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Mon Jun 11 11:36:38 2001
 

Inhaltsverzeichnis Inhalt Das Jahr, in dem wir nirgendwo Aufwärts

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Die Ankunft Kabilas


Che schreibt einen Brief an Rivalta, in dem er diesen anweist, die tansanische Regierung ...


CHE: ... von meiner Anwesenheit hier zu unterrichten und sich für die Methode zu entschuldigen, [die auf] meine eigene Entscheidung hin und nicht diejenige Kubas gewählt worden ist. Der Überbringer sollte sich darüber mit Kabila verständigen. Dieser lehnte rundweg ab.

In diesem Brief analysierte Che die Widersprüche zwischen Kongolesen und Ruandern, die paradox waren, denn auf der einen Seite wurden die Ruander militärisch höher eingeschätzt und auf der anderen für die Niederlage verantwortlich gemacht. Er empfahl die Vereinheitlichung der Führungsstruktur an der Front, riet dazu, einen Kubaner miteinzubeziehen, und beharrte schließlich auf seiner eigenen Präsenz an der Front.

CHE: Mein Gemütszustand war in jenen Tagen reichlich pessimistisch, aber ich stieg mit einer gewissen Freude am 7. Juli zum See hinab, nachdem mir berichtet worden war, daß Kabila eingetroffen sei. Endlich befand sich der Revolutionsführer im Operationsgebiet.

KUMI: Kabila kam mit Gefolge, natürlich gehörten ein paar Mulattinnen aus Guinea dazu. Seine Arroganz schockierte mich. Er sprach sehr gut Französisch.

Kabila erwies sich als ...

CHE: ... herzlich, aber ausweichend.

In Begleitung Kabilas waren auch Masengo, der Chef des Generalstabs und Nbajira, der Außenminister, eingetroffen. Gleich zu Beginn lehnte Kabila Ches Gesuch ab, die Regierung von Tansania von seiner Anwesenheit zu informieren.

CHE: Ich wiederholte ihm meine alte Leier: ich wollte an die Front. Meine wichtigste Mission, bei der ich nützlich sein konnte, bestand in der Ausbildung von Kadern, und diese vollzieht sich im Kampf an der Front und nicht in der Nachhut.

Kabila reagierte sehr reserviert auf Ches Vorschlag. Der Argentino-Kubaner sei ein Führer der Weltrevolution, der keine Risiken auf sich nehmen dürfe usw. Er schlug im Gegenzug eine Rundreise zu den verschiedenen Fronten vor, die in Kabimba beginnen sollte. Noch in der selben Nacht könne man aufbrechen. Am Ende wurde selbst dies auf später verschoben. Und verzögerte sich weiterhin. Aly wurde beauftragt, mit zehn weiteren Männern einen Hinterhalt zu legen, und Leutnant Kiswa auf Erkundung nach Uvira geschickt. In diesen Tagen wurde in der Basis eine Versammlung durchgeführt.

CHE: Es war wirklich interessant. Kabila demonstrierte, wie gut er die Mentalität seiner Leute kannte; gewandt und unterhaltsam erklärte er auf Kisuaheli, was sich alles auf der Versammlung in Kairo zugetragen hatte und zu welchen Übereinkünften er gelangt sei. Er ließ die Bauern zu Wort kommen und gab schnelle, kurze Antworten, die die Leute zufriedenstellten. Alles endete mit einem kleinen Reigen, der von den Teilnehmern selbst getanzt wurde und dessen gesungener Kehrreim lautete: »Kabila va, Kabila eh«.

Er war ständig in Aktion, schien die verlorene Zeit zurückzugewinnen. Er forderte dazu auf, die Verteidigung der Basis zu organisieren, und schien allen Mut einzuflößen, wodurch sich die äußere Erscheinung dieses derartig vom Mangel an Disziplin gebeutelten Ortes schlagartig änderte. Eilig wurden sechzig Mann versammelt, diesen wurden drei kubanische Ausbilder zugeteilt, und man begann mit Übungen im Ausheben von Schützengräben und mit Schießunterricht.


Um den 11. Juli.

CHE: Fünf Tage nach seiner Ankunft ließ Kabila mich rufen, um mir zu sagen, daß er diese Nacht in Richtung Kigoma abreisen müsse. Weiterhin erklärte er mir, daß Soumaliot dort sei und äußerte harte Kritik an dessen Organisationsfehlern, Demagogie und Mangel an Festigkeit. Er beschuldigte ihn, Leute aus dem Gefängnis freigelassen zu haben, die von der tansanischen Regierung auf seine Anweisung verhaftet worden waren, Leute von Gbenye oder offen feindlich Gesonnene. Er sagte, daß er die Rolle Soumaliots klären müsse, den man zum Präsidenten gemacht habe, damit er Beziehungen anknüpfte, nicht um den Kampf zu organisieren, worin er eine Katastrophe sei. Während des Gesprächs entfährt ihm, daß Soumaliot tatsächlich in Daressalam war.

Che zweifelt und äußert dies gegenüber Kabila, indem er ihn fragt, wohin er reist, an die tansanische Grenze oder nach Dar. Kabila sagt, daß er am nächsten Tag wieder da sei, daß er sofort zurückkehren würde.

KUMI: Weder der Che noch wir wurden informiert, als er aufbrach.

CHE: Als die Nachricht von Kabilas Abreise die Runde machte, fielen Kongolesen und Kubaner aufs neue in Niedergeschlagenheit. Kumi, der Arzt, zog eine Notiz hervor, in der er prophezeit hatte, daß Kabila nur sieben Tage im Kongo bleiben würde, und sich nur um zwei verschätzt hatte; Changa, unser tapferer »Admiral« auf dem See, fragte vor Wut schäumend: »Und wofür hat dieser Mensch so viele Flaschen Whisky mitgenommen, wenn er nur fünf Tage bleiben wollte?« (...) Kabila fiel in Mißkredit, es war unmöglich, diese Situation zu meistern, wenn er nicht sofort zurückkehrte. Wir hatten ein letztes Gespräch, in dem ich ihm dieses Problem mit aller Eleganz darlegte, zu der ich fähig war; wir sprachen auch über einige andere Dinge, und er fragte mich, indirekt, wie es seine Art war, welches meine Position sein würde, falls es zu einem Bruch kommen sollte. Ich erklärte ihm, daß ich nicht in den Kongo gekommen sei, um mich in Fragen der Innenpolitik einzumischen, weil dies nur schädlich sein könnte, sondern daß ich von der Regierung in diese Gegend geschickt worden sei und daß wir uns in allen Dingen loyal zu dieser und zum Kongo verhalten würden (...). Am nächsten Tag geriet der Rhythmus in der Basis, der sich mit seiner Präsenz und Dynamik einzupendeln begonnen hatte, wieder aus dem Takt. Die Soldaten, die für die Schützengräben zuständig waren, erklärten, daß sie heute nicht arbeiten würden, da der Chef abgereist sei.

KUMI: Gleichzeitig mit dem Besuch Kabilas wurden Patrouillenboote und Flugzeuge gesichtet.

VIDEAUX: Und an diesem Tag kommt die Luftwaffe, die üblicherweise das gesamte Seeufer überflog und nur gelegentlich feuerte. Der Befehl war ausgegeben worden, sie nicht zu beschießen, um unsere Position nicht zu verraten. Die Anweisung lautete, nicht zu schießen, solange sie nicht angriffen. An diesem Tag waren wir seit dem Morgen von niedrig fliegenden Maschinen belagert worden. Bei einer dieser Schleifen sagt Terry: »Jetzt werden wir sie runterholen.« Ich sagte zu ihm: »Schießen wir.« Und als eins eine Schleife über den See flog, eröffneten wir das Feuer mit der FAL, Genge, der weiter unten mit einem Maschinengewehr in Stellung lag, begann ebenfalls zu feuern, und später erwiderten sie das Feuer, und Kubaner wie Kongolesen feuerten zurück, unter anderem auch mit einer Kanone, die gerade in Stellung gebracht worden war. Als die Flugzeuge im Tiefflug das ganze Geschützfeuer unten sahen, stiegen sie auf und flogen davon.

Jemand sagte: »Ich hab einen getroffen«, und ein anderer: »Nein, ich hab ihn getroffen.« Aber in Wahrheit hatte niemand getroffen. Wenig später kommt Tatu wutentbrannt und will wissen, wer geschossen hat. »Wer hat den Schießbefehl gegeben?« Er kam unten bei den ersten Kubanern an und fragte. Aber niemand konnte es ihm sagen. Und tatsächlich wußte es niemand, denn Terry hatte gesagt: »Jetzt werden wir sie beschießen«, und dann haben er und ich geschossen, bis ein allgemeiner Schußwechsel entstanden war. Als er bei uns angekommen war, fragte er nach.

Terry war mutig und sagte:

Tatu sagte, daß er einfach nicht glauben könne, daß wir es gewesen wären, daß man so etwas nicht machen dürfe.



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