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Sun Dec 11 09:42:23 2005
 

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Angriff auf Summercamp of Resistance

campercrew
Vom 21. bis 28. August fand in Berlin das „Summercamp of Resistance“ statt – ein selbstverwaltetes Camp, das auf Initiative des 3. bundesweiten Vernetzungstreffens politisch aktiver Studierender entstanden war. Ziele waren vor allem Erfahrungen auf dem Weg zu Widerstands- und Selbstorganisation, Intensivierung bundesweiter Vernetzungsstrukturen, sowie inhaltliche Arbeit, die studentische Proteste um eine Vielzahl sozial- und gesellschaftskritischer Themen erweitern sollte.

Als ein unkommerzielles Projekt standen uns die Berliner Bezirksämter bereits im Vorfeld des Camps ablehnend gegenüber, weshalb das Camp am Stadtrand stattfinden musste. Vom Camp ausgehende Aktionen waren aus diesem Grund nur eingeschränkt möglich. Trotzdem wurde auch dieses linke Projekt Opfer staatlicher Repressionen.


Repression während des Camps
Was als rund um die Uhr Zivilpolizei-Betreuung mit Taschenkontrollen begann, fand seinen Höhepunkt gegen Ende der Woche mit dem Eindringen einer Hundertschaft der Bereitschaftspolizei sowie eines größeren LKA Trupps auf das Campgelände. Morgens um halb neun wurden die überraschten Teilnehmenden durch Schläge gegen die Zeltwände und Hundegebell geweckt und lautstark zum Verlassen der Zelte aufgefordert. Personen, die nicht schnell genug reagierten, wurden gewaltsam aus den Zelten gerissen. In den folgenden Stunden durchsuchte die Polizei das gesamte Camp, nahm alle Personalien auf und fotografierte die männlichen Teilnehmenden.Einen Durchsuchungsbefehl bekam die Mehrzahl der Anwesenden - inklusive des verantwortlichen Platzwartes – auch auf mehrmaliges Nachfragen nicht zu Gesicht. Darüber hinaus wurde einem anwesenden Kind die Nahrungsaufnahme verweigert und jegliche Versuche der Kontaktaufnahme zu AnwältInnen unterbunden. Abgesehen von einem Plakat zum Thema Fahrausweiskontrollen im öffentlichen Personennahverkehr, einigen Bekleidungsgegenständen, die angeblich zur Vermummung geeignet seien, und einer Ausgabe der Zeitschrift Radikal, fanden die BeamtInnen nichts, was sich ansatzweise zum Beschlagnahmen geeignet hätte. Die fadenscheinige Begründung für dieses Theater war ein angebliches Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung. Dazu gab es eine Personenbeschreibung, die in etwa den Klischee-Linken beschrieb und dementsprechend zu keinem Ergebnis führen konnte. Mensch sollte annehmen, dass dafür einen Durchsuchungsbefehl zu bekommen die internen Klüngelgeschäfte des Staatsapparates genügend strapaziert hätte. Doch weit gefehlt. Die Polizei hatte es auch noch geschafft sich einen Durchsuchungsbefehl für die Privatwohnung eines Berliner Teilnehmers zu beschaffen, dessen Personalien einige Tage zuvor von Zivilpolizisten aufgenommen worden waren – Begründung hier: Sachbeschädigung. Natürlich verlief auch diese Durchsuchung ohne erkennbare Ergebnisse. Angesichts dieser absurden Begründungen, drängt sich die Vermutung auf, dass es (auch) hier lediglich darum ging, an Personalien und Fotos politisch aktiver Menschen zu gelangen und Erkenntnisse über Vernetzungsstrukturen zu gewinnen. Wahrscheinlich sollten diese Maßnahmen auch zur Einschüchterung der Beteiligten beitragen.


Der Umgang damit
Zumindest Letzteres hat nicht funktioniert. Noch am selben Abend machten ca. 200 Menschen in einer kraftvollen Spontandemo durch Friedrichshain ihrem Unmut über staatliche Repressionen Luft. Weitere kleine Soliaktionen fanden in anderen Städten statt. Doch mindestens genauso wichtig als Reaktion auf die ungerechtfertigten Repressionen war das Verhalten der Teilnehmenden während der Durchsuchung. Nachdem alle halbwegs wach waren, herrschte fast schon ausgelassene Stimmung, zahlreiche ironische Kommentare schienen mehr oder minder eloquente PolizeibeamtInnen zu überfordern und als zu guter letzt eine Gitarre auftauchte und alle gemeinsam „always look on the bright side of life“ anstimmten, schien selbst den Uniformierten die Absurdität der Situation klar zu werden, die sich schon aus der komfortablen fünf zu eins Betreuung (von wegen Servicewüste Deutschland) und der von vornherein offensichtlichen Ergebnislosigkeit der ganzen Aktion ergab. Da hätte es zur allgemeinen Erheiterung gar nicht mehr der Unfähigkeit und Organisationsschwierigkeiten einiger anwesender PolizistInnen bedurft. Für den Anblick von über zehn grüngekleideten Männchen und Frauchen beim Versuchen eine Wanne anzuschieben, die sich als nicht geländegängig genug für die Sanddüne neben dem Campgelände erwiesen hatte, hat sich der Stress allerdings fast schon gelohnt.


Repressionen auf der Abschlussdemo
Am nächsten Tag fand unter dem Motto „das Leben ist kein Ponyhof“ die länger angekündigte Camp-Abschluss-Demo statt. Obwohl als Spass-Demo (mit eigener Gegensitzblockade und Pony-Plakaten) geplant, schien die Berliner Polizei auch hier eine Gelegenheit für Repressionen zu wittern. Bereits vor Beginn führten spontane Auflagen, von denen bei den Kooperationsgesprächen noch keine Rede gewesen war, zu mehreren Anzeigen, ohne dass diese von unserer Seite vermeidbar gewesen wären. Dazu kamen die fast schon Alltag gewordenen Repressalien, die die Berliner Polizei bei so gut wie jeder Demonstration anwendet – ausgiebige Taschenkontrollen, ständiges Abfilmen der Teilnehmenden usw. Während der Demonstration wurde ein Teilnehmer vorübergehend festgenommen wegen angeblicher Beamtenbeleidigung, er soll laut schriftlicher Begründung „Kamera Arschloch“ (!) gerufen haben. Selbstverständlich pausierte die Demo bis der Forderung nach Freilassung nachgekommen wurde und der angebliche Ausruf von allen gemeinsam getätigt werden konnte. Der Rest der Demo verlief ruhig, bis nach Auflösung der Versammlung ein weiterer Teilnehmer aus heiterem Himmel festgenommen wurde. Außerdem wurde der abfahrende Lautsprecherwagen an der nächsten Straßenecke von zwei Wannen eingekesselt. Ohne triftigen Grund wurde prompt mit gezücktem Schlagstock mit dem Einschlagen der Scheiben gedroht wenn der Wagen nicht umgehend geöffnet würde. Es folgte eine erneute Durchsuchung des Lauti und eine Personalienfeststellung der Insassen, die anschließend alle einzeln zu ihrer „Funktion auf der Demo“ befragt wurden. Die beteiligten PolizistInnen weigerten sich währenddessen beharrlich einen Grund für diese 20minütige Farce anzugeben. Allerdings gelang es, die anderen VersammlungsteilnehmerInnen zu informieren, woraufhin sich eine Spontandemo in der Nähe formierte. Der Versuch einer Teilnehmerin die AnmelderInnenfunktion zu übernehmen wurde seitens der Polizei ohne rechtliche Grundlage rüde abgeblockt. Daraufhin kam es zu zwei weiteren Festnahmen wegen „Widerstandes gegen die Staatsgewalt“. Von den drei am Ende der Demo Verhaftungen kamen zwei noch vor Ort wieder frei, eine Person wurde in die Gefangenensammelstelle Tempelhof verschleppt, die er erst mehrere Stunden später verlassen durfte.


Fazit
Alles in allem war die Camp-Woche also geprägt von Repressalien und Polizeiwillkür, die den inhaltlichen Ablauf zum Teil erheblich einschränkten. Erklärbar wird das ganze wohl erst im Zusammenhang mit all den anderen Durchsuchungsmaßnahmen gegen linke Projekte in den Wochen in diesen vor und nach dem Camp Wochen. Offensichtlich soll Stärke demonstriert und ein genaues Bild von linken (Vernetzungs-)Strukturen erstellt werden.Bemerkenswert ist außerdem, wie schlecht die Polizei mit Infragestellungen ihrer Autorität und humorvollem Protest im Allgemeinen umgehen kann. Vielleicht sollte sehr viel öfter in diese Kerbe geschlagen werden – auch weil es für Außenstehende im Falle von Repressionen dann leichter ersichtlich ist, was in diesem Staat passiert mit Menschen, die ihre Meinung äußern.



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