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Thu Jul 27 03:07:36 1995
 

Absender : uucp@fiff.GUN.de
Betreff : aktualisierte FIFF-PE zur Fernmelde-Ueberwachungs-V.
Datum : Fr 19.05.95, 23:00 (erhalten:22.05.95)

Zur Fernmeldeanlagen-Ueberwachungs-Verordnung und zu ihrer Entstehung erklaeren die Vorstandsmitglieder des Forums InformatikerInnen fuer Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e.V., Franz Werner Hülsmann und Ingo Ruhmann: Bundesrepublik auf gefaehrlichem Weg: Grundrecht per Verordnung eingeschraenkt Am 4.5.95 hat das Bundeskabinett die Fernmeldeanlage- Ueberwachungs-Verordnung (FUeV) verabschiedet. Dies wurde damit begruendet, die nicht abhoerbaren digitalen Mobiltelefonnetze endlich einer Ueberwachung zugaenglich zu machen. Das ist nur ein Teil der Wahrheit. Die FUeV gilt fuer weit mehr als die Mobiltelefonnetze, sie bringt beim Abhoeren eine voellig neue Qualitaet. Sie ist damit eine qualitative Verschaerfung der Telefonueberwachung. Bei Telefonueberwachungen gehoert die Bundesrepublik schon jetzt weltweit zur Spitzengruppe in Staaten mit demokratischer Staatsverfassung. In den letzten Jahren gab es hierzulande im Schnitt - in absoluten Zahlen - doppelt so viele Ueberwachungsmassnahmen als etwa in den USA. Damit wurde hier - relativ pro Kopf der Bevoelkerung - zehnmal haeufiger abgehoert als dort. Die digitalen Mobiltelefonnetze - deren Funkstrecke zum Schutz gegen Mithoeren durch Scanner abhoersicher konstruiert ist - waren den Sicherheitsbehoerden dabei ein Hindernis. Mit Hinweis auf die Organisierte Kriminalitaet wurde eine Abhoermoeglichkeit gefordert und seit einiger Zeit als Prototyp genutzt. Mit der FUeV soll nun eine - wie die Bundesregierung sagt - "flaechendeckende" Ueberwachung gewaehrleistet werden. Kritikwuerdig an der FUeV erscheint dem FIfF ihr Umfang, die qualitative Veraenderung und die Art und Weise der Regelungsgebung. 1. Die FUeV regelt mehr als nur Mobilfunknetze Die FUeV regelt gemaess Par.10b Fernmeldeanlagengesetz (FAG) das Abhoeren in jeder Art von Fernmeldeanlage. Neben den Mobiltelefonnetzen sind dies nach der FUeV zunaechst das ISDN- Netz der Telekom, aber auch das bestehende analoge Netz bei einigen Einschraenkungen in der technischen Umsetzung. Zusaetzlich sind alle Betreiber von Computer-Mailboxen und anderen Fernmeldeanlagen betroffen, die unter das FAG fallen. Ohne ein technisches Abhoer-Konzept des Anlagenbetreibers, das dem Bundesamt fuer Post und Telekommunikation vorzulegen und von ihm gutzuheissen ist, ist keine Fernmeldeanlage mehr genehmigungsfaehig. Mit der FUeV wird so der gesamte elektronische Kommunikationsverkehr abgedeckt und seine Kontrolle geregelt. 2. Die FUeV regelt mehr als nur Abhoeren In der FUeV wird nicht nur geregelt, wer ein Abhoeren ermoeglichen muss, sondern, auch welche Daten und Zu- satzinformationen zu uebermitteln sind. Zusaetzlichen Daten sind die Nummern aller eingehenden und abgehenden Verbindungen und samt missglueckter Versuche, die genutzten Dienste - wichtig fuer Mailboxen u.ae. -, die genaue Funkzelle bei Mobilfunknetzen und die engeren Verbindungsdaten. Damit sind in Mobilfunknetzen Bewegungsbilder moeglich, in Mailboxen die Auswertung der gelesenen Daten, in Kommunikationsnetzen genaue Kommunikationsprofile. Die Speicherung aller Verbindungsdaten erweitert den Kreis der erfassten Personen ueberdies in unverhaeltnismaessiger Weise. Zum Vergleich: In den USA darf gegenwaertig nur das aufgezeichnet werden, was fuer den jeweiligen Fall relevant ist - alles andere, auch zu anderen Faellen, nicht. Die Bundesrepublik verfuegt mit der FUeV ueber ein Instrument fuer die umfassende Inhaltskontrolle elektronischer Kommunikation. 3. Die FUeV gibt Abhoeren eine neue Qualitaet In der FUeV wird festgelegt, dass den Sicherheitsbehoerden - Bedarfstraeger genannt - besondere Leistungen zur Verfuegung gestellt werden. Fuer den abgehoerten Fernmeldeverkehr muessen die Betreiber eine genau definierte Daten-Schnittstelle zur Verfuegung stellen. Die abgehoerten Daten gehen vom Betreiber damit direkt an die jeweilige Sicherheitsbehoerde. Moeglich ist eine Festleitung, aber auch eine ISDN-Waehlleitung. Bei jedem Verkehr auf dem abgehoerten Anschluss wird parallel und auto- matisch eine Leitung zum "Bedarfstraeger" aufgebaut. Damit es nicht zu Problemen kommt, werden grosszuegige Forderungen an Kapazitaet und Leistung gestellt: Mehrere Behoerden sollen problemlos parallel abhoeren koennen, die Technik so gestaltet werden, dass ein Abhoeren nicht mehr messbar ist. Die Fernmeldeanlagen der Betreiber werden so mit den Abhoeranlagen der Dienste verkoppelt. Die Abschottung der Fernmeldeanlagen von den Diensten wird nur noch Software- technisch gewaehrleistet. Der rechtliche Schutz gegen Abhoeren schrumpft auf die Vereinbarung ueber technische Schnittstellen und Standards. Bei der FUeV wurden die Beduerfnisse der Sicherheitsbehoerden in umfangreicher Weise beruecksichtigt. Die Kapazitaetsvorschriften zeigen, dass an eine Verringerung von Abhoermassnahmen nie gedacht wurde. Stattdessen wird mit der FUeV die Ausweitung des Abhoerens programmatisch festgeschrieben. Die Schnittstellen lassen Abhoeren so flexibel und umfangreich wie nie gestalten. Abhoeren ist nicht mehr ortsgebunden, sondern kann ueberall dort stattfinden, wohin ein Betreiber die Daten uebermitteln soll. Dafuer sind ausgekluegelte technische Verfahren vorgesehen, die umfangreich bei den Betreibern fuer die "Bedarfstraeger" protokolliert werden, um einen Missbrauch zu vermeiden. Die im G10-Gesetz vorgesehene nachtraegliche Information der Betroffenen wurde dabei mit keinem Wort erwaehnt. Die Achtung der Rechte der Buergerinnen und Buerger fand ueberhaupt nur in dem eingeschraenkten Masse statt, wie es nicht zu offensichtlich uebermaessigen Abhoermoeglichkeiten kommen sollte. Ein Uebermass an Abhoerdaten koennen schliesslich auch die Sicherheitsbehoerden nicht bewaeltigen. 4. Verordnungen zur Einschraenkung von Grundrechten sind ein gefaehrlicher Weg Die FUeV regelt umfassend die Einschraenkung des grundgesetzlichen Schutzes des Fernmeldegeheimnisses auf qualitativ neuer Basis. Dies als Verordnung durchzusetzen, widerspricht demokratischem Rechtsverstaendnis. Der Bundestag wurde und wird zur FUeV nicht gehoert, die Exekutive regelt die Grundsrechtseinschraenkung in eigener Verantwortung. Damit hat die Form der Beschneidung von Grundrechten in der Bundesrepublik eine neue Qualitaet erreicht, die das FIfF fuer nicht hinnehmbar haelt. In den USA wurde bei der Neuregelung zur Anpassung an die Digitaltechnik wenigstens der Gesetzgebungsweg beschritten. Auch dort wurde die Abhoerfaehigkeit technisch ausgeweitet, dort wird nun auch die Nutzung von Material angestrebt, das nicht einzelfallbezogen abgehoert wurde. In den USA ist jedoch die staerkere Kontrolle der Ueberwachungsmassnahme und eine Erfolgskontrolle durch den ermittelnden Richter geregelt. Die Bundesrepublik ist im internationalen Vergleich zwar technisch konkurrenzfaehig, nicht jedoch bei der Achtung der verfassungsmaessigen BuergerInnenrechte. Die FUeV vermittelt den Eindruck, hier seien die Wuensche der Sicherheitsbehoerden eilig in eine Form gegossen worden. Das FAG, auf dem die FUeV aufbaut, tritt mit Ablauf des 31.12.1997 ausser Kraft. Die FUeV ist dann ohne Gesetzesgrundlage. Das FIfF fordert daher, dass die FUeV neu gefasst und dabei auf das absolut notwendige Mass beim Abhoeren beschraenkt wird. Aktueller Nachtrag der elektronischen Version: In einer aktuellen Stunde im Bundestag erklaerte Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger am 17.5, die Bundesregierung bereite die Erweiterung der Abhoer-Regelungen in folgenden Bereichen vor: - Schaffung einer Betreiber-unabhaengigen Telefonnummern- Datenbank fuer die Zwecke der Sicherheitsbehoerden, - Internationale Abkommen fuer Abhoer-Regelungen mit den Staaten, die auf dem Gebiet der Bundesrepublik nutzbare Telefondienste anbieten, - Regelungen fuer technische Neuerungen wie Mobiltelefonieren per Debit-Karten und - Erweiterung des Geltungsbereichs der FUeV auf nicht- oeffentliche Fernmeldeanlagen. Das bedeutet eine zentrale Adresskartei der TelefonkundInnen, die Ausweitung des deutschen Rechts auf das europaeische Ausland und die Einbeziehung so gut wie jeder Form von vernetzter Elektronik - also selbst Firmen-interne Computernetze - in die Abhoer-Regelungen. Sollte dies der Beginn einer an Buergerrechten orientierten Informationsgesellschaft sein, so kann er nur als gruendlich misslungen bezeichnet werden! telefonische Rueckfragen an: Franz Werner Hülsmann: 0471/92461-24 Ingo Ruhmann: 0228/16-81547 und: FIFF-Buero E-mail: fiff@fiff.gun.de FFFF I FFFF FFFF Tel.:xx49-228-219548 Fax: -214924 F I F F Forum InformatikerInnen fuer Frieden und FFFF I FFFF FFFF gesellschaftliche Verantwortung (FIFF) e.V. F I F F Reuterstr. 44, D-53113 Bonn F I F F computer professionals for peace and social responsibility