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Die Fahrt über den See


Am 23. April ist die Gruppe in dem kleinen tansanischen Ort Kigoma und wartet auf die Überfahrt.


CHE: Wir stellten fest, daß [die kongolesischen Befehlshaber] Passierscheine ausstellten, um von der Front hierher kommen zu dürfen. Dieses Dorf war ein Ruheplatz, und wer es erreichte, gehörte zu den Glücklichen, die fern von den Unwägbarkeiten des Kampfes leben konnten. Der unheilvolle Einfluß Kigomas mit seinen Bordellen, seinen Schnäpsen und vor allem dem sicheren Unterschlupf, den es bot, sollte von der revolutionären Führung stets unterschätzt werden.

DREKE: Kleinere Schwierigkeiten mit dem Boot; die Nachricht trifft ein, daß das Boot nicht funktioniert. Che wird ungehalten: »Wir müssen los, wir werden fahren, womit auch immer.«

KUMI: Ein Mercedes Benz und ein Zil-Lastwagen bringen uns zum Seeufer. Ein zweiter Wagen bildet die Nachhut. Der Lastwagen war schon bei mehreren Gelegenheiten liegengeblieben. Vernier, Oliva und noch ein dritter fuhren ihn. Wir wechselten uns ab, alle paar Kilometer wechselte einer vom Lastwagen auf den Benz. Ich fuhr im Benz mit, die ärztlichen Privilegien genießend. Wir reisten sehr ungemütlich.

NANE: Ein Motorboot erwartete uns. Es war ein mittelgroßer Kutter.

DREKE: Die Reise sollte von Kigoma in Tansania nach Kabimba im Kongo gehen, über den Tanganyika-See. Tshombés Militärpatrouillen fuhren ununterbrochen über den See. Die Überfahrt sollte zwischen sechs und sieben Stunden dauern, immer die Ufer entlang, den belgischen Söldnern ausweichend. Es war ein ziemlich kleines Boot, es hatte Platz für sechzehn oder siebzehn Personen. Man hatte den Eindruck, daß das Ding verteufelt bald auf Grund gehen würde. Es war keine zehn Meter lang. Am 23. April gegen neun oder zehn Uhr abends brachen wir auf. Auf dem See ließ es sich schlecht navigieren, Dunkelheit und hoher Wellengang. Das war ein Vorteil, denn möglicherweise würden Tshombés Truppen nicht patrouillieren. Es regnete. Der Che verteilte die Leute: »Zwei nach da, drei nach da.« Als wir an Bord des Bootes gingen, entfernte er die Prothese und gewann sein normales Aussehen zurück. In diesem Moment war der Che schon wieder der Che.

KUMI: Wir fuhren auf den See hinaus, der für einen solchen Kahn mit Außenbordmotor wie ein Meer war. Ungeheurer Wellengang. Die Überfahrt war nicht leicht. Tshombés Boote kreuzten umher, und unser Lotse verlor die Orientierung.

DREKE: Der Motor ging kaputt und sprang nicht mehr an. Dreimal heulte er auf, dann lief nicht mehr.

KUMI: Ein Motor fiel aus, und für eine Weile trieb das Boot ab, um ein Haar wären wir mit Tshombés Booten zusammengestoßen, ein anderer Motor wurde angebracht, es war wie Science Fiction, der Che begann sich Sorgen zu machen. Er war praktisch derjenige, der das Boot wieder in Marsch setzte.

DREKE: Der Che erinnert uns an die Bedingungen: fünf Jahre als Freiwillige, möglicherweise würden wir auf uns selbst gestellt bleiben, weil die anderen nicht herüberkommen könnten. »Auf geht's.« Wir überqueren den See in Gefechtsbereitschaft, bereit zu kämpfen. Aber wir müssen eine Begegnung vermeiden, »wenn wir mitten auf dem See aufeinanderstoßen, werden wir nicht ankommen«, sagte er.

KUMI: Bengalisches Feuer am Himmel, sie schienen uns anzeigen zu wollen, daß es nichts mit uns zu tun hatte, bloß ein Manöver war. Wenn sie uns hätten verfolgen wollen, hätten sie uns eingeholt, denn sie hatten Schnellboote. Auf der Fahrt fragte mich der Che, ob ich schwimmen könnte, und als ich nein sagte, antwortete er im Scherz: »Verdammt, schau nur, auf welche Weise du sterben wirst.«

DREKE: Ein Sturm kam auf. Das Boot bewegte sich wie eine Nußschale inmitten einer fürchterlichen Dunkelheit, man konnte nichts sehen, und wir durften kein Licht machen.

KUMI: Das Boot zog Wasser, wir wurden naß, schöpften das Wasser mit Eimern ab, hin und her geworfen vom Wellengang, das Wasser strömte herein, und wir verloren die Orientierung.

NANE: Wellen auf dem See. Für mich war es ein Meer, das wir da überquerten.

DREKE: Ein Moment kam, da glaubten wir, daß wir verloren wären. »Nein, nein.« Chamaleso erklärte dem Che die Haken, die wir steuerten. Sie wußten, wohin wir fuhren. Am Ende kreuzten wir die Küste entlang, um ans Ziel zu kommen. Das Boot hatte nur einen Zeltaufbau. Wenn die Wellen überschlugen, wurden wir alle naß. Mit Eimern schöpften wir ab. Der Che wiederholte uns, daß wir bald an Land gehen würden.

KUMI: Wir sahen Lichter in den Bergen und verstanden, daß dies das Signal war, daß wir uns der Küste nähern sollten. Das Zeichen derer, die uns erwarteten.



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