Rechtshilfetips

Vorweg

Die Staats-Gewalt nimmt zu. Hier sind einige praktische Ratschläge bei Vorladungen, Durchsuchungen, Festnahmen und Anwerbeversuchen dokumentiert.
Die Tips ersetzen nicht Rat und Hilfe von AnwältInnen. Sie sollten so früh wie möglich eingeschaltet werden, nicht erst, wenn ein Gerichtsprozess ansteht.In vielen Städten arbeiten außerden Ermittlungsausschüsse oder Gruppen von "Roter oder Bunter Hilfe", sie sind eine gute Möglichkeit für die Herstellung von Öffentlichkeit und Solidarität und sollten auch so genutzt werden.


1. Vorladung als Beschuldigte oder Beschuldigter

Beschuldigt ist, wem eine Straftat vorgeworfen wird. Es gilt vor Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht ein Schweigerecht. In jedem Verfahrensstadium darf anwaltlicher Beistand verlangt werden. Mit diesem ist die Sache zu besprechen, er kann die staatliche Akte anfordern und auswerten und die weitere Strategie mit Dir festlegen. Einer polzeilichen Vorladung muß nie gefolgt werden, bei Ladung zur Staatsanwaltschaft kann diese durch zwangsweise Vorführung erfolgen - alle genannten Rechte bleiben aber natürlich bestehen.

2. Vorladung als Zeugin oder Zeuge

Zeuge ist, wer nicht beschuldigt wird, aber etwas über Personen oder Sachverhalte aussagen soll. Ein gesetzliches Recht zur Aussageverweigerung haben nur Familienangehörige, Verlobte etc, Berufsgruppen wie Berater einer Drogeneinrichtungen, Anwälte oder Pastoren oder wer sich durch wahrheitsgemäße Angaben selbst einer Strafverfolgung aussetzen würde.
Für die anderen gilt: Einer Zeugenvorladung zur Polizei muß nicht Folge geleistet werden, es drohen keine Sanktionen. Ein Erscheinen bei Staatsanwaltschaft und Gericht kann erzwungen werden. Eine Anwältin kann bei diesen Vernehmungen als "Zeugenbeistand" anwesend sein und vorher die Sache genau besprechen. In politischen Verfahren hat sich der Grundsatz bewährt "Anna und Artur haltens Maul". Dies setzt viele Gespräche und Öffentlichkeit voraus, denn Verweigerung der Aussage kann "Beugehaft" (bis sechs Monate) oder "Zwangsgeld" (bis 1000 DM) nach sich ziehen.

3. Durchsuchung von Wohnung, Auto oder Büro

Von Hausdurchsuchungen bist Du generell nur in der Zeit von 21 Uhr bis 4 Uhr morgens verschont. In Eilfällen nicht einmal dann. Ein wirksamer rechtlicher Schutz vor Ort besteht nicht. Die folgende Liste gibt aber Verhaltenshinweise.
- Sofort nach dem schriftlichen richterlichen Durchsuchungsbeschluß fragen, eine Durchschrift darfst Du behalten.
- Fehlt ein solches Schriftstück und berufen sich die Beamten auf "Gefahr im Verzug" (Eilbedürftigkeit), müssen sie den Grund des Eindringens besonders gründlich bekannt geben.
- Mündliche Beschwerde gegen die Durchsuchung einlegen. Beamte nach Namen und Dienstnummer fragen.
- Der Wohnungsinhaber hat das Recht, ständig bei der Durchsuchung anwesend zu sein. In jedem Fall versuchen, Freunde, Nachbarn und Anwälte ranzuholen. Telefonieren darf nicht verboten werden, außerhalb der Bürozeiten gibt es an manchen Orten "Anwalts-Notdienste".
- Ist der Wohnungsinhaber nicht anwesend, haben "Vertreter, erwachsene Angehörige, Hausgenossen oder Nachbarn" das Recht auf Anwesenheit.
- Nur die Staatsanwaltschaft hat das Recht die beschlagnahmten Papiere, Materialien, Disketten etc. durchzusehen. Ist bei einer Durchsuchung kein Staatsanwalt dabei, müssen alle Sachen verpackt und versiegelt werden, wenn man den Polizisten die Durchsicht verbietet. "Überfliegen" dürfen die Beamten aber die Papiere etc.
- Nach Durchsuchungsende hast Du das Recht auf ein vollständiges Durchsuchungsprotokoll mit dem Verzeichnis der beschlagnahmten Gegenstände. Leiste keine Unterschrift auf dem Protokoll.
- Eine Herausgabe von Materialien, auch Computer-Hardware, erfolgt durch die Staatsanwaltschaft, und sollte von einer Anwältin beantragt werden.

4. Festnahme bei Demos, gezielte Verhaftung und "In-Gewahrsam-Nahme"

Das wichtigste ist: Ruhe, keine Panik, keine Angst, sich in dieser extremen Situation nicht kopflos verhalten und Kontakt nach "draußen" verlangen.

Erfolgt die Festnahme bei einer Demonstration oder Aktion mit Menschen drumherum empfielt es sich laut den eigenen Namen zu rufen. Andere werden aufmerksam, können sich das Geschehen einprägen und z.B. einen Ermittlungsausschuß über die Festnahme informieren.
In der Polizeiwache hast Du das Recht mit einem Anwalt, Angehörigen o.ä. zu telefonieren. Abgezähltes Geld und Telefonnummer parat haben. Frage auf jeden Fall nach dem Grund der Festnahme. Du bist jetzt eine Beschuldigte / ein Beschuldigter. Deine Rechte sind also: Schweigerecht, Recht auf anwaltlichen Beistand. Mache keine Aussage, unterschreibe kein Protokoll. Du bist nur verpflichtet Deine "Grundpersonalien" anzugeben: Name, Geburtstag- und Ort, Anschrift,Beruf.
Die Polizei muß Dich am Ende des auf die Verhaftung folgenden Tages (Regel: Nur eine Nacht im Knast) freilassen oder einem Haftrichter vorführen.

Erfolgt eine gezielte Verhaftung gilt das eben gelesene.
Die Polizeibeamten sind in diesem Fall gut auf eine Verhörsituation vorbereitet. Laß Dich weder durch Versprechungen, noch Drohungen "weich" machen. Schweigen ist der beste Schutz.
Alles weitere - auch das Verhalten beim Haftrichter - kann mit der von Dir verlangten Anwältin besprochen werden. Der Haftrichter ist gesetzlich verpflichtet eine Person Deiner Wahl von der möglicherweise angeordneten "Untersuchungshaft" zu benachrichtigen.

Nach Festnahmen will die Polizei fast immer "erkennungsdienstliche Maßnahmen" (Fingerabdrücke, Fotos) durchführen. Du solltest dagegen protestieren und verlangen, daß ein Dein Widerspruch ins Protokoll aufgenommen wird. Wie es nach der Androhung von Zwang weitergeht, mußt Du aus der Situation entscheiden. Ein Antrag auf Vernichtung erlangter ED-Unterlagen sollte per Anwalt später gestellt werden.

Empfehlenswert ist es so schnell wie möglich ein Gedächtnisprotokoll zu schreiben. Bei durch die Polizei verursachten Verletzungen sofort ein ärztliches Attest besorgen.

Bei Demonstrationen arbeit die Polizei seit längerer Zeit mit der Einkesselung und "In-Gewahrsam-Nahme" d.h.Massenfestnahmen für einige Stunden.
Es gilt das schon gelesene. In dieser Situation finden meist keine "Verhöre" statt, weil gar keine Straftat begangen worden sein soll. Der Kontaktanruf nach "draußen" sollte auf jeden Fall gemacht werden.

5. Anwerbeversuche durch Staatsschutzorgane

Sie kommen häufiger. Vom VS oder sonstigen Diensten. Ihre Methoden sind unterschiedlich: Drohungen, finanzielle Versprechungen, aber auch das Angebot als "Vermittler" zwischen "Szene" und Staat zu wirken. Sie wollen Dich als Spitzel gewinnen.
Rede nicht mit ihnen, spiel auch nicht erst mit ihnen. Erteile ihnen eine klare Abfuhr und mach den Versuch öffentlich.

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Wed Apr  2 16:37:33 1997