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junge Welt, Dienstag, 24. Dezember 1996, Nr. 300, Seite 2, ansichten

Wie lange bleibt die Residenz noch besetzt?

Auch fast eine Woche nach der Besetzung der japanischen Residenz in Lima durch ein Kommando der MRTA zeichnet sich noch kein Ende der Besetzung ab. - Isaac Velazco ist der Europavertreter der MRTA. jW sprach mit ihm

F: Über 200 Geiseln sind freigelassen worden. Ist ein Ende der Botschaftsbesetzung absehbar?

Nein. Die Freilassungsaktion war ein Akt der Humanitaet des Kommandos gegenueber nicht beteiligten Kriegsgefangenen vor Weihnachten. Die verbliebenen Kriegsgefangenen sind Menschen, die in die staatsterroristische Politik des Fujimori-Regimes verstrickt waren. Darunter sind zum Beispiel Mitglieder der nationalen Polizei, Richter, die ohne jegliche gesetzliche Grundlage Terrorurteile gefaellt haben. Diese verurteilten Menschen sind jetzt in den Haenden Fujimoris.

F: Wie ist die Botschaftsbesetzung politisch zu bewerten?

Ein Ziel der Aktion war es, die Tatsache der Menschenrechtsverletzungen in Peru international bekanntzumachen. Wir haben seit Jahren an internationale Organisationen, Menschenrechtsvereine, Parteien appelliert. Doch es gab keine Resonanz. Jetzt redet die Welt zumindest vom peruanischen Staatsterrorismus, der Folter und dem spurlosen Verschwinden Oppositioneller. Das ist der erste Erfolg der Aktion.

F: Ist es wahr, dass das MRTA-Kommando Fujimori bei Erfuellung der Forderungen die Aufgabe des bewaffneten Kampfes der MRTA angeboten habe?

Dies kann ich nicht bestaetigen. Von der Leitung der MRTA kommt eine solche Information nicht. Vielmehr gibt es den Begriff Aufgeben fuer Tupac Amaru nicht. Fujimori erklaerte in einem Kommunique, dass mit einer Bewegung, die terroristische Politik macht, keine Friedensverhandlungen moeglich seien. Wir sagen: Mit einer Regierung, die eine staatsterroristische Politik betreibt und die Bodenschaetze des Landes den multinationalen Konzernen ausliefert, kann es keinen Frieden geben.

F: Dennoch besteht permanent die Gefahr, dass die Botschaft - womoeglich mit Unterstuetzung US-amerikanischer Eingreiftruppen - gestuermt wird.

Das Kommando der MRTA ist auf alle Situationen vorbereitet, auch auf diese. Sie wird, wenn es die Situation erfordert, auch das Leben der Geiseln nicht schonen. Denn die Botschaftsbesetzung ist kein Szenario. Hier handelt es sich um harte Realitaet. Es ist eine kriegerische Situation, da kann es auch zu Toten kommen. Im Uebrigen stehen Kommandos der MRTA bereit, nach einer militaerischen Loesung der Botschaftsbesetzung durch die peruanische Regierung in ganz Peru Angriffe gegen oekonomische und politische Ziele durchzufuehren.

F: Unter welchen Bedingungen leben die politischen MRTA- Gefangenen?

Es ist hier bisher kaum bekanntgeworden, dass 300 politische Gefangene der MRTA in den verschiedensten Gefaengnissen Perus in den unbefristeten Hungerstreik getreten sind: Sie verweigern auch fluessige Vitaminnahrung. Deren Situation ist tatsaechlich sehr ernst und verlangt internationale Aufmerksamkeit.

F: Neben der Freilassung der 300 politischen Gefangenen und dem Ende der neoliberalen Politik verlangt das Kommando noch eine Kriegssteuer. Weswegen?

Seit 500 Jahren werden die Menschen in Peru durch Kolonialisten und Neokolonialismus ausgebeutet, waehrend eine kleine Schicht von Reichen in Wohlstand lebt. Mit der Kriegssteuer soll ein Teil der Profite aus der Umverteilung wieder der Bevoelkerung zugute kommen, an Volksorganisationen gegeben werden. Ein kleinerer Teil soll fuer den Kampf der MRTA verwendet werden.