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Mon Jun 11 11:35:52 2001
 

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»Ich bin doch kein Lastwagen«


CHE: Tage der angespannten Erwartung, in denen das Stückchen Wasser, das im Winkel der beiden zum See hin abfallenden Dünen zu erkennen war, den einzigen und allmählich verhaßten Horizont bildete.


KAHAMA: Eine Menge Compañeros sind krank geworden, unter ihnen Tom und Kukula. Von den letzten Gruppen, die eintrafen, sind sieben Personen an Malaria erkrankt.

Die kongolesischen Kämpfer zwangen die Landbevölkerung, ihnen Essen und Kriegsgerät zu bringen.

CHE: [Ein gewaltiger] Müßiggang hatte um sich gegriffen, niemand wollte zur Basis hinuntersteigen, um Essen zu besorgen. Wenn man den Leuten etwas zu tragen gab, sagten sie »Mimi apana motocari« (Ich bin doch kein Lastwagen) oder »Mimi apana cuban« (Ich bin doch kein Kubaner).

Mitoudidi, möglicherweise durch entsprechende Anweisungen Kabilas gebremst, erwartete dessen Ankunft, bevor er den Marschbefehl erteilte.

CHE: Jeden Tag mußten wir die gleiche Morgenandacht über uns ergehen lassen: Kabila kommt heute nicht, aber morgen bestimmt, oder übermorgen ...

Che spricht mit Mitoudidi. Er sieht seinen Eindruck bestätigt, daß der Chef dieser Region, der selbsternannte General Maulana, ein gewissenloser Hampelmann war, der ersetzt werden mußte. Maulana wollte nicht ins Lager kommen, weil er befürchtete, dort festgenommen zu werden.

CHE: Wenn sich der Stand der Dinge nicht ändert, ist die kongolesische Revolution unweigerlich zum Scheitern verurteilt.

Neue Expeditionen werden unternommen: Inne und Nane durchstreifen an der Spitze kleiner Gruppen die Gegend um Front de Force und Katenga. Aly führt eine Erkundung zum Dorf Kabimba und auf der Landstraße von Kabimba nach Albertville durch, wo er vom Chef der dortigen Region aufgehalten wird.

DREKE: Wir mußten uns mit dem Che streiten, damit er nicht selbst an die Front ging, in die Gefechte eingriff.

KAHAMA: Tatu erkundete den Weg nach Uvira. Er konnte nicht länger stillhalten und begann sehr ungeduldig zu werden.

Weiterhin trafen Boote mit Waffen in gutem Zustand ein.

CHE: Es war wirklich traurig zu beobachten, wie das Material vergeudet wurde.

Mitoudidi straffte die Organisation der Basis, wies die Trinker [nach Ches Einschätzung 90-95% der Männer] zurecht, schränkte die Ausgabe von Waffen ein und verlangte von den an schweren Geschützen eingesetzten Männern, daß sie eine Demonstration ihrer Fähigkeiten gaben, bevor ihnen irgendwelches Material ausgehändigt würde.

CHE: Aber es blieb noch zuviel zu tun. Und er war bloß ein einziger Mann. Selbst seine Stellvertreter halfen ihm kaum bei seiner Aufgabe (...). Wir kamen uns sehr nah, ich erklärte ihm, daß meine wesentliche Schwachstelle im mangelnden Kontakt zu den Kämpfern lag, die kein Französisch sprachen.

KAHAMA: Am 3. Juni um halb sechs Uhr morgens wurden wir durch Schreie geweckt, für einen Moment dachten wir, die Basis würde angegriffen, doch ein weiterer Schrei ließ uns alle aufspringen: »Feuer!« Offenbar hatte eine unserer Hütten, in der etwa fünfzehn Compañeros schliefen, Feuer gefangen. Allen Anstrengungen zum Trotz brannte die Hütte von oben bis unten ab, sogar die Hütte nebenan fing Feuer; obgleich diese nicht vollständig abbrannte, weil sie erst am Tag zuvor errichtet worden und das Stroh noch feucht war, so daß wir das Feuer rechtzeitig löschen konnten.

Wir mußten keinen persönlichen, aber sehr wohl materiellen Schaden beklagen. Mehrere Compañeros (diejenigen, die am tiefsten geschlafen hatten) hatten nicht einmal mehr Zeit gehabt, ihre Stiefel anzuziehen: die Stiefel waren verloren, und auch mehrere vollständige Rucksäcke waren verbrannt. Emilio büßte einen Patronengurt mit sämtlichen Kugeln ein, und zweihundertdreißig Regencapes wurden zerstört. Das Feuer war wegen der Kälte ausgebrochen, die in dieser Gegend herrscht. In jeder Hütte gab es ein Lagerfeuer, das Tag und Nacht brannte. Offenbar war von diesem Feuer ein Funken übergesprungen, der das Dach in Brand gesetzt hatte, das wie die Wände aus Stroh ist ... Und schon war nichts mehr zu machen!


ILANGA: Am Berghang, wo die beiden Gebirgsrücken sich zu einer Klippe vereinen, gab es einen dichten Wald, dort war das Lager. In diesem waren etwa 25 Kubaner. Morgens Unterricht, danach ging die Arbeit im Lager weiter, nach der Schicht Mittagessen: Reis, mit oder ohne Bohnen. Ungefähr um fünf Schießunterricht; die Übungen wurden oben abgehalten, und von dort konnte man den See sehen. Abends gab Tatu einen politischen Kurs für die Kubaner.

KAHAMA: Die Compañeros wurden entsprechend ihres kulturellen Niveaus in drei Studiengruppen aufgeteilt. Es gab Unterricht in Spanisch, Mathematik, Kisuaheli, Französisch. Die einen arbeiteten, während die anderen Gruppen studierten.

ILANGA: Der Che las viel: Das Kapital, Werke von Marx, Werke von Mao. Ich fragte ihn, wovon Das Kapital handelt. Er versuchte es mir zu erklären und verwirrte mich damit nur. Ich sagte ihm: »Ich verstehe gar nichts, laß uns morgen weiter darüber reden.« Tatu las jede Nacht. Die anderen schliefen ein und fingen an zu schnarchen, und er blieb sitzen und las im Schein der Petroleumlaterne.



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