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Sun Nov  7 16:09:23 1999
 

Prozeß gegen Gerd Albartus und Enno Schwall

Anfang Januar 1977 legten Mitglieder der Revolutionären Zellen in mehreren Kinos Brandsätze, um die Absetzung des Film Unternehmen Entebbe durchzusetzen.

Kurze Zeit später wurden Gerd Albartus und Enno Schwall verhaftet. Sie wurden beschuldigt, einen mißglückten Brandanschlag auf ein Kino in Aachen verübt zu haben. Beide bestritten die Absicht eines Brandanschlages, sondern bestanden darauf, eine Flugblattaktion und Diskussion zu dem Film geplant zu haben. Als Nachweis für die Richtigkeit des Anklagevorwurfes diente dem Oberlandesgericht Düsseldorf dann u.a. das konspirative Verhalten der Angeklagten, die getrennt ins Kino gingen, getrennt im Kino saßen und es getrennt wieder verließen. Dies deute nicht auf eine Flugblattaktion hin.

Um die beiden nicht nur wegen versuchter Brandstiftung verurteilen zu können, sondern auch wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung die aber aus mindestens drei Personen bestehen muß fehlte die dritte Person.

Da dies der erste Prozeß wegen Mitgliedschaft in den Revolutionären Zellen war, mußte der Nachweis der Existenz der terroristischen Vereinigung auch an drei konkreten, namentlich bekannten Personen geführt werden, anders als in späteren Verfahren, als dies als gerichtsbekannt vorausgesetzt werden konnte.

Die Anklage gegen einen Dritten, ein Freund der beiden, mußte im Laufe des Verfahrens fallengelassen werden.

Erst mit Hilfe der Aussagen von Hermann Feiling konnte das Oberlandesgericht Düsseldorf die beiden Angeklagten zu Haftstrafen von 4 Jahren neun Monaten bzw. sechs Jahren verurteilen.

Diese Angaben, die Hermann Feiling in den Tagen direkt nach dem Unfall und der Operation noch unter Schock und Medikamenteneinfluß machte, bildeten dann die Grundlage für die Verurteilung.

Prozeß gegen Rudolf Raabe

Diese Aussagen von Hermann Feiling sollten auch die Grundlage für ein Verfahren gegen Rudolf Raabe wegen Mitgliedschaft in den Revolutionären Zellen bilden.

1978 entzog Rudolf Raabe sich der staatlichen Verfolgung und ging nach Irland, wo er 1979 auf Betreiben des deutschen Staatsschutzes verhaftet, dann aber wieder freigelassen wurde.

Als in der BRD Haftbefehl wegen Rädelsführerschaft als Mitglied in den RZ erlassen wurde, kehrte er freiwillig in die BRD zurück und stellte sich im Juni 1982 den Strafverfolgungbehörden.

Die Beschuldigungen gegen ihn mußten nach und nach fallengelassen werden, er wurde letztlich wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 1.800, verurteilt, von den restlichen Anklagepunkten freigesprochen.

Prozeß gegen Ingrid Strobl

Am 18.12.1987 fahndete das Bundeskriminalamt in einer breit angelegten Razzia gegen 33 Personen nach Mitgliedern bzw. Unterstützung der Revolutionären Zellen/Roten Zora, in deren Verlauf Ingrid Strobl und Ulla Penselin verhaftet wurden, mehrere GenossInnen mußten in die Illegalität gehen.

Es entstand sofort eine breite Solidaritätsbewegung zur Unterstützung der beiden gefangenen Frauen.

Die Beschäftigung mit den anschlagsrelevanten Themen Gen- und Reproduktionstechnologie, Bevölkerungspolitik und Flüchtlingspolitik die für BKA und die Bundesanwaltschaft Indiz für eine Mitgliedschaft oder Unterstützung der RZ/Rote Zora war und mit als Begründung der Durchsuchungsbeschlüsse herhalten mußte wurde breiter. Der staatliche Versuch, die Beschäftigung mit diesen Themen zu kriminalisieren, schlug ins Gegenteil um.

Ulla Penselin wurde nach 8 Monaten Untersuchungshaft freigelassen, das Verfahren gegen sie eingestellt. Sie hatte nach Kenntnis der Anklageschrift die Beweise gegen sie richtiggestellt.

Im Verlauf des Prozesses gegen Ingrid Strobl stellte sich heraus, daß das BKA im Rahmen der Fahndung nach RZ/Rote Zora-Mitgliedern ein umfangreiches Weckerprogramm in Gang gesetzt hatte. Da der mechanische Wecker der Marke Emes Sonochron von den Revolutionären Zellen als Zündzeitverzögerer bevorzugt wurde, wurden alle Emes-Wecker in der Herstellungsfirma numeriert, deren Verkauf auf wenige Geschäfte beschränkt und den VerkäuferInnen dort die Anweisung erteilt, die vom BKA installierte Videokamera einzuschalten, wenn nach diesem Wecker gefragt wird.

Aufgrund eines solchen Videos eines Kölner Uhrengeschäftes identifizierten BKA-Beamte Ingrid Strobl als Käuferin des Weckers, der bei dem Anschlag der Revolutionären Zellen auf das Lufthansa-Gebäude in Köln als Zündzeitverzögerer benutzt wurde.

Während des Prozesses gab Ingrid Strobl an, daß sie den Wecker für einen Freund X gekauft habe, dessen Namen sie aber nicht nennen werde, da sie ihn nicht dem Repressionsapparat ausliefern wolle, den sie nunmehr zur Genüge kennengelernt habe.

Mit Urteil vom 9.6.89 wurde sie zu fünf Jahren Haft wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Beihilfe zu einem Sprengstoffanschlag verurteilt der Vorwurf der Mitgliedschaft in den RZ war zwischenzeitlich fallengelassen worden.

Anfang Mai 1990 hob der Bundesgerichtshof auf die Revision der Anwälte hin die Verurteilung nach § 129 a StGB (Unterstützung einer terroristischen Vereinigung) auf und verwies ansonsten zur erneuten Verhandlung an das OLG Düsseldorf zurück. Nach 2 1/2 Jahren Untersuchungshaft wurde Ingrid Strobl aus der Haft entlassen, am 22.10.90 wurde in der Revisionsverhandlung das Strafmaß dann auf 3 Jahre festgesetzt, die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt.


aus: Die Fruechte des Zorns
Texte und Materialien zur Geschichte der Revolutionaeren Zellen und der Roten Zora
ID-Archiv im IISG/ Amsterdam (Hg.)
ISBN: 3-89408-023-X
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