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70 / 20 Jahre Rote Hilfe

 

 


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Aufklärungs und Öffentlichkeitsarbeit der Roten Hilfe

Dies sind keine Zeitungen, die mit den Mittel der modernsten Technik gesetzt, umgebrochen und gedruckt werden, ihre Artikel werden nicht in hellen Redaktionsstuben auf der Schreibmaschine geschrieben. Sie entstehen unter ständiger Lebensgefahr in Dachkammern und Kellerräumen und werden abgezogen unter der letzten Anspannung der Nerven, unter dem Druck der Bedrohung durch die Schergen der Gestapo.«[1]
Dies Zitat aus dem Tribunal von 1934 verdeutlicht vielleicht am besten, unter welchen Bedingungen Zeitschriften und Flugblätter der Roten Hilfe Deutschland ab 1933 herausgeben werden mußten.
Es war schwierig, in der Illegalität Zeitungen zu produzieren, und die Gefahr dabei entdeckt zu werden, war immer da. Doch galt die Losung »für jedes verbotene Blatt ein dutzend neuer illegaler«.[2]
Am weitesten verbreitet unter den regelmäßig erscheinenden Zeitungen der Roten Hilfe waren die MORP und das Tribunal.
Die Zeitung MORP wurde von der Internationalen Roten Hilfe herausgegeben und erschien in russischer, deutscher und französischer Sprache. Sie erschien bis September 1935. Das Zentralorgan der Roten Hilfe Deutschland war das Tribunal. Das Tribunal erschien unter diesem Namen seit 1929 als Massenzeitung. Nach dem Januar 33 wurde das Tribunal aus der Illegalität mit einer Auflage von 25.000 Exemplaren pro Ausgabe weiter herausgegeben. Schon in den ersten zwei Monaten unter dem Faschismus erschien das Tribunal in vier illegalen Nummern.[3] Das Tribunal wurde jetzt weitaus intensiver gelesen und öfter weitergegeben. »Uns sind Beispiele bekannt, wo ein einziges Exemplar des gedruckten Tribunals Mk 4,50 eingebracht hat, weil von jedem einzigen Leser für das Exemplar, das in einem Frankfurter Betrieb von Werkbank zu Werkbank ging, 10 Pfg gezahlt wurden.«[4] Es hatte die Aufgabe »der Entlarvung des faschistischen Terrors und der Organisierung einer großen Solidaritätsbewegung.« [5] Bis 1936 erschien das Tribunal monatlich und wurde auf Dünndruckpapier mit dem Format 16 x 24 cm gedruckt.
Das Tribunal der RHD war für die Situation der Illegalität recht professionell hergestellt. Diese gute Qualität zeigt, daß die Rote Hilfe auch in der Illegalität weiter über funktionierende Strukturen verfügte. Diese Strukturen überschnitten sich logistisch und personell mit denen der KPD. Die Produktion und der Vertrieb der zentral herausgegebenen Zeitungen und Schriften erfolgten über das angrenzende Ausland, wie die Tschechoslowakei, Dänemark und die Niederlande.
Es gab auch regionale Publikationen, deren Anzahl relativ groß war. Einige erschienen ebenfalls unter dem Namen Tribunal. Diese waren jedoch von schlechterer Qualität als das überregional vertriebene. Das Tribunal aus Berlin beispielsweise war mit der Schreibmaschine geschrieben und auf DIN-A4-Papier vervielfältigt. Die Überschriften und Illustrationen waren handgezeichnet.
Es gibt noch andere erhaltene Beispiele für regionale oder lokale Zeitungen der Roten Hilfe, die über einen längeren Zeitraum erschienen sind, wie beispielsweise Das Rote Fanal, das zwischen 1933 und 1935 im RH-Bezirk Baden-Pfalz erschien. »Die Zeitung wurde vorwiegend in Viernheim bei Mannheim hergestellt. Maria und Willy Mandel, die Organisatoren der RH in Baden-Pfalz, waren sowohl Verfasser der Artikel als auch Schreiber und Drucker der Zeitung. () sie hatten eine Vervielfältigungsstelle eingerichtet.«[6] Das Proletarische Volksgericht erschien im Raum Hessen-Frankfurt zwischen 1933 und 1934 monatlich mit einer Auflage von 800 Exemplaren je Ausgabe.
Insgesamt sind 27 Publikationen der RH bekannt, die in der Illegalität produziert wurden und die mehr als einmal erschienen.7 Allein in Berlin gab es 14 verschiedene Zeitungen, die insgesamt eine Auflage von 50.000 Exemplaren hatten. Für die Verbreitung von Informationen für die lokalen und regionalen Zeitungen gab es einen Pressedienst der RH Zentrale, der die Zeitungen mit den neusten Informationen versorgte.[8]
International erschienen Ende 1933 von den 71 Sektionen der Internationalen Roten Hilfe verschiedene Zeitungen, deren Auflage zu dieser Zeit ca 8.600.000 Exemplare betrug. [9] Desweiteren gab die RH Tarnschriften heraus, die durch ihr kleines Format und ihre unverfänglichen Titel und Aufmachung oft Ratgeberheftchen für den Haushalt glichen. 1934 erschien z. B. Erste Hilfe bei Unglücksfällen mit 32 Seiten und einem Format von 8 x 11,2 cm. Wie wasche ich schnell und sparsam? Dr. Thompsons Seifenpulver ist ebenfalls eine Tarnschrift, die 1935 verbreitet wurde.[10]
Themen, die in Flugblätter der RHD aufgegriffen wurden, waren beispielsweise Aufrufe zur Wahl der KPD, zur Unterstützung der politischen Gefangenen, zur Solidarität mit den Opfern des antifaschistischen Kampfes und zur Organisierung in RH-Gruppen.
Ebenfalls gab es Spendenaufrufe an andere Länder, in denen eine IRH Sektion existierte, wie z. B. ein zweisprachiger Aufruf von 1934 aus Mexiko zeigt.
Ab 1935 ist auffällig, daß oft Flugschriften erscheinen, die neben der RHD auch von der SPD unterzeichnet sind. Diese gemeisamen Appelle sind ein Beleg für die Bündnispolitik, die von der RH ab 1935 ernsthafter betrieben wurde. [11]
Die Zeitungen waren in der Illegalität das wichtigste Bindeglied zwischen Mitgliedern und der Leitung der Roten Hilfe. Durch sie war es erst möglich, den Informationsfluß und den organisatorischen Zusammenhalt aufrecht zu erhalten.
Fußnoten:
  1. Tribunal September 1934
  2. Tribunal September 1934
  3. Mopr, September 1933
  4. Tribunal September 1934
  5. Jürgen Stroech, Die Illegale Presse
  6. ebd.
  7. ebd.
  8. Tribunal September 1934
  9. Johannes Zelt, und nicht vergessen die Solidarität, Seite 49
  10. Heinz Gittig, Illegale Antifaschistische Tarnschriften 33 45
  11. Einheit im Kampf gegen den faschistischen Terror und Schluß mit dem Terror, gemeinsame Flugblätter der RH Berlin-Brandenburg und der SPD

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