelegt hatte, waren es aber „einige“, auch aus anderen Direktionen. Verdeckte Aufklärer Am 30. Oktober 2004 wurden bei einer antifaschistischen Demonstration gegen einen Neonaziaufmarsch in Potsdam wieder Berliner LKA BeamtInnen verdeckt eingesetzt. Dazu heißt es von der Einsatzleitung,dass es sich bei den BeamtInnen des LKA 562 um eine Variante des Verdeckten Aufklärers im politisch motivierten Umfeld handelt. Die BeamtInnen werden überwiegend zu Observationszwecken im Extremismusbereich eingesetzt. Aus diesem Grund können sie selber keine Festnahmen durchführen, stellen durch Observation und Meldung jedoch sicher, dass die Person abgesetzt durch uniformierte Kräfte festgenommen werden kann. Zeugenschaftliche Äußerungen werden jedoch geleistet. Bei einer antimilitaristischen Demonstration im Oktober 2005 in Berlin waren wiederum polizeiliche AufklärerInnen verdeckt tätig. Doch diesmal nicht gerade unerkannt. Der Polizeioberkommissar Rouven K. vom Mobilen Einsatzkommando (MEK), war früher bei der PMS gegen „Straftäter links“ eingesetzt. Er fühlte sich von einem seiner „Klienten“ dermaßen provoziert, dass er seine Tarnung auffliegen ließ und wild mit dem Knüppel in die Menge schlug. Die Presse freute sich und stempelte ihn als durchgeknallten Workaholic ab, statt die Gründe für diese Gewaltorgie in der Struktur der Sondereinheiten zu suchen 8. Fazit - Sich gemeinsam nichts gefallen lassen! Wer in Berlin politisch aktiv ist, muss damit rechnen irgendwann mal Probleme mit den LKA-Sondereinheiten zu bekommen. Die einzige Möglichkeit, die mensch hat, um damit umzugehen ist juristisch und politisch gegen Rechtsverstöße auf verschiedenen Wegen vorzugehen und klarzumachen, dass die billigen Einschüchterungsversuche irgendwelcher braungebrannter BodybuilderInnen, die sich für Bulle, StaatsanwältIn und RichterIn in einer Person halten, nicht greift, weil eine starke linke Bewegung euch den Rücken stärkt. Das Landeskriminalamt hat, seiner Aufgabe entsprechend, umfangreiche Zuständigkeiten und auch die notwendigen rechtlichen und logistischen Mittel, um euch ziemlich krass zu nerven. Aber auch diese Mittel sind endlich und Berlin spart auch beim LKA ordentlich. Mit zunehmender öffentlicher Kritik an den Sondereinheiten und derben Polizeiskandalen steigt auch das Bedürfnis diese wegzukürzen. (1) Antifa Infoblatt Nr. 53/ 2001 „Polizeiruf 88 Null“ (2) 26.08.2005 BZ „Ober-Kommissar Koks“ (3) 24.09.2003 Berliner Zeitung „Rechte wussten offenbar von geplanter Razzia“ (4) 10.09.2005 Berliner Zeitung „Großgarnelen in geheimer Mission“ (5) KA Dresden 36-0141.50/1671 (6) Vor dem Landgericht wird nur angeklagt wenn klar ist, dass das zu erwartende Strafmaß über vier Jahren Haft liegen wird. (7) Mehr zu Fall Christian S. unter www.freechristian.de.vu (8) 29.10.2005 Tagesspiegel „Opfer klagen prügelnden Polizisten an“ ------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Zwischen Realitätsflucht und Paranoia Linkes Kommunikationsverhalten ist geprägt von Verschwörungstheorien oder grenzenlosem Leichtsinn. Fakten zu dem Thema sind schwer zu finden, da sich Ermittlungsbehörden diesbezüglich nicht gern in die Karten schauen lassen – wir probieren es trotzdem. 41.000 Telefonanschlüsse wurden 2004 bundesweit nachweislich von den Bullen kontinuierlich abgehört, andere Zahlen sprechen von 2,5 Millionen Menschen und 30 Millionen Telefonaten 1. Das die Überwachung auch tatsächlich Sinn macht und deshalb Datenschutzbeauftragte nicht gern von den Kontrollinstanzen angehört werden, zeigt ein Gutachten des Max-Planck-Instituts von 2003, welches die Wirksamkeit der Telefonüberwachung analysiert hat. So betrage die Anklagequote 58 Prozent. Davon seien sogar in 94 Prozent der Fälle Verurteilungen ausgesprochen worden. Also sind die Ergebnisse durch Telefonüberwachungen juristisch höchst relevant 2. Vorbeugender Lauschangriff Im April 2005 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass eine Rundumüberwachung mit der ein Persönlichkeitsprofil konstruierbar ist, generell unzulässig ist. Mehrere Fahndungsmaßnahmen gleichzeitig wie z.B. der „Große Lauschangriff“ (Wanzen in der Wohnung, Telefonüberwachung, GPS-Sender im Auto) sind hingegen akzeptabel und müssten für alle verschiedenen Dienststellen gleichzeitig zugänglich gemacht werden 3. Der „Große Lauschangriff“ wurde seit seiner Einführung im Jahr 2000 allerdings erst 120 mal eingesetzt, da er technisch sehr aufwendig ist und die „normale“ Telekommunikationsüberwachung vergleichbar gute Ermittlungsergebnisse wie Standort des Handys, Internetanschluss- und Gesprächsüberwachung liefert 4. Im Juli 2005 erklärte das Bundesverfassungsgericht ebenfalls, dass die Praxis der „vorbeugenden Telefonüberwachung“ nicht rechtmäßig sei 5. Ein Staatsrechtler meint dazu: „Das Grundgesetz lügt; und das Bundesverfassungsgericht hat nichts zu sagen. (...) Wir warten, um in Grundrechte einzugreifen, nicht auf einen Verdacht hin; es genügt der Vor-Verdacht; und wir greifen nicht nur auf den zu, der verdächtig ist, sondern auch auf den, der verdächtig werden könnte.“6. Also sind meist nicht nur die Personen von Telefonüberwachung betroffen, die irgendeiner Straftat verdächtigt werden sondern auch jene, die mit ihnen Kontakt haben. Dabei ist alles ist vom Ermessen der Ermittlungsbehörden abhängig. Berliner Methoden ohne politische Kontrolle 2004 wurde im Unterausschusses Datenschutz und Informationsfreiheit im Berliner Abgeordnetenhaus der Antrag der FDP „Keine uferlose Telefonüberwachung“ abgelehnt, wobei selbst die Justiz Senatorin Schubert sich den sprunghaften Anstieg bei Telefonüberwachungen durch die Berliner Polizei nicht erklären konnte. Ein ähnlicher Antrag vom Fraktionsführer der Grünen Ratzmann, der polizeiliche Fahndung mittels „stummer SMS“ ohne richterlichen Beschluss für Berlin untersagen wollte wurde ebenfalls mit großer Mehrheit abgelehnt. Ferner waren sich alle Senatsmitglieder einig, dass es keine genauen Zahlen und Studien diesbezüglich gibt 7. Überwachungsmaßnahmen sind also Sache der Ermittlungsbehörden und unterliegen scheinbar keiner politischen Kontrolle. Stumme SMS – Ortung ohne Richterlichen Beschluss Handys wählen sich in kontinuierlichen Abständen beim Netz an, um zu zeigen wo sie grade sind und ob sie an sind. Diese Daten werden zum Gebrauch durch den Netzanbieter gesammelt und seit dem neuen Kommunikationsgesetz unterschiedlich lang (meist sechs Monate lang) gespeichert. „Stumme-SMS“ sind Kurzmitteilungen, welche die angeschriebenen Geräte nicht als normale Text-Nachrichten registrieren und deren Empfang sie dem Nutzer nicht wie üblich im Display melden. So erzeugt die Polizei Verbindungsdaten beim Mobilfunkprovider, die dieser wiederum laut Gesetz unverzüglich zum Zwecke der Standortbestimmung auslesen und der Polizei zur Verfügung stellen muss, da es sein könnte, dass die überwachte Person Kontakt mit einem eventuellen Mittäter aufgenommen hat, um sich abzusprechen. Also ist es den Bullen durch diese technische Finesse jederzeit möglich den ungefähren Standort eines Handys zu ermitteln (genau auf etwa 200m), auch ohne einen richterlichen Beschluss für eine Telefonüberwachung. Nach dem „Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG)“ können Polizeibeamte bei „Gefahr im Verzug“ auch ohne richterlichen Beschluss längerfristig observieren und technische Mittel zu Hilfe nehmen, wenn Straftaten von „erheblicher Bedeutung, die auf Grund ihrer Begehungsweise, ihrer Dauer oder Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören“ in Vorbereitung oder Ausführung sind bzw. die Beamten davon ausgehen, dass dies der Fall ist (8). Diese Gummiklausel eröffnet der Polizei einen Beurteilungsspielraum, der bewusst so schwammig gehalten ist, um den langsamen Weg über ein Gericht umgehen zu können, und den Ermittlern freie Hand zu lassen. Doch selbst diese Gesetzeslage wird von den Beamten in der Praxis oft noch weiter ausgedehnt, wenn z.B. eine „Gefahr im Verzug“ konstruiert wird oder die Betroffenen sich aufgrund massiver Einschüchterungen nicht gegen ungesetzliches Vorgehen zur Wehr setzen können. Auch wenn ein Gericht, der Überwachung zustimmt, tut es dies rein formal aufgrund der Informationen der Bullen. Grundsätzlich sollte mensch gegen jeden Eingriff in die Privatsphäre, egal welche gesetzliche Grundlagen bestehen (mittlerweile ändert sich das ja ständig) juristisch Einspruch erheben und die Rechtswidrigkeit von einem Gericht prüfen lassen. Das Geld in solche Verfahren ist gut angelegt, da sie der ganzen Linken nutzen können 9. Big LKA is watching you? Was haben die eigentlich für Mittel, schließlich können nicht 1000 LKAler rund um die Uhr 4 Millionen Leute in Berlin abhören? Auf jeden Fall nicht zeitgleich. Die Telefongesellschaften leiten die angeforderten Anschlüsse automatisch zu den Landeskriminalämtern um. Dort werden die Gespräche dann zentral gesammelt und mitgeschnitten und nur bei Bedarf oder bei bestimmten Schlüsselwörtern irgendwann ausgewertet. Die Größenordnung lässt sich nur vermuten: 2003 waren mehrere LKA Beamte und ein Dolmetscher wegen Bestechlichkeit usw. vor Gericht. Der Dolmetscher hatte dem LKA im Jahr 1998 knapp 70 neue Computer für die Auswertung von Telefonüberwachungen gesponsert und im Gegenzug Aufträge erhalten Telefongespräche zu übersetzen 10. Sieben Jahre später dürfte es sich um ein Vielfaches an Technik handeln. Die Datenmengen an sich sind also nicht das Problem. Wenn du also nicht sicher bist, ob die Bullen irgendwelche Überwachungsmaßnahmen gegen dich fahren, dann geh erst mal prinzipiell davon aus. Praxis im politischen Milieu Immer häufiger beschlagnahmen Bullen Handys, auch bei Lappalien, um Daten über die Szene zu sammeln und um euch in eurer Arbeit zu schwächen. Auch hier gilt wie sonst auch: Immer gegen alles Widerspruch einlegen und keine Deals wie z.B. „gib uns die PIN Nummer und du darfst deinen Anwalt anrufen“. Wenn ihr in eine Kontrolle oder in eine andere brenzlige Situation kommt schaltet sofort euer Telefon aus. Wenn klar ist, dass ihr festgenommen werdet, solltet ihr - falls ihr das für sinnvoll haltet - die SIM Karte unbrauchbar machen, da es in letzter Zeit keine Festnahme mehr ohne Beschlagnahme des Handys gab. So oder so müsst ihr euch nach der Festnahme ne neue Telefonnummer besorgen, da eure Nummer ab jetzt in sämtlichen Akten und Suchlisten beim LKA auftaucht, egal ob die Bullen die PIN geknackt haben oder nicht (merkt mensch übrigens daran, dass ihr ne neue PIN von ihnen bei der Rückgabe bekommt). Bevor es dazu komm ist es natürlich hilfreich Anruflisten, SMS usw. öfters aus dem Handy zu löschen. Immer wieder gibt es Gerüchte über das mögliche Abhören von eingeschalteten Handys. Technisch und juristisch ist das für die Bullen ziemlich schwierig und wird sehr selten eingesetzt, da ein derartiger Eingriff in die Grundrechte einer guten Begründung bedarf. Der Standort des Handys ist, wie oben beschrieben, für die Cops einfach abzufragen und reicht ihnen als Indiz oft aus. Wer sich also nicht sicher ist und keinen Bock hat ein Risiko einzugehen, sollte öfters das Handy ausschalten und – zumindest bei neueren Handys – den Akku entfernen wenns mal interessant wird. Computerschnickschnack Cops nehmen immer öfter Computer bei Hausdurchsuchungen mit, auch wenn die Straftat nichts damit zu tun hat. Egal ob die PCs nun mit Passwort versehen sind oder alles offen rum liegt werden sie immer einen Grund finden diese mitzunehmen – verhandeln hat also keinen Sinn (meist fragen sie nach dem Passwort mit der Drohung sonst die Kiste mitzunehmen). Computer sind zwar nett und können ein wichtiges Arbeitsmittel sein, sie sind aber jederzeit ersetzbar und das Bedürfnis sie zu behalten darf nicht über dem Sicherheitsbedürfnis der Linken stehen. Also scheiß auf den Rechner. Wer weiß, dass der heimische Computer jederzeit beschlagnahmt werden kann, muss das in seiner alltäglichen Nutzung einplanen. Speichert eure wichtigen Daten, Uni-Kram, Arbeit, Bilder vom Geburtstag öfters mal auf CD und packt sie irgendwo sicher weg. Kümmert euch um die Sicherheit eurer Daten. Wer Angst wegen Raubkopien von Videos, CDs, Programmen usw. hat: wenn sich Cops für so was interessieren haben sie nicht viel gegen dich in der Hand und diese Verfahren werden in den meisten Fällen eingestellt, da es trotz anders lautender Panikwerbung, gesellschaftlich akzeptiert ist und dementsprechend nur wenig geahndet wird. Egal welchen Internetanbieter ihr benutzt, ob ihr nun DSL Kunden seid oder euch über ein Modem analog bei verschiedenen Providern einwählt: eure Nutzerdaten bzw. euer Anschluss sind dem Provider jederzeit bekannt, werden mindestens sechs Monate gespeichert und werden ohne euch zu benachrichtigen den Cops mitgeteilt. Die Identifizierung funktioniert über die sog. IP. Also können die Bullen jederzeit raus finden wann ihr auf welcher Webseite wart, E-Mails abgerufen habt usw. Andersherum, wenn die Bullen z.B. wissen wollen wer alles eine Webseite besucht, gehen sie den Weg über den Server, auf der die Seite gespeichert ist. Wenn dieser in Deutschland steht, müssen die Verbindungen auch min. sechs Monate gespeichert werden. Das einzige Mittel dagegen ist anonym im Internet zu surfen, auch wenn mensch erstmal nicht weiß wofür das noch gut sein kann 11. Fazit - Klappe halten Nichts ist sicher, und so wie es ist bleibt es nicht. Generell sollte es vermieden werden konkrete Angaben am Telefon, in unverschlüsselten e-mails usw. zu machen. Also keine Namen, keine Adressen, Kontodaten, Passwörter, Strukturen oder Aktionen unverschlüsselt über digitale Kommunikationswege senden oder auf dem heimischen Computer lagern. Eine undichte Stelle und das ganze macht keinen Sinn. Deshalb, lieber mal persönlich treffen, ist ja eh viel netter. (1) Heute im Bundestag 06.04.2005 (2) http://www.iuscrim.mpg.de/verlag/online/Band_115.pdf (3) Bundesverfassungsgericht 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 (4) „Es gibt so etwas wie eine Digitalisierung unserer Grundrechte. Je mehr unserer Alltagsbeschäftigungen über Internet über Telekommunikation über Chipkarten oder ähnliches laufen, desto größer wird die Gefahr, dass eine Rundumüberwachung stattfindet.“ Tilo Weichert, Unabhängiges Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein (5) Budesverfassungsgericht 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 (6) „Ein Grundrecht ohne Boden“ Süddeutsche Zeitung 16.03.2005 (7) Drs 15/1679 und Drs 15/1834 aus Wahlperiode 15 (8) www.datenschutz-berlin.de/infomat/asog/inhasog.htm (9) Dabei helfen der Ermittlungsausschuss Berlin (030-69 22 222) oder die Rote Hilfe (www.rote-hilfe.de) gern (10) „Die ominöse Leihgabe von 70 Computern“ TAZ 01.07.2003 (11) www.anon.inf.tu-dresden.de oder www.linke-buecher.de/anleitung-zur-anonymitaet.htm ------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Personenobservation & Gegenobservation In diesem Abschnitt möchten wir einige Tipps zum Umgang mit Personenobservation (wenn dir Bullen oder VS hinterherschleichen) geben. Leider können wir nicht näher darauf eingehen, wie der Anfangsverdacht einer Personenobservation entsteht, da es relativ schwierig ist hierzu allgemeingültige Aussagen zu treffen. Hier kommt es vor allem auf deine persönliche Einschätzung an, ob gegen dich ein Anfangsverdacht besteht, der eine Observation möglich macht. Wir gehen in diesem Abschnitt also davon aus, dass du eine Observation annimmst. Anlass für eine Personenobservation ist in der Regel ein Ermittlungsverfahren bei den Bullen oder etwas entsprechendes bei den Geheimdiensten/Verfassungsschutz (ein sogenannter „Vorgang“). Eine Observation kann mit einer Festnahme/ Hausdurchsuchung enden, oder aber sie ist erst einmal ohne ersichtliche Folgen, mal abgesehen davon, dass die Sicherheitsbehörden nichts löschen, was sie einmal gespeichert haben. Von der Ungewissheit zur Sicherheit Wenn du nun den Anfangsverdacht einer Observation deiner Person hast, kannst du versuchen mit einer Gegenobservation Genaueres herauszubekommen. Dazu brauchst du ein paar Leute, denen du vertraust und die über eine gute Beobachtungsgabe verfügen. Dann arbeitest du einen Weg aus, den du in einer bestimmten Zeit zurücklegst. Dieser Weg sollte so gestaltet sein, dass er sich gut in deinen Alltag einfügt, damit etwaige ObservatorInnen nicht merken was du vorhast. Der Weg sollte außerdem ein paar Biegen haben, damit ausgeschlossen ist, dass dir jemand nur zufällig folgt. Die Strecke muss nicht besonders lang sein. Sie sollte nicht dauernd Hauptverkehrsrouten folgen, aber auch nicht zu sehr um sich selbst kreisen, da es sonst passieren kann, dass die Observationsgruppe einen Ring bzw. eine Glocke um dich bilden. Es können Stops eingebaut werden, durch die dann ein Richtungswechsel plausibel werden. Z.B. gehst du erst zu einem Copy-Shop und kopierst dort etwas, dann biegst du ab quer zur bisherigen Richtung und fährst zu einem Briefkasten, in den du etwas einwirfst. Dann wechselst du wieder die Richtung und kaufst in einem Laden eine Zeitung. Am besten ist es, die Strecke in einem Auto/Fahrrad zurückzulegen, dann wirst du nicht nur zu Fuß verfolgt. Die festgelegte Route solltest du deinen FreundInnen mitteilen. Wenn es dir zu gefährlich erscheint, dich direkt mit ihnen zu treffen mußt du andere Wege der Übermittlung finden. Am einfachsten ist es aber, den Weg mit Leuten zu klären, mit denen du problemlos und unverdächtig zusammenkommen kannst und die mit großer Wahrscheinlichkeit nicht selber observiert werden. Deine FreundInnen postieren sich nun möglichst unauffällig zum angegebenen Zeitpunkt entlang des Weges. Sie notieren genau, wann du wo vorbeikommst und was sich hinter dir alles bewegt: Autos, Fahrräder mit Uhrzeit, Kennzeichen, Farbe usw.Hinterher werden die Beobachtungen zusammengetragen. Wirst du wirklich observiert, müßte sich das daran zeigen, dass an den verschiedenen Stellen die gleichen Personen/Fahrzeuge aufgetaucht sind. Wahrscheinlicher ist aber, dass deine FreundInnen die Observation unmittelbar erkannt haben, denn um an dir dranzubleiben, müssen sie manchmal mit hohem Tempo unter Missachtung der Straßenverkehrsordnung durch die Straßen jagen. Es bleibt ein Risiko Natürlich bleibt immer eine Restunsicherheit. Es könnte sein, dass du einen Peilsender am Fahrzeug hast und die Observierenden deswegen einen größeren Abstand zu dir halten (hinterkommen müssen sie aber trotzdem). Oder aber sie waren erst an dir dran haben dich dann aber verloren, oder sie haben wenige Minuten bevor du deine Route gefahren bist Feierabend oder Mittagspause gemacht. Deswegen kannst du über eine Gegenobservation immer nur Gewissheit erlangen, ob sie an einem speziellen Zeitpunkt an dir drangehangen haben. Trotzdem hast du gute Chancen, wenn du Zeit und Ort gut wählst, dadurch eine ausreichende Gewißheit über deine unmittelbare Situation zu bekommen. Aus: Radikal Nr. 151 ------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Bullen Standardlügen Im Zuge einer Verhaftung hat bisher jedeR die Erfahrung gemacht, dass Polizeibeamte bewusst lügen, um ermittlungstechnisch Erfolge zu erzielen. Dabei werden nicht nur mit der Unwahrheit bezüglich des Tathergangs gearbeitet, beispielweise „Dein Freund hat sowieso schon alles ausgepackt. Wenn du jetzt nichts sagst, stehst du schlecht da.“. Auch Verdrehungen rechtlicher Grundlagen auf dem Revier oder in der Gefangenensammelstelle oder beim Landeskriminalamt, dass man seinen Anwalt nicht anrufen darf oder als Zeuge aussagen muss vor Polizeibeamten, sind keine Ammenmärchen. Um einige dieser klassischen Unwahrheiten zu benennen folgendes Fallbeispiel, um im Falle einer Verhaftung auf einiges vorbereitet zu sein. Es war einmal... Tom und Lisa waren unterwegs. Sie bemerken nicht wie in ihrer Nähe ein blaumetallic-farbener Passat hält und mehrer Personen aussteigen. Als sie dann auch schon aufgefordert werden stehen zu bleiben mit einem kurz „Halt – Polizei. Stehen bleiben“. Die kriegen uns nicht, denken sich beide, und sporten los. Lisa ist leichtfüßig und kann sich nach einem längeren Sprint in Sicherheit bringen. Tom allerdings hatte in der Nacht zuvor zu tief ins Glas geschaut und durchnächtigt wie er war, kam er nicht weit. Ein Beamter führt ihn zurück im Wagen, wo er zunächst aufgeforderte seinen Pass vorzuzeigen. Verärgert um dieses unnötige Gewese wegen einer solchen Kleinigkeit, gab er mürrischen seinen Personalausweis heraus. Während nun der eine Zivilbeamte seinen Personalien überprüfen ließ, forderte ihn ein anderer auf seine Arme gegen den Wagen zu legen und die Bein zu spreizen und klopfte seine Kleidung ab. Im Wissen, dass sich in dieser Gegend häufig auch Nazis umhertrieben hatte Tom noch ein Teleskopschlagstock in der Tasche stecken. Der Zivilbeamte freute sich, fachmännisch meinte er, es handele sich dabei um einen Totoschläger und füllte sogleich ein Beschlagnahmeprotokoll aus. Da Tom schon mal gelesen hatte, dass er hier keine Unterschrift leisten musste verweigerte er diese unter dem Protokoll. Der Beamte meinte, dass das so Vorschrift sei und herrschte ihn aggressiv an. Verärgert, dass sie ihn so nervten blieb Tom allerdings standhaft. Erst dann rückte der Zivilbeamte und ein und unterschrieb das Protokoll endlich eigenhändig. Mittlerweile war auch schon eine Polizeiwanne eingetroffen. Nachdem Tom eine Stunde am Passat in der Kälte rumgestanden hatte wurde er in die Wanne verbracht. In der Wanne wurde er von einem BGS –Einsatzbeamten bewacht. Dieser plauderte auch schon munter drauf los. Tom solle doch schon zugeben, was er getan hatte. Man wisse doch sowieso alles. Er würde allen Zeit ersparen, wenn er jetzt etwas zugeben würde. Für die doof hält mich die braungebrannte Wurst eigentlich? – fragt sich Tom und hält seinen Mund. Als würde ich einfach so ein Geständnis ablegen, denkt er weiterhin bei sich. Nach einer weiteren Viertelstunde mit dem „so freundlichen“ Beamten in der Wanne taucht nun der Zivilbeamte auf und erklärt Tom, dass er zum Auffinden von Beweismitteln in das LKA in Tempelhof verbracht wird. Nach einer unbequemen Fahrt wird Tom in Tempelhof in eine Zelle geführt. Inzwischen müde geworden legt er sich sogleich auf die dort installierte Pritsche. Als er nach kurzem bereits wieder jäh von einem Schließer geweckt wird und in einen Raum geführt, in der er nochmals gründlicher durchsucht wird. „Na toll, jetzt muss ich auch noch meine Hosen runterlassen, finden sie das nicht auch ein bisschen kindisch?“ fragt er den Beamten. Dieser guckt ihn nur verwundert an und sagt, er mache nur seinen Job. Als Tom nun auch unter diesem Protokoll seine Unterschrift verweigert, meint der Schließer, dass Tom in diesem Falle seine Sachen danach nicht wiederbekommen werde. Schon etwas in Sorge um sein gutes Nokia Handy bleibt Tom dennoch standhaft. Als er nun auf seine Frage, wann er endlich mal einen Anwalt anrufen darf noch die Antwort erhält, dass das nicht genehmigt ist und er auch nicht das Recht dazu habe, muss Tom fast loslachen. Er dachte das gibt es nur im Film. Kein Problem denkt er sich, später wird er halt einfach eine Beschwerde einlegen. Zurück in der Zelle ist es nun schon fast vier. Todmüde wirft sich Tom auf die Pritsche. Er meint zu träumen als um halb fünf diesmal eine korpulente weibliche Schließerin auftaucht und das Frühstück verteilt. Auf Nachfragen hat auch sie wieder eine schlüssige Antwort, warum das Frühstück um halb fünf verteilt wird –das sei nun mal der Rhythmus. Seinen Anwalt dürfe er immer noch nicht anrufen. Als Tom die Schließerin zu belehren versucht, dass das sein gutes Recht sei, erwidert sie nur, dass so etwas gefährliches Halbwissen sei. Nun gut denkt er bei sich, zweiter Punkt für seine Beschwerde. Langsam wird Tom ungeduldig, Fliesen zählen wird letztendlich doch etwas langweilig. Irgendwann taucht ein Beamter auf und führt ihn zu ED – Behandlung in andere Räume. Zunächst wird ihm befohlen sich an eine Wand zu stellen für Fotos von ihm. Habe ich schon mal gehört von dieser Prozedur, erinnert er sich, und bläht vor dem ersten Klick seine Wangen auf. Währenddessen stellen ihm die Beamte beiläufig Fragen. „ Ich habe nichts zu sagen“ erwidert Tom. Als er belehrt wird, dass er dazu verpflichtet sei. Tom ist fast schon fassungslos mit was für einer Dreistigkeit der Beamte mit dem schlechten Haarschnitt lügt. Für wen hält der sich ? – denkt Tom - dann habe ich meinen Anwalt hinterher einfach mehr zu erzählen. Und zurück in seine Zelle geführt muss er auch nicht mehr lange warten, als er zum Verhör abgeführt wird. Fragenkatalogartig werden ihm Fragen gestellt. Ob er zur Schule geht, welche Konfession er hat. Auf seine Frage, ob er nicht nur seinen Namen und seinen Wohnort angeben muss, lächeln die Beamten. Idioten, denkt er bei sich und guckt verbissen zum Fenster rauf als sie nicht aufhören sinnlose Fragen an ihn zu richten. Sie schließen das Verhör und Tom wird eröffnet, dass er jetzt auch gehen könne. Endlich. Am Ausgang erhält er seine Sachen zurück. Geübt verweigert Tom inzwischen automatisch die Unterschrift. „Ja, ja. Dann bekomme ich meine Sachen nicht zurück“, sagt nun lächelnd Tom und erhält seine Gegenstände von dem Beamten ausgehändigt, der sich über das unkooperative Verhalten beschwert, das solche Abläufe nur erschwert. Am Ausgang warten schon seine FreundInnen auf ihn. Tom verabredet sich gleich mit einem Anwalt, um eine Dienstaufsichtsbeschwerde und eine Beschwerde gegen die Festnahme einzulegen. Einige Wochen später erhält Tom dann unerwartet Post ins Haus. Ein Schreiben vom Verwaltungsgericht Berlin. Seiner Beschwerde wurde stattgegeben. Na, dann werde ich gleich mal versuchen Schadensersatz geltend zu machen, denkt sich Tom. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Aussageverweigerung In allen Klassengesellschaften versuchen die Reichen und Mächtigen, ihre Macht und ihren Reichtum zu schützen. Dazu bedienen sie sich des Staates. Sie schaffen Gesetze, die ihnen Macht und Reichtum zusprechen und diese garantieren, und nutzen Polizei und Streikräfte. Jede politische Bewegung, die die bestehenden politischen und sozialen Verhältnisse angreift, wird deshalb früher oder später mit der Repression des Staates konfrontiert. Staatliche Repression verfolgt stets das Ziel, eine den Herrschenden unliebsame politische Bewegung zu schwächen. Sie richtet sich daher niemals gegen Einzelne, auch wenn “nur” Einzelne herausgepickt und abgestraft werden. Ein wichtiges Instrument der Abwehr staatlicher Repression bildet die Aussageverweigerung bei Polizei und Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls vor Gericht. Polizei und Staatsanwaltschaft sind staatliche Represssionsorgane. Die Polizei fungiert als Hilfsbeamtin der Staatsanwaltschaft. Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist es, “Beweise” und “Indizien” gegen eineN “VerdächtigeN” zusammenzutragen, um zu schauen, ob genügend “Material” für eine Anklage vorhanden ist. Es liegt ausdrücklich aber nicht im Interesse einer/eines Staatsanwalts/Staatsanwältin, eure “Unschuld” zu beweisen. Im Gegenteil wird die Staatsanwaltschaft alles daran setzen, selbst “Fakten”, die für euch sprechen, gegen euch zu wenden. Das gilt insbesondere für StaatsanwältInnen der politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft. Die sicherste Variante, ein Ermittlungsverfahren unbeschadet zu überstehen, ist daher eine vollständige Aussageverweigerung! Aussageverweigerung ist ein bewusstes politisches Handeln. Wer sich entscheidet, kein Sterbenswörtchen zu sagen, boykottiert jegliche Zusammenarbeit mit den Organen der Klassenjustiz und erschwert ihnen die Erfüllung ihrer Aufgabe. Oftmals benötigt die Staatsanwaltschaft gerade eure Aussage, um ihre Funktion als Repressionsorgan im konkreten Fall überhaupt wahrnehmen zu können. Darüber hinaus nutzt der Staat jede Aussage, um Erkenntnisse über ihm unliebsame politische Strukturen zu erhalten, diese einzuschätzen und gegebenenfalls repressiv gegen sie vorzugehen. Wer die Aussage verweigert, setzt sich intensiv mit staatlicher Repression auseinander, klärt mit und für sich seinen Standpunkt gegenüber den Repressionsorganen und bezieht eindeutig Position. Mensch fühlt sich den staatlichen Repressionsorganen weniger ausgeliefert, weil er/sie ihnen politisch und strategisch etwas entgegenzusetzen vermag. Aussageverweigerung kann euch deshalb helfen, eure Ohnmachtsgefühle gegenüber Polizei und Justiz abzuschwächen und euch Selbstbewusstsein im Umgang mit den Verfolgungsbehörden stiften. Die Staatsanwaltschaft nebst ihrer Hilfsbeamtin Polizei ist ein Herrschaftsinstrument der Mächtigen. Sie wird alles daran setzen, euch aufgrund eurer politischen Aktivitäten vor Gericht zu bringen und damit euch und euren politischen Zusammenhängen zu schaden. Über eure “Schuld” hingegen urteilt nicht die Staatsanwaltschaft, sondern der/die RichterIn aufgrund des “Materials”, das die Staatsanwaltschaft “gesammelt” hat. Jede Aussage vor der Staatsanwaltschaft, die euch oder andere vor Gericht gegebenenfalls “entlasten” könnte, wird die Staatsanwaltschaft nur dazu veranlassen, nach weiteren oder anderen Beweisen, die ihr dann vor Gericht nicht mehr entkräften könnt, gegen euch oder andere zu suchen oder diese zu konstruieren. Aus diesem Grund kann es vor der Staatsanwaltschaft auch niemals wirklich “entlastenden” Aussagen geben. Die Staatswanwaltschaft stellt gezielt Fragen. Auch scheinbar banale Fragen können für den Staat wichtig sein, um euch oder eineN GenossIn zu verurteilen. Im Gegenteil würde der/die Staatsanwalt/Staatsanwältin diese Fragen nicht aufwerfen, wenn sie sich durch sie keinen “Erkenntnisgewinn” verspräche. Deswegen gibt es vor der Staatsanwaltschaft auch keine harmlosen Antworten. Keine Information, die ihr der Staatsanwaltschaft gebt, ist unbedeutend. Sie hilft immer ihr und dem Staat gegen euch oder andere repressiv vorzugehen und/oder eure politischen Strukturen auszuspitzeln. Polizei und Staatsanwaltschaft versuchen, in Verhören oder bei Vorladungen an eure Aussagen zu kommen. Wenn ihr eine Vorladung zur Polizei erhaltet, seid ihr juristisch nicht verpflichtet dieser nachzukommen. Um gar nicht erst in die Verlegenheit zu gelangen, die Aussage verweigern zu müssen, solltet ihr polizeiliche Vorladungen ignorieren und auch die “Absage” des Termins, bei der die Bullen häufig versuchen, euch einen anderen Termin auf´s Auge zu drücken, “vergessen”. Im Gegensatz dazu besteht die Verpflichtung, Ladungen der Staatsanwaltschaft Folge zu leisten. Zuvor solltet ihr allerdings eine Rechtshilfegruppe, z.B. Die Rote Hilfe oder den EA, kontaktieren und euch einen Anwalt vermitteln lassen, der euch zur Staatsanwaltschaft begleitet. Weigert ihr euch, vor dem/der StaatsanwältIn zu erscheinen, kann er/sie ein Ordnungsgeld gegen euch verhängen. Als BeschuldigteR habt ihr das Recht, die Aussage zu verweigern. Aber auch als ZeugIn gibt es Möglichkeiten, “legal” einer Aussage zu entgehen. Nach § 52 StPO besitzt ihr ein Zeugnisverweigerungsrecht, sofern ihr mit dem/der Beschuldigten verwandt oder verschwägert seid (dazu zählen auch Verlobungen!). Ebenfalls befreit sind BerufsgeheimnisträgerInnen wie RechtsanwältInnen, Geistliche, PsychotherapeutInnen u.a. (§ 53 stop), allerdings nur eingeschränkt. Sofern die §§ 52 und 53 StPO nicht einschlägig sind, verbleibt als juristische Grundlage einer Aussageverweigerung lediglich § 55 StPO. Nach § 55 StPO könnt ihr von eurem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, wenn ihr euch ansonsten selbst belastet. Wer sich auf § 55 StPO beruft, läuft also Gefahr, dass die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen ihn/sie einleitet! Außerdem muss dargelegt werden, warum mensch sich mit seiner Aussage belastet und dies für jede einzelne Frage erneut. Eine konsequente Aussageverweigerung wird also bereits durch die mit § 55 StPO verbundene Begründungspflicht ausgehebelt. Dabei ist noch nicht einmal sicher, dass die Staatsanwaltschaft euren Verweis auf § 55 StPO akzeptiert, es drohen euch die gleichen Sanktionsmaßnahmen wie im Falle einer juristisch nicht abgesicherten Aussageverweigerung. Auf § 55 StPO sollte daher nur in seltenen Ausnahmefällen (z.B. Ermittlungsverfahren gegen alle Mitglieder einer Gruppe) zurückgegriffen werden. Im Normalfall bleibt euch also der “Luxus”, “legal” die Aussage zu verweigern, verwehrt. Das macht gar nichts: ihr verweigert trotzdem jegliche Aussage! Die Aufgabe der Polizei deckt sich mit der Aufgabe der Staatsanwaltschaft, “Material” gegen euch zusammenzutragen. Sie entscheidet nicht über eure “Schuld”, hat jedoch ein großes Interesse daran, diese zu beweisen. Wie der/die Staatsanwalt/Staatsanwältin wird die Polizei alle Aussagen gegen dich oder deine GenossInnen verwenden. Scheinbar entlastende Aussagen dienen allein dazu, andere “Indizien” und “Beweise” ausfindig zu machen oder zu erfinden und dich oder andere zu “überführen”. Auch auf den ersten Blick harmlos wirkende Fragen sind auf das Ziel, dir oder deinen GenossInnen zu schaden und deine politische Struktur auszuspionieren, gerichtet. Jede Aussage ist eine Aussage zuviel. Oftmals erfolgt die Befragung durch die Polizei jedoch nicht erst vermittels einer Vorladung, sondern wird von der Polizei im Anschluss an eine vorrübergehende Festnahme durchgeführt. Das Verhör findet somit in einer Situation statt, in der der/die Betroffene sich den Bullen vollständig ausgeliefert und ohne Rechte glaubt. Dabei machen sich die Bullen die Verunsicherung und Angst, die eine vorläufige Festnahme auslöst, zunutze. Es ist keine Seltenheit, dass die PolizistInnen versuchen, die ohnehin vorhandene Unsicherheit durch gezielte Desinformationen zu vergrößern und Gefangene gegeneinander ausspielen. So behaupten sie in Verhören z.B. häufig, die anderen hätten ohnehin schon ausgesagt, der/die Betroffene sei die/der Einzige, der/die nach wie vor die Aussage verweigerte und sich damit Nachteile einhandele. Ein solches Vorgehen der Bullen ist das beste Indiz dafür, dass die anderen dichtgehalten haben, da die Polizei ansonsten nicht so dringend eure Aussage bräuchte! Auch die Androhung, dass ihr länger im Knast bleiben müsstet, eure Aussageverweigerung negativ vor Gericht zu Buche schlüge u.ä. ist Humbug und dient allein dazu, eure Angst zu erhöhen. Die Dauer der Gewahrsamnahme ist gesetzlich genau festgelegt und Aussageverweigerung darf vor Gericht nicht negativ gewertet werden. Eine beliebte Verhörmethode stellt das “Spiel” “guter Bulle, böser Bulle” dar. Während einer der verhörenden Bullen den psychischen Druck auf euch erhöht, streckt euch der andere seine “helfende” Hand entgegen. Der “böse Bulle” lässt euch eure Ohnmacht und Angst verstärkt spüren, so dass ihr eigentlich nur noch raus wollt aus dieser Situation. Zugleich bietet euch der “gute Bulle” an, euch zu helfen, dem Schlamassel zu entkommen. Natürlich nur, sofern ihr bereit seid, Aussagen zu machen. Mit den Aussagen aber geht der Ärger erst richtig los! Oftmals heucheln die Bullen Verständnis für das politische Engagement der/des Gefangenen und versuchen auf diese Tour, Widerstände gegen Aussagen abzubauen und sich als Verbündete zu präsentieren. Die Polizei ist Dienerin der Staatsanwaltschaft, ihre Aufgabe besteht darin, unsere politischen Zusammenhänge zu schwächen. Sie ist nicht unsere Freundin und Helferin, sondern die Freundin und Helferin unserer politischen Gegner. Das ist der Grund für eure Festnahme und für ihr “Verständnis”, das einzig den Zweck verfolgt, euch Informationen zu entlocken. Genau deswegen solltet ihr die Aussage verweigern. Manchmal schreiben euch die Bullen Aktionen zu, die ihr politisch und persönlich ablehnt. Sie spekulieren darauf, dass ihr euch gegen zu Unrecht erhobene Vorwürfe verteidigt und dabei von eurer politischen Arbeit und euren eigenen Aktionen erzählt, also eine Aussage macht. Sie bemühen sich bewusst, euch zu provozieren und rechnen euch die dargelegte Aktion nicht wirklich zu. Und selbst, wenn es so sein sollte, könnt ihr euch immer noch vor Gericht verteidigen. Am Besten, ihr wiederholt gebetsmühlenartig, dass ihr die Aussage verweigert und euren Anwalt/eure Anwältin anrufen wollt. Genauso solltet ihr alle Versuche der Bullen, ein Gespräch mit euch zu beginnen, beantworten. Oftmals knüpfen die Bullen ein zunächst unbedeutendes Gespräch mit euch an, das dann psychologisch geschickt auf die Punkte, die im Verhör angesprochen werden sollten, gelenkt wird. Und plötzlich macht ihr eine Aussage, ohne dass es euch recht zu Bewusstsein gekommen ist. Wirklich sicher hilft auch bei dieser Bullenstrategie nur, alle Gespräche zu verweigern, auch die über das Wetter. Während ihr in absolut allen Fällen bei Polizei und Staatsanwaltschaft die Aussage verweigern solltet, kann eine mit GenossInnen, Rechtshilfe (EA, Rote Hilfe u.a.) und RechtsanwältIn abgesprochene, wohlüberlegte Einlassung vor Gericht in seltenen Ausnahmefällen sinnvoll sein. Etwa wenn ihr euch oder andere mit eurer Einlassung “entlasten” könnt oder wenn ihr einen politischen Prozess führen wollt. Allerdings solltet ihr zuvor sicherstellen, dass eure Einlassung keineN andereN GenossIn belastet. Grundsätzlich empfiehlt sich auch vor Gericht, die Aussage zu verweigern, insbesondere, wenn ihr von der Staatsanwaltschaft als BelastungszeugIn geladen wurdet. Das Gericht ist ebenso wie Polizei und Staatsanwaltschaft ein Herrschaftsinstrument. Es setzt die von den Herrschenden zu ihrem Vorteil erlassene Gesetze durch und urteilt deshalb weder gerecht noch in unserem Sinne. Wer vor Gericht die Aussage verweigert, muss mit einem Ordnungsgeld und im schlimmsten Fall mit Beugehaft rechnen. Beugehaft kann allerdings nur verhängt werden, wenn es ein “schwerwiegenderes Delikt” zu bestrafen gilt. Sie richtet sich nach der Höhe der zu erwartenden Strafe. Die Beugehaft beträgt maximal 6 Monate. Eure Aussage würde dem/der Angeklagten aber mehrere Jahre Knast einbringen, ansonsten könntet ihr nicht in Beugehaft genommen werden. Das einzig solidarische Verhalten in einer solchen Situation heißt Aussageverweigerung! Ob der/die Einzelne bereit ist, in Beugehaft zu gehen, hängt von vielen Faktoren ab. 6 Monate Beugehaft bedeutet für den/die Betroffene 6 Monate Knast, bedeutet, seinen Job zu verlieren, wegen Mietrückständen aus der Wohnung zu fliegen, sich 6 Monate nicht um seine Kinder oder hilfebedüftige Angehörige kümmern zu können und dem Staat den eigenen Knastaufenthalt auch noch bezahlen zu müssen. Beugehaft ist nur durchzustehen, wenn der/die Einzelne auf ein solidarisches Umfeld zurückgreifen kann. Es macht einen Unterschied, ob mensch sich sicher sein kann, dass die Miete von GenossInnen weiter gezahlt wird, die Kinder von FreundInnen betreut werden, ein Solikonto die Kosten abdeckt, GenossInnen Öffentlichkeit herstellen und sie/ihn nicht im Knast vergessen oder ob mensch allein vor dem/der Richterin steht und Beugehaft aufgebrummt bekommt. Ihr seht: für die Abwehr staatlicher Repression ist konsequente Aussageverweigerung unumgänglich. Deshalb: Keine Aussagen vor Gericht, bei Polizei oder Staatsanwaltschaft! www.aussageverweigerung.info www.rote-hilfe.de Wer ist die Rote Hilfe? Die Rote Hilfe ist eine Solidaritätsorganisation, die politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum unterstützt. Sie konzentriert sich auf politisch Verfolgte aus der BRD, bezieht aber auch nach Kräften Verfolgte aus anderen Ländern ein. Unsere Unterstützung gilt allen, die als Linke wegen ihres politischen Handelns, z.B. wegen presserechtlicher Verantwortlichkeit für staatsverunglimpfende Schriften, wegen Teilnahme an spontanen Streiks, wegen Widerstand gegen polizeiliche Übergriffe oder wegen Unterstützung der Zusammenlegungsforderung für politische Gefangene ihren Arbeitsplatz verlieren, vor Gericht gestellt, verurteilt werden. Ebenso denen, die in einem anderen Staat verfolgt werden und denen hier politisches Asyl verweigert wird. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Linker Umgang mit gemachten Aussagen In diesem Abschnitt möchten wir uns mit Aussagen, die vor dem Prozess gemacht wurden, auseinandersetzen. Die Problematik bei Aussagen während eines Prozesses möchten wir an dieser Stelle ausklammern. Zwar bleibt es für uns eine Notwendigkeit dass- unabhängig von Vorwurf und Konsequenzen- bis zum Prozess keine Aussagen gemacht werden, jedoch zeigt sich in der politischen Praxis immer wieder, dass dieser Anspruch nicht eingehalten wird. Es ist für uns als Radikale Linke also zwingend notwendig sich mit dieser Realität auseinander zu setzen. Wir wollen keine vorschnell als VerräterIn brandmarken und ausschließen, doch selbstverständlich ist auch, dass nicht jede Aussage toleriert werden kann. Als Maßstab worüber wir diskutieren und wann die Substanz für jegliche Auseinandersetzung fehlt beziehen wir uns auf die Position der „Anna-und-Arthur-haltens-Maul-Broschüre“. Sie formulierten ihren Anspruch wie folgt: „Verrat- verraten. Es gibt viele Formen von Verrat. Verraten kannst du dich, verraten kannst du eine Sache, verraten kannst du eine politische Entwicklung, verraten kannst du einen anderen Menschen. Oder alles zusammen. Über Verrat an anderen Menschen wollen wir nicht diskutieren, weil wir hier die Grenze setzen, die wir nicht mehr überwinden wollen und können.“ Selbstverständlich ist auch diese, auf den ersten Blick, so eindeutige Position, längst nicht so klar wie es scheint. Denn ab welchem Grad der Preisgabe von persönlichen Information über eine GenossIn fühlt sich eine verraten? Oder ist es nur Verrat, wenn daraus ernste strafrechtliche Konsequenzen folgen? Trotz dieser Unklarheiten ziehen auch wir hier die Grenze, bei Verrat von anderen Menschen sehen wir keine Basis für eine Auseinandersetzung mit der Person. Prinzipiell festzuhalten ist, das erst mal jede Aussage eine Form von Verrat ist- auch die unscheinbarste. Deshalb haben wir generell den Anspruch an uns alle, einer Verhörsituation gewachsen zu sein, uns nicht von den Bullen einschüchtern oder erpressen zu lassen. Wenn es sich herausstellt, dass eine der Situation nicht gewachsen war und es zu Aussagen gekommen ist, ist vor allem ihr persönlicher Umgang damit entscheidend, wie und ob sich mit dieser Person auseinandergesetzt werden kann. Wenn sie sich nur rechtfertigt und verteidigt, ist es schwierig oder unmöglich eine Basis zu finden. Wenn sie aber zu den Aussagen steht, sich ihre Fehler bewusst macht und sie versucht zu verarbeiten, kann es gelingen über die Fehler hinauszuwachsen und sie in Stärke umzuwandeln und das ist unser Anspruch. Wesentliches Moment in der Auseinandersetzung mit Aussagen ist die schonungslose Offenlegung der Aussagen. D.h., die Veröffentlichung von Gedächtnisprotokollen der gemachten Aussagen und die Konfrontation mit eventuell Betroffenen. Denn nur durch die Veröffentlichung- auch wenn es nicht leicht fällt- kann Misstrauen und Verunsicherung abgebaut werden, nur so lässt sich vermeiden, dass die Bullen versuchen euch auszuspielen und zu korrumpieren. Damit wird auch wieder eine Vertrauensbasis geschaffen, auf der solidarische Zusammenarbeit möglich ist, da für alle transparent ist, was die Bullen wirklich durch die Aussagen ermittelt haben. Schlussendlich ist es auch so möglich die gemachten Erfahrungen zu vermitteln, so dass andere daraus lernen können. Auch diese Positionen sind nicht neu, sondern werden schon so oder so ähnlich in schon genannter Broschüre vertreten. Doch gerade in den letzten Jahren der Berliner Szene, scheinen diese Standards nicht mehr praktiziert zu werden. Zwar hört mensch immer wieder hinter vorgehaltener Hand von Aussagen aus den verschiedensten Spektren und Altersklassen, doch der offenen Umgang damit fehlt, die einzelnen Fälle werden individualisiert, es kommt zu keiner offenen politischen Auseinandersetzung. Wir zweifeln an, dass durch einen solchen Umgang sinnvoll Repression aufgefangen werden kann. Denn die Forderung keine Aussagen zu machen richtet sich nicht nur an die von einem Verhör Betroffenen, sondern an unsere gesamten Strukturen und Zusammenhänge. Es gilt also einen solidarischen Umgang, eine politische Identität zu entwickeln, die dazu führt, dass keine Aussagen gemacht werden. Die Vorraussetzungen die zu einer Aussagebereitschaft führen, beginnen schließlich lange vor dem Verhörzimmer und hier sind vor allem die jeweiligen Zusammenhänge gefordert Repression und die Reflexion der selben umzusetzen. In diesem Zusammenhang zitieren wir die „Kämpfenden Waldfeen“, die sich in einem ausführlichen Papier damit auseinandergesetzt haben. „Einen der wichtigsten Fehler sehen wir in den Strukturen der Funktionalisierung. Leute werden nicht umfassend als Persönlichkeiten wahrgenommen, sondern nach ihrer Verwertbarkeit im Widerstand fixiert. Vorwiegend handelt es sich dabei um technische Vorzüge, die den Wert der Einzelnen bestimmen. Eine FigtherIn wird selten nach ihren Utopien gefragt, eine RednerIn selten nach ihrem Umgang mit Beziehungen. Wir nennen das Machtstrukturen. (...) Dann heißt das, Einbindung der GenossInnen als ganze Person, nicht nur die taktische Verwertung ihrer einzelnen Fähigkeiten, das bedeutet: Strukturen schaffen, in denen Widerstand und Alltag nicht getrennt sind, in denen wir mehr von einander wissen als bei der nächsten Demo/Aktion unbedingt notwendig ist. Denn Radikalität heißt auch, mit den überkommen bürgerlichen Verhaltensweisen zu brechen, unsere Umgehensweise zu hinterfragen, die eigen Mauern einzureißen. Heißt mehr Offenheit und Verbindlichkeit unter uns. Dann heißt das nicht nur der nächsten staatlichen Repressionswelle etwas anderes entgegenzusetzen als jetzt, sondern vor allem eine politische Kultur zu schaffen.“ Gerade wenn wir glauben uns auf eine Zeit der verschärften Repression einstellen zu müssen, ist es wichtig, dass unsere Strukturen nicht schwammig, unverbindlich und unpersönlich sind. Denn wie uns die Geschichte der Radikalen Linken zeigt, ist jede Repressionswelle eine Nagelprobe für die Linke und die Geschichte zeigt uns auch, dass die Bullen den größten Erkenntnisgewinn nicht über perfekt getarnte Spitzel, Richtmikrophone und Wanzen, sondern aus unseren eigenen Strukturen gezogen haben. Was in repressiven Zeiten die radikale Linke am meisten gefährdete waren auch nicht „die jungen, unerfahrenen Leute“, sondern war ein militantes Gehabe, das Verschwiegenheit vortäuscht, um damit zu kokettieren, eine Lebenshaltung der Andeutung, die sich in die Nähe von Ereignissen setzt, die sie nicht haben, das die Notwendigkeit konspirativen Verhaltens dazu missbraucht, damit es ja alle mitkriegen, das militante Entschlossenheit und Klarheit simuliert, um Bilder eigener Härte und Entschlossenheit in den Umlauf zu bringen. Ein Verhalten, bei dem der Eindruck entsteht eine wirklich konspirative Aktion wird von vielen nicht angestrebt, schließlich will Mann ja auch die Lorbeeren seines Wagemutes ernten. Es herrscht eine Stimmung in der der Eindruck entsteht die Bullen könnten jede nur erdenkliche Aussage erreichen, wenn sie den zumeist männlichen Kandidaten die Grundlage für ihre Mackeridentität entziehen würde. Denn, wenn es den Agierenden nur um Anerkennung und die Schaffung eines militanten Selbstbildes geht, eine politische Identität aber weites gehend fehlt, besteht keine Grundlage die in der Konfrontation mit den Herrschenden widersteht und gegebenenfalls mehrere Jahre Knast verkraften könnte. D.h. der wirksamste Zugriff auf unsere Strukturen funktioniert über die Macht des Staates uns durch unsere vielen kleinen Lebenslügen und persönlichen Hintertürchen erpressbar zu machen, eine Konfrontation, der wir wie so oft aus dem Weg gehen und der wir dann nicht mehr gewachsen sind. Der beste Schutz unserer Zusammenhänge ist also keine Abendschulung in Spurensicherung und Observationstechniken- so wichtig sie im einzelnen auch sind- sondern die Entwicklung von Lebenszusammenhängen, in denen Politik und Alltag, gegenseitiges Vertrauen und Kompetenz, Lust und Ausdauer, Geborgenheit und Risiko zusammenkommen, anstatt auseinander zu fallen. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Durch die Wüste - Antirepressionshandbuch Was tun, wenn die Repression uns in Form von Ermittlungen, Platzverweisen, Festnahmen, Überwachung, Durchsuchungen, Vorladungen ... trifft? Grundlegend überarbeitet bietet der Ratgeber nicht nur einen schnellen Überblick. Er vermittelt zu allen Themen auch die weitergehenden Zusammenhänge, verweist auf Erfahrungen aus der politischen Praxis und Diskussionen, die für einen Umgang mit Repression unverzichtbar sind. Durch die Wüste der politischen Praxis Auf einmal befindest du dich bei einer Demo gegen Nazis im sog. Polizeigewahrsam, du wirst beim „wilden“ Plakatieren erwischt oder du fragst dich einfach nur, ob du als AnmelderIn einer Demo rechtlich verantwortlich bist und Stress mit den Behörden bekommen kannst. Diese oder andere Situationen, in denen du dich mit prügelnden Cops oder nervenden Behörden konfrontiert siehst, kommen früher oder später auf jeden politisch aktiven Menschen zu. Unvorbereitet steht man leicht mit einem Gefühl der Ohnmacht und Angst den Repressionsorganen und einem Paragraphen-Dschungel gegenüber. Tipps, Trix und wertvolle Anregungen für politische Aktionen und den Umgang mit Polizei, Justiz oder Verwaltungsbehörden gibt das Buch „Durch die Wüste“, das neu aufgelegt und gründlich überarbeitet (die erste Auflage dieses linken Klassikers erschien 1987 !) im Unrast-Verlag erschienen ist. Auf 240 Seiten finden sich alle erdenklichen Informationen und Tipps rund um das leidliche Thema Repression. Die HerausgeberInnen, ein AutorInnenkollektiv von Menschen, die in verschiedenen Rechtshilfe- und Antirepressionsgruppen aktiv sind, haben die (ver)alte(te) Version dieses Klassikers gründlich aktualisiert und um Kapitel zu den immer brisanter werdenden Themen rund um Überwachung wie „Genetischer Fingerabdruck“ und „Computerunsicherheit“ erweitert. Damit tragen sie dem Ausbau des staatlichen Überwachungsapparates, der natürlich auch nicht ohne Folgen für politische Repression gegen linke Gruppen geblieben ist, Rechnung. Auch auf die immer „beliebter“ werdenden Schnellverfahren, die sich häufig direkt an Festnahmen bei Demonstrationen anschließen, wird gesondert eingegangen. Wie ein Leitfaden zieht sich das Ziel, eines bewussten Umgangs mit staatlicher Repression durch das ganze Buch. Zu diesem bewußten Umgang gehören für das AutorInnenkollektiv sowohl die Auseinandersetzung mit eigenen, individuellen Ängsten oder leichtsinnigen „Gewissheiten“, genauso wie Anregungen und Tips zur politischen Prozessführung und Solidaritätsarbeit. Immer wieder wird auf Ziele und Gefahren staatlicher Repression wie Einschüchterung, Vereinzelung, Spaltung und Entpolitisierung von Konflikten hingewiesen. Es bleibt aber nicht bei Informationen und Ratschlägen. Die AutorInnen sind parteiisch im besten Sinne - als Leitsätze des Buches könnten zwei alte Slogans der Linken herangezogen werden: „Angeklagt ist eine, gemeint sind alle !“ und „Allein machen sie dich ein!“. Aber das Buch ist nicht nur empfehlenswert für „alte“, gestandene PolitaktivistInnen - sondern gerade auch für Neulinge linker Praxis, für eine erste und tiefgreifende Beschäftigung mit dem Thema Repression. Vor allem der umfangreiche Teil zum Thema Verhalten bei Demonstrationen, Sicherheit bei politischen Aktionen und Umgang mit der Staatsmacht ist bestens geeignet für die örtliche Jugend-Antifa, den JD/JL-Kreisverband oder „EinzelkämpferInnen“. Parteiisch ist das Buch auch in seiner Sprache: Geschrieben im Szenejargon, immer nah dran an der „autonomen Basis“, mag es zwar für manch eine(n) stilistisch gewöhnungsbedürftig sein, ist aber gerade dadurch leicht verständlich und eben kein Paragrafendschungel. Durch die Wüste - eine lohnende Investition in die eigene Sicherheit (und die von politischen MitstreiterInnen)! Bestellen bei: www.linkesbuch.de