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Thu Sep 12 17:58:44 1996
 

Dokumentation --- Zensur von www.xs4all.nl
Text date: 09.09.1996
Author: Solidariteitsgroep Politieke Gevangenen
Quelle/Source: tank@xs4all.nl

Presseerklaerung Solidariteitsgroep Politieke Gevangenen (SPG, Amsterdam)
Die deutsche Bundesanwaltschaft ermittelt gegen die digitale Radikal.

Seit letztem Montag (2. September) laeuft in der BRD ein Verfahren gegen die unbekannten Verbreiter der Zeitung Radikal auf Internet. Diese "Unbekannten" sollen sich schuldig gemacht haben wegen:

Par. 129a Abs. 3 StGB: Werbung fuer eine terroristische Vereinigung
Par. 140 Nr. 2 StGB: Unterstuetzung strafbarer Handlungen
Par. 130 Abs. 1 StGB: Aufrufen zu strafbaren Handlungen.

Die digitalen Versionen der Radikal stehen auf Computern in den Niederlanden und den Vereinigten Staaten. Neben den richterlichen Ermittlungen hat die deutsche Bundesanwaltschaft den Internet Providers in der BRD aufgetragen, den Zugang zur digitalen Radikal zu blockieren. Einzelne Providers und Vereinigungen von Providers sind diesem Aufruf nachgekommen. Konkret bedeutet das, das alle Web-Seiten von Benutzern von xs4all in den Niederlanden und von DataRealm in den Vereinigten Staaten unzugaenglich gemacht worden sind fuer die betroffenen deutschen Internet Benutzer. Als Reaktion auf diesen Versuch das Internet zu zensieren sind auf verschiedenen Computern auf der ganzen Welt sogenannte Mirrors (identische Kopien) von der digitalen Radikal gemacht worden.

Im Dezember 1995 haben wir, die Solidariteitsgroep Politieke Gevangenen (SPG, Amsterdam) die vollstaendige Ausgabe der Zeitschrift Radikal auf unsere homepage auf dem World Wide Web gesetzt. Zur Zeit ist der groesste Teil der Nummer 153 und die vollstaendige Nummer 154 ueber das World Wide Web einsehbar. Wir haben diese Aktion beschlossen, nachdem von den BRD-Autoritaeten zum wiederholsten Male probiert wurde, der Radikal den Mund zu verbieten. Die Radikal ist eine Zeitschrift von und fuer die radikale linke Bewegung in der BRD. Sie entstand Mitte der 70er Jahre als Kommunikationsmedium verschiedener linker Gruppen. Nach vielen Hausdurchsuchungen, Festnahmen und langjaehrigen Gefaengnisstrafen wurde es fuer die Redaktion deutlich, das sie auf dieser Basis nicht viel laenger weitermachen koennten. So wurde beschlossen, das Blatt ausserhalb des Gesichtsfelds der deutschen Autoritaeten weiterzumachen. Nachdem es dann kurzzeitig ruhiger war (keine Hausdurchsuchungen usw.), weil die deutsche Bundesanwaltschaft keine Redaktion mehr lokalisieren konnte, begann die Hetze auf ein neues. Diesmal war nicht die Redaktion das Ziel, sondern diejenigen, die die Radikal verkauften, die Buchhaendler/innen und Infolaeden. Im Laufe der Jahre fanden hunderte Hausdurchsuchungen statt, es gab zig Festnahmen und viele Menschen haben Monate und Jahre wegen der Unterstuetzung einer terroristischen Vereinigung im Knast gesessen (auch wegen der Verbreitung der Radikal). Um Erfahrungen reicher wurde daraufhin auch die Verbreitung der Radikal anders geregelt, der Verkauf lief nicht mehr ueber die Buchhaendler/innen, sondern klandestin.

Letztes Jahr Mitte Juni war es dann wieder soweit. In verschiedenen Orten in Deutschland stuermten Spezialeinheiten der Polizei mit schon gezogenen Pistolen in Haeuser und linke Zentren. Vier Menschen wurden festgenommen wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (Verdacht der Herstellung und Verbreitung der Radikal). Vier andere, die zur Zeit der Hausdurchsuchungen nicht gefunden wurden, tauchten unter und eine unendlich lange Liste von Sachen wurde beschlagnahmt. Was auffiel war, das speziell nach digitaler Information gesucht wurde. Mehr als tausend Floppies und diverse Computer wurden fuer die weiteren Ermittlungen beschlagnahmt. Ein halbes Jahr haben die damals festgenommen Menschen in Untersuchungshaft gesessen, bis sie mit einem ganzem Paket an Auflagen und einer enorm hohen Kaution (20.000 DM pro Person) vorlaeufig freigelassen wurden.

Genau ein Jahr nach den Hausdurchsuchungen vom 13. Juni haben sich drei der vier Untergetauchten (Uli, Jutta und Frank) der Justiz gestellt. Unterstuetzt von etwa 250 Sympathisanten meldeten sie sich nach einer Pressekonferenz bei einem deutschen Gericht. Bei dem Gericht werden die drei in Untersuchungshaft genommen, woraufhin ihr Anwalt direkt den Versuch unternimmt, sie freizubekommen, indem er angibt, das eine Fluchtgefahr nun nicht mehr besteht aufgrund der Tatsache, das nach mehr als einem Jahr von einer Gefahr der Vernichtung von Beweismaterial keine Rede mehr sein kann.

Dieser Versuch gelingt nur zum Teil, am 15. Juni kommen Uli und Jutta vorlaeufig frei. Wieder mit einem ganzen Stapel von Auflagen. Sie muessen ihre Personalien abgeben, sich drei mal die Woche bei der Polizei melden, sie bekommen ein voelliges Kontaktverbot mit Menschen, gegen die auch ein Verfahren laeuft im Zusammenhang mit der Radikal und muessen alle eine Kaution von 20.000 DM bezahlen. Frank wird unter schweren Isolationshaftbedingungen festgehalten. Gegen ihn behauptet die Bundesanwaltschaft Beweise zu haben, das er waehrend seines Untertauchens mitgearbeitet hat bei dem Erscheinen der Radikal Nr. 153 & 154. Bis heute haben seine Anwaelte keine Akteneinsicht bekommen.

Neue Schritte gegen die Radikal wurden am 17. Juli diesen Jahres unternommen als es in verschiedenen Staedten Deutschlands wieder zu Hausdruchsuchungen kam. Diesmal waren sie gegen Personen gerichtet, von denen vermutet wird, das sie ein Abonnement bei der Radikal haben. Durch die Bezahlung der Nummern sollen sie eine terroristische Vereinigung unterstuetzt haben, ausserdem werden diese Menschen verdaechtigt, ihr Exemplar dritten gezeigt zu haben (Werbung fuer eine terroristische Vereinigung). Fuer uns war das zu der Zeit noch mehr Grund, um die letzte Nummer (154) der Radikal (wiederum) insgesamt auf das Internet zu setzen.

Ungeachtet der Tatsache, dass wir (SPG) schon frueher erklaert haben, die Radikal aufs Internet gesetzt zu haben, laufen nun die Ermittlungen gegen Unbekannt. Dieses war schon oefters der Fall. Bei Ermittlungen mit Namen kann die Bundesanwaltschaft nur gegen eine begrenzte Anzahl von Menschen z.B. Abhoergenehmigungen bekommen, wohingegen Ermittlungen gegen Unbekannt auf diesem Gebiet viel mehr Moeglichkeiten bieten. Es wuerde uns so auch nicht verblueffen, wenn demnaechst wegen dem Verfahren gegen uns in Deutschland wieder eine Menge Tueren eingetreten werden.

Die Bundesanwaltschaft scheint sich zur Zeit ihrer Sache sehr sicher zu sein und behauptet aus den beschlagnahmten Sachen eine Menge Information ueber die Radikal, ihre Hersteller/innen und ihre Strukturen herausgefiltert zu haben. Es ist aber noch nicht deutlich, ob sie auch so zufrieden sein werden ueber das Vernichten der digitalen Radikal. Zensur auf dem Internet produziert naemlich Bestseller. Was das Internet betrifft, kann dass auch als eine sehr wichtige Sache angesehen werden. Dass erste Mal versucht eine Regierung in Europa (linke politische) Informationen vom weltweiten Netz zu holen. (Bis jetzt wurden nur Aktivitaeten gegen Pornos auf dem Internet unternommen.) Wenn es der deutschen Justiz gelingt mit ihrer Zensur direkt einzugreifen, dann wird die Radikal die erste sein aber bestimmt nicht die letzte. Gluecklicherweise sind viele Menschen beschaeftigt mit diesem Thema und auch wenn sie uns nicht alle ideologisch unterstuetzen so erklaeren sich doch viele solidarisch mit dem Kampf fuer den Erhalt der Radikal auf dem Internet und setzen Kopien des Blatts auf ihre eigenen Netzseiten. Zur Zeit ist die Radikal schon auf mehr als 20 weiteren Adressen weltweit einsehbar. Wenn der deutsche Staat die digitale Radikal unlesbar machen will, dann muesste er all diese Providers ausschliessen und sich letztendlich damit selbst zensieren.

Lest die Radikal jetzt auf:

  1. http://burn.ucsd.edu/%7Eats/RADIKAL/
  2. http://www.jca.or.jp/~taratta/mirror/radikal/
  3. http://www.serve.com/~spg/
  4. http://huizen.dds.nl/~radikal
  5. http://www.canucksoup.net/radikal/index.html
  6. http://www.ecn.org/radikal
  7. http://www.well.com/~declan/mirrors/
  8. http://www.connix.com/~harry/radikal/index.htm
  9. http://www.ganesa.com/radikal/
  10. http://www.denhaag.org/~radikal
  11. http://www.knooppunt.be/~daniel/radikal
  12. http://emma.unm.edu/radikal
  13. http://www.tacacs.com/radikal/"
  14. http://www.dsvenlo.nl/vvd/radikal/
  15. http://www.why.net/home/static/radi
  16. http://users.abcs.com/dockmstr/mirror/radikal/index.htm
  17. http://www.xs4all.nl/~jeroenw/radikal/
  18. http://home.ipr.nl/~radikal/
  19. http://www.dreamy.demon.co.uk/occam/
  20. http://www.ibmpcug.co.uk/~irdial/live_free/
  21. http://zero.tolerance.org/radi/index.htm
  22. http://www.meaning.com/library/radikal/
  23. http://www.xs4all.nl/~irmed/radikal/
  24. http://www.walli.uwasa.fi/~tviemero/radikal
Aber natuerlich auch noch immer auf:

http://www.xs4all.nl/~tank/radikal/

Von hier aus wuenschen wir Frank im Knast viel Staerke. De strijd gaat door!!

Schreibt Frank, der jetzt in der JVA Ossendorf in Koeln sitzt ueber:
Frank Grossinsky
c/o Ermittlungsrichter
Herrenstr. 45a
76125 Karlsruhe

9.9.1996
Solidariteitsgroep Politieke Gevangenen (SPG, Amsterdam)
Postbus 3762
1001 AN Amsterdam, Niederlande

email
url http://www.xs4all.nl/~tank